AWO Helsen diskutiert über Sterbebegleitung und Hospiz
Zu der ersten Veranstaltung in einer Gesprächsreihe zur sozialgesellschaftlichen Themen hat Denis Delaruelle, Vorsitzender der Arbeiterwohlfahrt Helsen, Monika und Axel Franke vom Ökumenischer Hospizdienst Bad Arolsen eingeladen.
In seiner Begrüssung bestätigt Denis Delaruelle das man über Sterben und Tod nicht gerne spricht. Gleich einem gesellschaftlichen Tabu findet Sterben heute überwiegend in Krankenhäusern und Pflegeheimen statt. Vor uns schweben Gefühle von Hilflosigkeit, Angst und Einsamkeit.
Laut Umfragen möchten etwa 90% aller Menschen zu Hause sterben. Tatsächlich sterben nach Schätzungen jedoch etwa 50% der Menschen im Krankenhaus und weitere 20% im Pflegeheim. Mit der Verkürzung der Krankenhaus-Verweildauer verlagert sich der Sterbeort zunehmend in die ambulante und stationäre Altenpflege. Über 40% der Pflegeheim-Bewohner sterben in den ersten sechs Monaten nach Heimeinzug.
Die AWO thematisiert und realisiert die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten für würdevolle Sterbeprozesse für Pflegebedürftige in ihren Einrichtungen und Diensten. Sie ermöglicht angemessenes Abschiednehmen und Trauerbearbeitung für die am Sterbeprozess Beteiligten. Im Mittelpunkt stehen dabei die Wünsche und Bedürfnisse der Sterbenden. Es geht vor allem darum, sterbenden Menschen zu ermöglichen, in einer vertrauten Umgebung zu bleiben. Zu einer Abschiedskultur gehören darüber hinaus Fragestellungen des Umgangs mit dem Verstorbenen, seiner Bestattung und der Gestaltung von Erinnerungsritualen. Stationäre Pflegeeinrichtungen sind vor diesem Hintergrund als Orte „abschiedlichen“ Lebens zu verstehen.
Hier setzt auch der Hospizgedanke an: Sterben und Tod als Teil des Lebens wahr- und annehmen und den Menschen das geben was sie für diesen Lebensabschnitt wünschen.
Hospize wollen eine menschenwürdige Alternative sein. Sie wollen das Sterben wieder in das Leben integrieren. Den Kranken und ihren Angehörigen soll ein Stück Normalität vermittelt werden, was im Krankenhaus oder zu Hause, durch Überforderung der pflegenden Angehörigen, oft nicht mehr gegeben ist.
In diesem Moment nimmt das Ehepaar Franke seine Ausführungen auf. Axel Franke zitiert einen Sterbebegleiter: „Mit allen Sinnen und gesammelter Kraft und Aufmerksamkeit versuche ich diesem Menschen nahe zu sein, mich in ihn einzufühlen. Dann entsteht ein Gefühl von Verbundenheit und Vertrautheit, einfach die Nähe von Mensch zu Mensch“.
Der Hospizdienst Bad Arolsen ist 1997 gestartet worden. Nach eindringlichen privaten Erfahrungen haben Monika und Axel Franke mit 20 Mitstreitern die Bewegung gestartet. In 1998 ist dann mit 16 Personen die konkrete Arbeit aufgenommen worden. Monika Franke erinnert sich an der Anfangsperiode: „In solche Situationen in einem Privathaus zu gehen ist nicht so einfach. Man muss schon sein Herz in die Hand nehmen.“
Die Mitarbeiter sind alle ehrenamtlich tätig und unterliegen der Schweigepflicht. Sie verstehen sich als Begleiter und Stütze auf der letzten Wegstrecke sterbender Menschen und deren Angehörigen. Die Arbeit ist unentgeltlich, die Bewegung (der Hospizdienst ist kein Verein) finanziert sich aus Spenden.
Als Träger konnten die Diakonie und die Katholische Kirchengemeinde gewonnen werden. Monika Franke hat über 8 Jahre die Einsatzleitung innegehabt, danach ist gewechselt worden. Für einen Sterbenden sind jeweils Teams von 2 bis 4 Begleitern im Einsatz, diese sind Tag und Nacht erreichbar. Die Sitzwachen werden Zuhause, aber auch im Altersheim oder im Krankenhaus gewährleistet. Kursen und Seminare sind Bestandteile der Hospizarbeiten. Nach einer abgeschlossenen Begleitung ist eine Abschlussbesprechung vorgesehen. Hierbei wird nicht nur Verbesserungspotential diskutiert, sondern es gibt für die Teilnehmer die Möglichkeit sich auszusprechen, immer wieder wird der seelische Belastungszustand überprüft. Nach jedem Einsatz gibt es dann auch einer Rückbesinnungspause.
Axel Franke erläutert Grundidee und Geschichte der Hospizbewegung. Im deutschen Sprachraum der Gegenwart wird mit Hospiz meist eine stationäre Pflegeeinrichtung bezeichnet, die meist nur über wenige Betten verfügt und ähnlich wie ein kleines Pflegeheim organisiert ist. Das erste stationäre Hospiz wurde 1967 im Vereinigten Königreich eröffnet, in Deutschland 1986. In Deutschland gibt es 179 stationäre Hospize und 231 Palliativstationen in Krankenhäusern, sowie 1500 ambulante Hospizdienste.
Bei einem Hospiz handelt es sich aber nicht nur um eine konkrete Institution, sondern es beschreibt auch ein Konzept der ganzheitlichen Sterbe- und Trauerbegleitung. Hospiz ist weniger ein Ort, vielmehr eine Lebenshaltung.
Unheilbar Kranke bekommen in ihrer letzten Lebensphase eine respektvolle, umfassende und kompetente Betreuung. Bei allen pflegerischen und medizinischen Handlungen steht aber der Wille des Kranken an erster Stelle. Ausserdem werden Beratung und Trauerbegleitung für die Angehörigen angeboten.
Träger sind zumeist gemeinnützige Vereine, aber auch Kirchen und gemeinnützige Organisationen und Stiftungen.
Anliegen des Hospizdienstes ist es, mit dazu beizutragen, dass das Leben bis zuletzt lebenswert ist. Für jeden Menschen muss an jedem Ort und zu jeder Zeit eine seine Würde achtende Versorgung gewährleistet sein. Dazu gehört eine umfassende palliativmedizinische und –pflegerische sowie psychosoziale Begleitung. Dazu gehört auch, die Selbstbestimmung jedes einzelnen zu währen, ganz besonders am Lebensende. Weil „Sterben auch Leben ist“. Der Umgang mit Sterbenden und mit dem Tod ist ein Spiegelbild unseres Umgangs mit dem Leben.
Durch die bereits genannte Tabuisierung der Lebensbereiche Tod, Krankheit und Sterben rückt auch die Trauerbegleitung in dem Vordergrund. Das Enthüllen der eigenen Gefühle über den Verlust gegenüber Freunden, Familie, Leidensgenossen oder professionellen Helfern ist keine notwendige Voraussetzung für die Trauerarbeit, da man sich mit seinen Gefühlen auch alleine auseinandersetzen kann. Allerdings besteht eine enge Beziehung zwischen den zwei Prozessen: Manchen Menschen gelingt die Auseinandersetzung mit ihrer Trauer nur über das Gespräch. Indem sie mit Anderen reden, klärt sich für sie die Situation und so verarbeiten sie ihre Trauer. Es ist eine Funktion von Trauerbegleitung und Trauertherapie, sich der Auseinandersetzung mit dem Verlust zu stellen, sowie die Trauernden bei ihrer Trauerarbeit zu begleiten. Dabei geht es nicht darum, sie von der Trauer zu befreien, sondern sie dabei zu unterstützen, den erlebten Verlust sowie die damit verbundene Trauer als einen Bestandteil ihres Lebens anzunehmen und zu integrieren, um nach dem vollzogenen Trauerprozess gestärkt und lebensbejahend nach vorne leben zu können.
Die AWO-Mitglieder waren sehr ergriffen von den Ausführungen und es folgte dann auch eine interessante Diskussion. Als besonders wichtig wurde das Gespräch mit den Angehörigen eingestuft. Sterbenden möchten Angehörigen nicht belasten; anderseits wollen die Angehörigen den nahenden Tod des geliebten Familienmitglieds nicht wahrhaben, „sie wollen nicht loslassen“.
Als Schlusswort hat Axel Franke die Grundgedanke noch mal zusammengefasst: „Wir hören zu. Wir sprechen mit den Leuten und sich einfach da, ganz nach den einzelnen Bedürfnissen“.