637. Newsletter Südharzstrecke - Schienenersatzverkehr Herzberg – Northeim: Start mit kleinen Problemen
Ein Reisebericht (Stand 28.07.2015)
Hallo liebe Eisenbahn-, ÖPNV- und SPNV-Interessierte!
Herzberg/Northeim. Als mein SEV-Bus auf der Fahrt nach Northeim die Rhume vor Katlenburg überquerte, machte sich gerade eine Gruppe Wassersportler startklar. Auf den kleinen Schlauchbooten stand angeschrieben: „Adrenalin-Tours“. Das Geld, dachte ich bei mir, hätten die Leute sich sparen können. Adrenalin-Schübe gibt es bei der Deutschen Bahn praktisch kostenlos zum Fahrschein dazu. Besonders dann, wenn betriebliche Ausnahmesituationen mit begrenztem Personalkörper zu bewältigen sind.
Am Samstag, den 25.7. fiel der Startschuss für eine praktisch während der gesamten Sommerferien anhaltende Bauphase auf der Südharzstrecke. Gebaut wird zwar letzten Endes nur rund um Northeim, da aber zwischen Herzberg und Northeim kein Krümmel Infrastruktur übrig geblieben ist, der abschnittsweisen Zugverkehr zulassen würde, und auch bei Fahrten auf dem falschen Gleis an Bahnübergangs-Kontakten gespart und damit der Betrieb faktisch unmöglich gemacht wurde, muss hierfür gleich die gesamte 24 km lange Strecke gesperrt werden. Harte Zeiten für Besitzer von Rollstühlen, Kinderwagen oder gar Fahrrädern. Für den normalen Fahrgast gibt es „Schienen-Ersatzverkehr“ mit dem Bus, welcher allerdings für die gleiche Strecke doppelt so lange braucht wie der Zug.
Zur Vorbereitung auf die Reise hat die DB ein relativ dickes Heft mit Angaben zu Ersatz-Fahrzeiten herausgebracht. Es ist auch in den Zügen erhältlich. Der elektronische Anzeiger verkündete per Laufband unverdrossen, dass zwischen Herzberg und Northeim keine Züge, sondern Busse fahren. Eine begleitende Ansage vom Band gab es leider nicht. Eine Gruppe englisch sprechender Musiker nebst netter weiblicher Begleitung wollte um 9.03 in Richtung Northeim mit. Wenn das man gut geht, dachte ich so bei mir. Sonst hielt sich der Andrang in Grenzen. Ist bei SEV eigentlich immer so. Was ich vermisst habe, ist ein Mitarbeiter der Reisendenzählung. Da man an beiden Streckenenden kaum noch weiterkommt, wäre dies ja eine gute Gelegenheit, einen Fahrgastrückgang zu konstatieren (Meine Vermisstenmeldung kann ich mit Ablauf des heutigen Montags übrigens zurückziehen: Es waren Fahrgastzähler im ersten Zug nach Northeim… Mitunter fällt es schwer, keine Satire zu schreiben).
Der Zug kam pünktlich und wies als Fahrziel „RB80 Göttingen“ aus. Dort, soviel war klar, würde er nun gewiss nicht hinfahren. Versprochen war ja eigentlich, dass der Zug nach Braunschweig fahren würde. In Bad Lauterberg-Barbis stand noch immer „Göttingen“ als Ziel, aber kurz nach der Abfahrt kam eine Durchsage des Triebwagenführers, wonach dieser Zug nach Braunschweig fahren würde und Fahrgäste nach Northeim bitte in Herzberg zum Bus umsteigen sollten. Das wiederum hatten auf die Schnelle nicht alle mitbekommen, schon gar nicht die ins englische Gespräch vertieften Musiker, die in Herzberg unverdrossen zum Gleis 4 marschierten. Dort hätten sie bestenfalls wieder nach Walkenried zurück gelangen können, wurden aber vom darob informierten Fahrzeugführer wieder eingefangen.
Ein SEV-Bus stand auch schon da, sogar ein ganz ordentlicher niederfluriger der Firma Weihrauch. Es gab auch einen sehr engagierten Fahrer, der sich um Informationen bemühte, die er nicht hatte. Zum Beispiel um die, auf welche Züge er in Herzberg denn nun eigentlich warten solle. Auf seinem Zettel standen nur die reinen Fahrzeiten seines Busses, sonst nichts. Ärgerlich, vor allem dann, wenn – wie fast immer – der Zug aus Braunschweig Verspätung hat. Eine Kommunikationslinie zum Fahrdienstleiter, der in Sicht- und Hörweite sitzt, ist offenbar nicht vereinbart. Mein Fahrer hatte sich auf eigene Faust im Zug das Heft besorgt, welches den Fahrgästen offeriert wird, und studierte darin, als wir einstiegen. Wegen des verspäteten Zuges aus Braunschweig fuhren wir ebenfalls leicht verspätet ab. Der Fahrplan jedoch ist zunächst recht auskömmlich. Vor allem deswegen, weil in Hattorf keine Schleife in die Bahnhofstraße gefahren wird wie im Heft angekündigt, sondern schlicht an der Durchgangsstraße gestoppt wird. Die gewonnene Zeit haben wir hier und später in Wulften abgestanden. Aber es waren nur wenige Treckerfahrer unterwegs…
Zeit also, die immerhin und im Unterschied zu Wulften und Katlenburg gekennzeichnete Haltestelle des SEV zu knipsen. Wie im VSN üblich, fehlt links der Aushang mit den Fahrpreisen. Nützt ja auch niemandem, weil die Zuordnung der Orte zu den Preisstufen nach Belieben geändert wird. Also kann man das Ding auch gleich weglassen. Für den SEV ist es ja sowieso ohne Belang, aber ein Aushang mit den Abfahrtszeiten in Richtung Northeim hätte hier, reichlich weit vom Bahnhof entfernt, schon etwas gebracht.
Wie die Leute hier, fernab des Bahnhofs, an ihre Fahrscheine kommen, überlässt die DB klugerweise ihnen. Erst ein paar hundert Meter zum Bahnhof traben, dort lösen und ein paar hundert Meter wieder zurück, um in den Bus einzusteigen. Das ist doch mal ein Service! Das Problem stellt sich nur hier, in Wulften befindet sich die SEV-Haltestelle nur rund 50 m vom Bahnhof entfernt und in Katlenburg liegt sie unmittelbar daneben, dafür sind diese beiden Halte aber auch nicht gekennzeichnet.
In Katlenburg geht es über eine Jeep-Teststrecke von der Haltestelle wieder zurück auf die Hauptstraße, in Northeim gibt es an der ersten ernst zu nehmenden Ampel an diesem harmlosen Samstag einen nur kleinen Rückstau, so dass wir den Bahnhof 2 Minuten vor der eigentlichen Ankunft erreichen. Zeit also, um auch mit Gepäck den „metronom“ nach Hannover zu bekommen. Nach Göttingen hat man ohnedies Zeit. Wenn allerdings, so der gut informierte Fahrer, erst einmal die Bahnübergänge im Stadtzentrum gesperrt werden, ist eine verspätete Ankunft am Northeimer Bahnhof quasi vorprogrammiert. Das „Rotkäppchen“ des Bahnhofs war bei der Ankunft des Busses nirgendwo zu sehen. Aber vielleicht hat der Service-Mitarbeiter auch von irgendwo da oben herunter geschaut und unsere pünktliche Ankunft registriert.
Unser korrekt beschilderter Bus harrte nun der Dinge, die kommen sollten. Und das waren zunächst ein paar Umsteiger vom „metronom“ aus Göttingen. Dann kam doch noch Bewegung in die Szene, denn das „Rotkäppchen“ erschien und informierte über eine vierminütige Verspätung des „metronom“ aus Hannover mit dem Versprechen, nach der Ankunft wieder aufzutauchen und das Zeichen zur Abfahrt zu geben. Genau dies geschah auch. Umsteiger gab es freilich nicht, da der Anschluss in den einschlägigen elektronischen Medien verschwiegen wird. So ging es denn mit kleiner Besetzung nach Herzberg zurück. Im Bereich Lindau passieren sich die zwischen Herzberg und Northeim pendelnden Busse, so dass man nicht allzu viel Grips braucht, um dahinter zu kommen, dass der gesamte SEV mit genau 2 Bussen abgesichert wird. Hoffentlich melden sich da alle sommerlichen Reisegruppen auch an…
Die Fahrzeit in der Gegenrichtung ist wegen der recht unkritischen Einfahrt in Herzberg entspannt. Trotz mehrminütiger Abfahrtsverspätung und eines landwirtschaftlichen Gespanns vor Hattorf waren wir 5 Minuten vor Plan am Herzberger Bahnhof. Das konnte man von den Zügen wiederum leider nicht behaupten: Der aus Nordhausen kam mit zwei und der aus Braunschweig mit fast üblichen 8 Minuten Verspätung herein. Aber der Fahrer – jedenfalls dieser – wusste ja nun Bescheid: Wenn zwei rote Züge drin sind, kann wieder nach Northeim abgefahren werden. Für einen „Kümmerer“ in Herzberg hat es bei der Deutschen Bahn ja wieder einmal nicht gereicht. Sollen die Reisenden doch sehen, wie sie zurecht kommen!
Den letzten Adrenalinschub gab es dann in der verspäteten Regionalbahn nach Nordhausen. Zwei ratlose Damen mit Koffern schauten mich an: Da kam eben die Durchsage, dass der Zug hier endet. Also müssen wir doch raus? Nein, bleiben Sie ruhig sitzen… Das Fahrziel „Nordhausen“ wurde allerdings erst eingeblendet, als unser Zug schon fast in Bad Lauterberg-Barbis war. Aber das wissen wir ja schon: Die Technik…
Fazit
Im Grunde alles in Ordnung. Die Informationspolitik aber – wie nahezu immer – schwach und den Ereignissen hinterher hinkend. Natürlich müssen die Busfahrer wissen, dass sie in Herzberg zwei Züge abzuwarten haben, es sei denn, der Braunschweiger ist so gehörig verspätet, dass man, wie beim Zug ja häufiger der Fall, den Bus abfahren lassen muss. Nur: Wer sagt dem Fahrer das? Gestikuliert der Fahrdienstleiter von seiner Kanzel herab in der Hoffnung, bemerkt zu werden? Oder gibt man den Busfahrern eine Telefonnummer des Fahrdienstleiters mit dem Auftrag, vor Abfahrt stets nachzufragen? Der Zugnummernwechsel in Herzberg bereitet offenbar unlösbare Probleme. Es scheint nicht möglich, von vornherein „Braunschweig“ und „Nordhausen“ als eigentliche Fahrziele zu kommunizieren. Das Heft schweigt sich an der entscheidenden Stelle, nämlich in der Fahrplantabelle, dazu ja auch aus. Die Haltestellen sind mäßig bis gar nicht als SEV-Halte markiert. Wohlgemerkt: Es geht ja nicht um 2 bis 3 Tage, es geht um mehr als 4 Wochen in einer Zeit, in der gerade viele nicht ortskundige Kunden reisen. Da muss man schon ein wenig mehr tun.
Das A und O sind jedoch pünktlich verkehrende Züge. Bei den Braunschweigern ist mal wieder der Wurm drin, die „metronome“ aus Hannover packen es offenbar auch nicht mehr richtig, und dazwischen hängt ein einsamer Bus mit einem Fahrer, der im Zweifel eigenständig entscheiden soll. Das ist eindeutig zu viel verlangt und verlagert das Risiko an den falschen Ort. Die Bahn muss dafür sorgen, dass die Voraussetzungen stimmen: Pünktliche Züge und, falls dies nicht gelingt, Leute, welche die hin- und herpendelnden Busfahrer entsprechend informieren. Und dies, siehe Northeim, auch vor 8 und nach 20 Uhr.
Und noch ein Wort zum Schluss
Wir wissen natürlich um die Probleme mit dem Fahren auf dem falschen Gleis. Deswegen müssen wir es aber nicht gut finden, wenn mehr als 4 Wochen lang die Kunden mit ganz erheblichen Einschränkungen fertig werden müssen. Das Erneuern der Gleise, Brücken und Bahnübergänge ist vollkommen in Ordnung und wird auch von uns begrüßt (und wir wissen um die Bemühungen der Leitung des Harz-Weser-Netzes der letzten Jahre). Aber beim SEV wird wieder einmal die absolute Sparversion geboten. Im Herbst folgt übrigens Kapitel 2, wenn wegen der Erneuerung eines Gleises im Bahnhof Seesen SEV zwischen Salzgitter-Ringelheim und Münchehof gefahren wird. Aus ähnlichen Gründen wie hier: Die Infrastruktur ist dermaßen ausgedünnt, dass man nicht einmal von Ringelheim bis Seesen und zurück fahren kann, obschon es dort noch eine Umsetzmöglichkeit von Gleis 1 nach Gleis 2 gibt…
Michael Reinboth
Viele Grüße
Burkhard Breme
Initiative "Höchste Eisenbahn für den Südharz"
37431 Bad Lauterberg
E-Mail: burkhard.breme@suedharzstrecke.de
Internet: http://www.suedharzstrecke.de