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Der letzte Abenteurer

Es gehört zu meinen lästigen Angewohnheiten, darüber nachzudenken, warum sich gewisse Dinge zu einer bestimmten Zeit aufdrängen. Nicht vorher und meist später auch nicht mehr. Eigentlich passiert dies ja jedem, aber die Fragestellungen sind bei den meisten anderer Natur. Sie ergründen eher den "Nutzen". Woher kämen sonst Aussagen wie "Das ist mein Traumtyp" oder "Das ist der beste Whisky aller Zeiten", oder noch häufiger "Was'n Irrer, da ist nichts zu machen"?

Ich wehre mich seit langem gegen diese Form der Wahrnehmung, mir geht es aber weniger um das "Was" als eher das "Wann". Zu letzt zappe ich also wieder, wie so oft, zwischen Phoenix und BR3 und auf dem einen Kanal läuft eine Doku über Ernest Shackleton, dem rastlosen Polarforscher, und eine Diskussion mit Michael Martin, also mit dem Mann, den ich seit letztem Jahr durch eine ständige Präsenz auf Phoenix über die Dokumentationen der Wüsten der Erde erstmals in diesem Umfang wahrgenommen habe. Nach soviel Jahren.

Ohne nachzudenken habe ich mich für Shakelton entschieden und das Interview mit Martin zunächst einmal aufgezeichnet. Das Fazit aus diesem Bericht beschäftigt mich bis heute: Shakelton ist nach seiner letzten gescheiterten Expedition zur Antarktis viele Jahre später wieder dorthin zurückgekehrt, um einen neuen Versuch zu wagen. Es kam nicht mehr dazu: am Ausgangspunkt, auf Südgeorgien (wo er zuletzt nach einer übermenschlichen nautischen Leistung gerettet wurde), verstarb er an einem Herzinfarkt. Die letzten Tagebucheinträge waren erfüllt von einer Zufriedenheit und Wärme, gerade so, als hätte er endlich sein Zuhause gefunden.

Michael Martin kenne ich seit so gut, wie man jemanden kennt, mit dem man aufgewachsen ist und den man aus den Augen verloren hat. Per Saldo also überhaupt nicht. Es war eine große Freude für mich zu sehen, dass er es nicht nur zu nationaler Aufmerksamkeit geschafft hat, nein: er wurde sogar u. a. schon zu einem Vortrag zur Weltklimakonferenz 2005 eingeladen.

Respektabel, immerhin habe ich seinen ersten Auftritt noch in Erinnerung, als wäre es gestern: wir besuchten diesselbe Schule und seine Mutter war sogar meine Lehrerin für Französisch. Wir gingen alle hin, in die Turnhalle der Dorfschule, denn es gehörte sich einfach. Immerhin: einige Monate zuvor war er verfrüht von der Schule nach Hause gekommen und fand seinen Vater erhängt am Wohnzimmerschrank. Ein Schock für einen circa 16-jährigen. Der stille Mitschüler erschien uns zunehmend in sich gekehrt und man mied seine Nähe, denn: wie geht man damit um, in diesem Alter? Als bekannt wurde, dass er für die Ferien eine Durchquerung einer nordafrikanischen Wüste plante, war jedem klar: hier hat jemand etwas nicht verarbeitet. Mit 17 hatten wir ja bereits alles gesehen und gehört und hatten zu allem eine endgültige Meinung. So war es eine lästige Pflicht, diesen ersten Dia-Vortrag aus seiner ersten Wüste anzusehen und gebührend zu applaudieren. Damit hatten wir unser Mitgefühl abgearbeitet. In den folgenden Jahren hingen immer wieder sporadisch Plakate an den Litfaßsäulen in der näheren Umgebung, die Vorträge über neue Expeditionen ankündigten und das Interesse lag bei Null. Denn eines war uns allen klar: der junge Mann war immer noch auf der Flucht und er würde das eben solange machen, bis ihm das Geld aus dem Elternhaus ausginge.

Weit gefehlt, wie ich letztes Jahr feststellen musste. Phoenix brachte über Wochen spätabends Dokumentationen seiner Reisen. Spartanisch, mit beinahe beiläufigen Sätzen über unscheinbare Details unterlegt, offenbart sich in Michael Martin eine Persönlichkeit, die erfüllt ist von Respekt und Aufmerksamkeit gegenüber dem Leben in seiner gesamten Breite, in jeder Erscheinungsform und es ist eine ansteckende Faszination und Leidenschaft zu spüren in dem, was er macht und wie er es macht. Bis zu diesem Punkt habe ich an mir festgestellt, dass ich eine Bewunderung zwar zugelassen habe, die die Vergangenheit aber nicht vollständig ausblenden konnte. Ich habe mir erlaubt, ihn nach so vielen Jahren wieder zu kontaktieren und mit einer einzigen Frage zu konfrontieren, weil sie mir nicht aus dem Kopf ging: "Woher kommt diese Sucht, hat er nicht irgendwann, tief im Innersten, die absolute Überzeugung, dass eine Reise irgendwann den Bogen überspannen würde und er einfach verloren gehen würde. Irgendwo."

Und seine Antwort war ebenso bestimmt wie klar: er überließe nichts dem Zufall und alles sei bis ins Detail geplant.

Sehr beruhigend für mich zunächst: es war wohl an der Zeit, meine eigene, von Zufällen und Zusammenhängen dominierte Wahrnehmung zu überdenken.

Dann habe ich das aufgezeichnete Video gesehen. Verblüffend. Er hat nicht nur erstmals zugegeben, dass er bisher mehr Glück hatte als jeder sich das vorstellen könne, er hat darüber hinaus auch davon gesprochen, dass er das Glück nicht "überspannen" wollte. Und im gleichen Atemzug kündigte er eine neue Expedition an, ein Vorhaben wie es die Welt bisher nicht gesehen habe. Der Start in einer afrikanischen Wüste, bei + 50 Grad, mit dem Ziel, den Südpol, bei - 50 Grad, zu erreichen. Sein letzter Kontakt zur Aussenwelt würde Südgeorgien sein und dann wäre er vollkommen auf sich gestellt.

An diesem Tag kam eben der Bericht über Shakelton, dem Mann, der im zweiten Anlauf genau dort sein Schicksal gefunden hatte, nachdem er dort dem Tod bereits von der Schippe gesprungen war, viele Jahre zuvor.

Ich persönlich kann mich nicht dagegen wehren, ich treffe immer wieder auf Menschen, die bewußt oder unbewußt einen Weg wählen, der sich beschreiben läßt mit:

"Es ist besser, den Ast zu brechen, als ihn niemals gebogen zu haben."

Diese Wahrheit gilt nur für die, bei denen er (noch) nicht gebrochen ist.

Für Shakleton und Martin gibt es Einträge auf Wikipedia. Der Eintrag von Michael ist kürzer, so, als fehlte noch ein Stück. Ich will nicht weiter darüber nachdenken und wünsche ihm alles Gute von Herzen. Ich weiß: er ist ein wertvoller Mensch.

http://de.wikipedia.org/wiki/Michael_Martin_%28Fot...

http://de.wikipedia.org/wiki/Ernest_Shackleton

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