Engelsträume - Kinderglaube
Es war in einem Dezember Mitte der 1950ger Jahre, ich war noch keine 10 Jahre alt und hatte wieder mal, wie öfters in der kalten Zeit, eine böse vereiterte Mandelentzündung. Zu der Zeit gab es nicht viele Medikamente und ein Halswickel mit heißen zerdrückten Pellkartoffeln war ein wichtiges Heilmittel. Ich fand es schrecklich.... da hatte ich Fieber, konnte nicht schlucken, fühlte mich total schlecht und dazu bekam ich noch diese dicke warme Packung um den Hals. Meine Nahrung war die Brühe einer Taube, welche meine Mutter von einem Bauern bekommen und gekocht hatte ( solche 'Taubensuppe' , auch mit selbst gemachten Nudeln, gab es immer wenn ich krank war - auch das habe ich nie vergessen). Zur Schule durfte ich eine Zeitlang nicht gehen, absolute Bettruhe war angesagt. Ging es mir wieder besser, durfte ich ab und zu aufstehen und da ich noch ein bisschen wacklig auf den Beinen war mochte ich am liebsten am Fenster sitzen und hinausschauen und wenn es schneite, den fallenden Schneeflocken zuschauen.
Sah ich nach oben, gegen den Himmel, sahen die fallenden Flocken nicht weiß sondern sehr dunkel aus, sie waren klein oder groß, mal tanzten sie sanft aus den Wolken oder wenn es windig war flitzten sie waagerecht am Fenster vorbei. Das faszinierte mich und es wurde mir nicht langweilig.
So saß ich an einem Nachmittag da, schaute und träumte vor mich hin - langsam wurde es dämmrig und dunkler und plötzlich sah ich für einen winzigen Augenblick ganz weit hinten am Horizont, wo sich zwei Waldstücke fast berührten, ein Licht aufblitzen. Im ersten Moment war ich verwirrt - was war das - Nikolaustag war schon vorbei - waren vielleicht Weihnachtsengel unterwegs? In vielen Weihnachtsgeschichten und Erzählungen geschah so etwas. Was konnte das gewesen sein ? So kurz vor Weihnachten? Dann meine Erkenntnis: Das kann nur das Christkind gewesen sein. Es war unterwegs, um zu schauen, wo die braven Kinder wohnen, damit es in einigen Tagen die Geschenke dort hinbringen kann.
Was hatte ich mir damals zu Weihnachten vom Christkind gewünscht und was hatte ich bekommen ? Ich weiß es nicht mehr - diese Jahre waren eher traurig für uns, meinen kleineren Bruder und mich - unser Vater war gestorben, als ich grad 7 Jahre alt war.
Aber: Ich hatte das Christkind mit dem Schlitten gesehen - und es brauchte ja ein Licht, damit es sieht wohin es fährt - davon war ich fest überzeugt. Das war für mich was ganz Besonderes, Schönes, ein Glücksgefühl....
Ich war total aufgeregt und hatte es meiner Mutter erzählt, die mir natürlich damals keine andere Erklärung für diese leuchtende Erscheinung geben hat - auch nicht wollte oder konnte.
Erst viele Jahre später, ich habe da schon längst nicht mehr an das Geschenke bringende Christkind geglaubt, hatte ich plötzlich die Erklärung für das Licht - es konnte nur eines der zur damaligen Zeit noch sehr wenigen Autos gewesen sein, welches dort in diesem Moment eine Straße entlang gefahren war. So eine einfache Erklärung - für mich aber war es damals zur Kinderzeit etwas Wunderbares.......
Auch heute noch, wenn ich im Winter in der Dämmerung draußen unterwegs bin, beobachte ich gerne ferne Horizonte und wartet darauf, dass wieder mal ein 'seltsames' Licht in der dunklen Ferne aufblitzt - und wenn, dann freue und erinnere ich mich und manchmal spüre ich auch noch einen Hauch von diesem zauberhaften warmen Gefühl - wie zu der Zeit als ich noch an Wunder und das Christkind geglaubt habe - wie in der Kindheit.
Wunderschön erzählt,liebe Karin !
lg Gaby