Mit Kernkraft das Klima retten?
Kaum ein Thema wird derzeit in Deutschland so intensiv besprochen wie das Thema Energie. Mit Blick auf die erheblichen Veränderungen des energiepolitischen Umfelds ist zu erwarten, dass der Energiesektor in den kommenden Jahren eine tiefgreifende Umgestaltung erleben wird. Grundsätzlich geht es um zwei zentrale politische Ziele: Zum einen müssen die CO2-Reduktionsziele erreicht werden, zum anderen muss langfristig eine sichere und wirtschaftlich effiziente Energieversorgung sichergestellt werden. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass der optimale Energiemix in Deutschland in den kommenden Jahren anders aussehen wird als heute. Dabei muss man sich jedoch bewusst sein, dass zwischen den Regionen Deutschlands erhebliche Unterschiede bestehen, sowohl was den Energiebedarf als auch was die Primärenergieträger betrifft.
So wird beispielsweise der Energiemix in Sachsen derzeit von fossilen Brennstoffen dominiert – 74 Prozent des Stroms werden in Kohlekraftwerken erzeugt. Die Verbrennung von Kohle ist jedoch einer der Hauptverursacher von klimaschädlichen Treibhausgasen, was den deutschen Klimazielen widerspricht. Die Bundesregierung hat in diesem Jahr einen Fahrplan des Kohelausstieges vorgelegt. Danach sollen die ersten beiden Blöcke des sächsischen Kohlekraftwerks Boksberg noch in diesem Jahrzehnt abgeschaltet werden. Um die Region in der Zukunft mit Strom zu versorgen, muss Kohle durch andere Energiequellen ersetzt werden. Neben den erneuerbaren Energien, die aufgrund ihrer Wetterabhängigkeit den Strombedarf derzeit nicht vollständig decken können, wird auch die Nutzung der Kernkraft als umweltfreundliche Energiequelle erwogen.
So schließt der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) zum Beispiel die Nutzung der Kernenergie als Alternative zur Kohle nicht aus, denn „immerhin hätte man mit Atomenergie weniger CO2-Emissionen“. „Kernforschung muss weiter betrieben und gefördert werden. Wir müssen technologieoffen bleiben“, so Kretschmer. Auch sächsische Politiker/-innen aus anderen Parteien halten den Wiedereinstieg in die Atomkraft für denkbar. Im Wahlprogramm der FDP zur Landtagswahl in Sachsen voriges Jahr hieß es: „Technologieoffene Energieforschung schließt für uns auch Forschungen im Bereich der Kernenergie ein. Dabei muss das Ziel sein, die Kompetenzen sächsischer Forschungseinrichtungen auf dem Gebiet der Kernenergienutzung zu erhalten und auszubauen“. Die Liberalen meinen, „die Entscheidung, aus der Nutzung der Atomenergie zur Stromerzeugung auszusteigen“ sei „ergebnisoffen zu überprüfen, insbesondere bei einer Beendigung der Braunkohlenutzung“. Im Laufe des Wahlkampfs hat auch die damalige AfD-Abgeordnete und Direktkandidatin Karin Wilke gesagt, sie könne sich ein Atomkraftwerk in der Lausitz gut vorstellen.
Internationale Experten weisen auch auf die Vorteile der Kernenergie in Bezug auf die Energiewende in Europa hin. Eric Steinberger, Mitgründer und Leiter des Projekts Climate Science, das wissenschaftlich fundierte Informationen zum Klimawandel der Öffentlichkeit anbietet, meint: „Es sollte in digitalisierte und hochsichere Designs investiert werden, die glaubwürdige Gründe dafür liefern, dass sie schnell, leistbar, aber gleichzeitig auch sicher gebaut werden können. Momentan aktive Kraftwerke sollten keines Weges vom Netz genommen werden, bevor ihre Lizenz abläuft und solange sie strikten Sicherheitskriterien standhalten können. Laufende Kraftwerke vom Netz zu nehmen ist ein gravierender wirtschaftlicher sowie klima- und umwelttechnischer Fehler. Was wir an Kernkraft wegnehmen, muss von woanders dazukommen. Leider haben wir noch keine Energiespeichertechnologien, die es ermöglich würden einen Großteil des Strombedarfs mit Wind/Solar zu decken, daher wird ein Abschied von fossilen Brennstoffen erschwert werden, wenn wir Kernkraftwerke abschalten. Die Investition in neue Kraftwerke ist eine kompliziertere Frage, die von Land zu Land unterschiedlich bewertet werden muss. Allerdings ist klar, dass Kernkraft eine der saubersten Energieformen ist, die wir zur Auswahl haben. Den Atommüll dürfen wir nicht in Isolation betrachten, sondern müssen ihn mit dem CO2 Ausstoß von Kohle- und Gaskraftwerken abwägen“.
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