Eine fulminante Reise durch die Geschichte der Siedlungsgenossenschaft Firnhaberau
Mit einem großen Festabend feiert die Siedlungsgenossenschaft Augsburg-Firnhaberau 100-jähriges Bestehen
Das Jahr 2020 wird bunt und vielseitig für die Siedlungsgenossenschaft Augsburg- Firnhaberau eG (SGF). Der Kalender ist schon gut gefüllt mit Terminen. 100 Jahre Bestehen: ein markantes Datum, das gebührend gefeiert werden muss. Los ging es mit dem Festakt am 6. Februar in der Gaststätte „Hubertushof“ im Herzen der Firnhaberau. Genau an der Stelle, an die erste Bauhütte der SGF gestanden ist: eine Holzbaracke mit Schreibstube und Kantine.
Die Redner Kurt Forner, Horst Hinterbrandner und Dr. Stefan Roth blickten gerne auf die hundertjährige Geschichte zurück und hoben die wichtige Bedeutung der Gemeinschaft einer Genossenschaft hervorhob. Über 120 Gäste waren eingeladen. Aus dem Stadtteil die Vertreter der Kirchen und den Vereinen. Die Kollegen von Wohnungsunternehmen aus Augsburg und dem Umland. Persönlickeiten aus der Verwaltung und Politik sowie Vertreter des Bauhandwerks, der Bauplaner und Architekten. Sie alle applaudierten der SGF zu dieser hervorragenden Leistung. Die Chronik, in der die vergangenen hundert Jahre in Text und Bild festgehalten wurden, durfte jeder Gast als Erinnerung mit nach Hause nehmen. Passend dazu entführte das Musikensemble „Café Arrabbiata“ mit ihren Liedern auch musikalisch in die 20er und 30er Jahre: eine famose Umrahmung dieses Jubiläums.
100 Jahre – eine stolze Zahl!
Kurt Forner, der Vorsitzende des Aufsichtsrats der SGF, war stolz, zahlreiche Mitglieder und Freunde, aber auch Gäste aus Wirtschaft und Politik, darunter die Bundestagsabgeordneten Dr. Volker Ulrich und Ulrike Bahr, begrüßen zu dürfen. Er blickte auf die Gründungsväter der Genossenschaft zurück. Was sie wohl bewegt hatte, mit dem Aufbau eines ganzen Siedlungsgebietes im Jahr 1920 auf den gerodeten Lechauen zu beginnen. „Mut, Entschlossenheit und wahrlich auch ein Hauch von Verwegenheit mussten wohl dazu gehören, ein solches Vorhaben anzugehen“, sagt Forner.
Gemeinsam etwas schaffen
Und es war das Prinzip der genossenschaflichen Solidarität. Füreinander einzustehen, da beginnt Solidarität. Gemeinsam zu schaffen. „Die Gründung unserer Genossenschaft war der erste Schritt zum gemeinsamen Bauen mit gegenseitiger Hilfe und dann folgend für den genossenschaftlichen Wohnungsbau für alle, die sich der Genossenschaft anschließen wollten.“ Damals waren es vor allem die Sorge und das Bemühen, ein eigenes Zuhause für die Familie zu schaffen.
Ein Garant für bezahlbaren Wohnraum
Auch heute noch finden sich die einheitlich gestalteten Siedlerhäuser in der Firnhaberau wieder. Es musste kostengünstig gebaut werden. So waren es überwiegend kleinere Doppelhaushälften mit größeren Grundstücken, um sich selbst versorgen zu können. Noch heute zählt die Firnhaberau zu den mit viel Grün strukturierten Stadtteilen in Augsburg. Nach dem ersten Baujahr standen schon 22 Eigenheime der Siedler. „Was damals begann, erfährt heute eine neue Aktualität. Die Genossenschaftsidee genießt zudem eine neue Lebendigkeit“, so Forner. Und das erst recht im Umfeld stark steigender Grundstückspreise und Mieten. Genossenschaften schaffen bezahlbaren Wohnraum und Sicherheit für die Mieter, indem sie selbst Anteile erwerben. So komme ihnen faktisch ein lebenslanges Wohnrecht zu. Forner machte es deutlich: „Genossenschaftlicher Wohnungsbau ist ein verlässlicher Garant für einen sozial und strukturell ausgewogenen Mietwohnungbau. Ein Garant für bezahlbaren Wohnraum! Das ist es, was wir heute dringend in unseren Städten brauchen!“. Dass die SGF heute auf 100 Jahre erfolgreiches Wirken zurückblicken kann, darf die Mitglieder und Gäste mit berechtigtem Stolz erfüllen.
Garant für ein sicheres Leben
Augsburgs Oberbürgermeister Dr. Kurt Gribl ließ sich für das Jubiläum entschuldigen. Würdig vertreten hat ihn Stadtrat Horst Hinterbrandner, der ebenfalls im Vorstand einer Baugenossenschaft ist, und gerne ein Grußwort überbrachte. Auch er erinnerte gerne an das erste Siedlerhaus am Siedlerweg 7. „Günstige Mieten durch Eigenleistung war ein durchaus übliches Modell. Erst später wurden die Wohnungen immer mehr zur Ware“, so Hinterbrandner. Aber Genossenschaften sind mehr, sie sind stadtteilprägend und ein Garant für sicheres Leben. „Hier in der Firnhaberau ist sie, zum Beispiel mit ihrem Siedlerfest und ihrer Kinderweihnachtsfeier, der Mittelpunkt für gesellschaftliches Leben.“ Er dankte im
Namen der Stadt für die gute Zusammenarbeit und wünschte alles Gute für die „sicherlich nächsten hundert Jahre“.
Ein leuchtendes Beispiel
Als Festredner war Dr. Stefan Roth, der Direktor des Verbandes bayerischer Wohnungsunternehmen (Baugenossenschaften- und gesellschaften), eingeladen. Er blickte auf die Anfänge der 100-jährigen Tradition zurück und nahm die Gäste mit auf eine „Reise in die Welt der Wohnungsgenossenschaften und was sie so besonders macht“. Denn nur hier hat man ein gemeinsames Ziel, das über das reine Wohnen hinausgeht. Zudem ging er auf die Ursache des Anstiegs der Genossenschaften ein: „Es ist die wachsende Verunsicherung ausgelöst durch Krisen, die die Kernbereiche der Menschen betreffen.“ Aufgrund der Rechtsform, bei der jeder nur eine Stimme hat, werden Kapitalanleger abgeschreckt. „Und das ist gut so“, betonte Roth. Eine Genossenschaft könne nur leben, wenn alle an einem Strang ziehen. Trotz allem sei die Arbeit nicht einfach und werde immer anspruchsvoller. „Wir bedauern es, wie schwer es geworden ist, schnell und unbürokratisch zu helfen.“ Deshalb sprach er der SGF am Festabend seinen großen Respekt aus. Denn die Genossenschaften stehen vor großen Aufgaben. „Dass Sie es geschafft haben, ein so florierendes Unternehmen aufzubauen, das ist kein Selbstläufer. Sie sind ein leuchtendes Beispiel“, sagte Roth und dankte allen Verantwortlichen, die zum Gelingen dieses Projektes beigetragen haben. Hier stehe die Gemeinschaft im Mittelpunkt und nicht das Geld. Er überbringe heute für alle bayerischen Genossenschaften stellvertretend die besten Glückwünsche zu 100 Jahren SGF. Auch er wünschte weitere 100 Jahre und viel Zusammenhalt wie bisher – über alle Konflikte hinweg.
Wir wollen weiterbauen
Rainer Bayer, der geschäftsführende Vorstand der SGF, war überwältigt und spricht von einer fulminanten Reise in die Geschichte. Er betonte, wie mutig die Gründer damals waren: „Da gab es kein zurück!“ Für die Zukunft zufriedener Menschen wird weiter gebaut. Das größte Bauprojekt am Luchsweg ist gerade am Entstehen. „Wir werden die Tradition fortführen und uns nicht aufhalten lassen. Wir sind auf einem guten Weg“, sagte er zuversichtlich. Denn Stillstand ist Rückschritt, so steht es auch in der Chronik. Die Bewahrung des Erbes ist nicht das Erhalten des Erreichten. Die Verpflichtung für die zukünftigen Generationen ist laut Satzung, weiterhin eine gute, sichere und soziale Wohnungsversorgung zu schaffen. Dazu gehören Mut, Schaffensfreude und das Wissen um die Kraft des gemeinschaftlichen Wollens und Könnens im genossenschaftlichen Sinn. Möge dieses Feuer für die Zukunft bewahrt bleiben und nie erlöschen.“
Stolz hob Rainer Beyer die Chronik der Siedlungsgenossenschaft hoch: ein wahres Meisterwerk in hoher Qualität mit vielen Biografien und Geschichten aus den 100 Jahren seit der Gründung. Sein besonderer Dank ging an die vielen Inserenten, welche den Druck des Buches unterstützt haben. Nicht vergessen werden durften die langjährigen Mitglieder, die Beyer an diesem Festabend ehrte. Zu diesen „alten Firnhaberau-Gewächsen“ gehört Peter Mader, der seit 1958 Mitglied in der Genossenschaft ist und seitdem auch bei ihr wohnt. Schon seine Eltern waren Mitglieder der Genossenschaft und sein Großvater zählte zu den Gründungsmitgliedern im Jahr 1920. Ein weiteres Urgestein ist Leo Schlander, der seit Dezember 1959 als Mitglieder der Genossenschaft die Treue hält und schon als Kind in einer Wohnung der Siedlungsgenossenschaft am Hubertusplatz aufgewachsen ist.
Siedlerfest wird zum Gründungsfest
Im Jubiläumsjahr sind weitere Veranstaltungen geplant. Sie alle haben die Gründung und die beispielhafte Entwicklung der Siedlungsgenossenschaft Augsburg-Firnhaberau zum Thema. Auftakt der Festtage wird ein ökumenischer Gottesdienst am 12. Juli 2020 sein. Das jährliche Siedlerfest vom 15. bis 19. Juli 2020 wird zum „Gründungsfest“ mit vielen bunten Programmpunkten, auf die sich die Firnhaberauer freuen dürfen. Ebenfalls soll ein Gedenkstein künftig an das 100-jährige Bestehen der Siedlungsgenossenschaft und der Firnhaberau erinnern. Er wird vor dem Hubertushof seinen Platz finden.
Die SGF - von der Gründung bis heuteDie Siedlungsgenossenschaft Augsburg-Firnhaberau eG wurde am 15. Juli 1920 im Geiste der sozialen Bodenreform und im Sinne des genossenschaftlichen Siedlungsbaues gegründet. In einer Zeit der höchsten Wohnungsnot entstanden in Eigenleistung und mit Selbsthilfe die ersten Siedlerhäuser, aber auch Gemeinschaftseinrichtungen, wie Ladengeschäfte und die Gaststätte mit Saalbau. „In der Zwischenzeit wurden insgesamt ca. 1395 Wohnungen, Eigenheime und Gewerbeeinheiten gebaut. Heute hat die Genossenschaft einen eigenen Bestand von 873 Wohnungen, 573 Garagen sowie elf gewerblichen Einheiten. Aus der ersten gemeinschaftlichen Selbsthilfesiedlung in Augsburg entstand eine aktive und erfolgreiche Wohnungsgenossenschaft. Ihre fast 1200 Mitglieder bilden das Fundament eines erfolgreichen und sozialorientierten Wohnungsunternehmens“, darauf ist der heutige geschäftsführende Vorstand Rainer Beyer stolz.
Auch heute noch gehören zu den Aufgaben der Siedlungsgenossenschaft der Neubau von
genossenschaftlichem Wohnraum sowie die Modernisierung und Instandhaltung der bestehenden Gebäude.
100 Jahre Miteinander und Füreinander
Das enorme bürgerschaftliche Engagement bei der Gründung der Siedlungsgenossenschaft Augsburg-Firnhaberau ist beispielhaft und der Erfolgsfaktor für das bis heute währende gute Miteinander in der Siedlung. Wie in ihrer Satzung festgelegt, war und ist die „gute, sichere und sozial verantwortbare Wohnungsversorgung“ Inhalt und Aufgabe der Siedlungsgenossenschaft.