Johannes Oerding gibt unterhaltsames Konzert in Augsburg
Johannes Oerding hat sich beim Konzert am Freitag in der Musikkantine als charmanter Entertainer erwiesen. Seine 18 Songs aus drei Alben kamen so hervorragend an, wie die Interaktion mit dem Publikum in Augsburg klappte.
Mit einem Sonnenschein namens Sebó als Support beginnt der Konzertabend in der Kantine. Der Songwriter versucht sich dabei auch in der Rap-Poetry und lässt das Publikum außerdem schon mal zwei Buchstaben singen. Zehn Minuten später stehen Johannes Oerding und seine vierköpfige Band auf der Bühne im Flammensaal, um den rund 350 bis 400 Zuhörern einen kurzweiligen Abend mit netten Anekdoten sowie Liedern mit Versatzstücken zu bieten. Der Wahl-Hamburger startet mit „Nicht genug“, „Erste Wahl“ und „Die Tage werden anders sein“, ehe er vom Leben auf Tour erzählt. Das sei wie Klassenfahrt ohne Lehrer. Keiner kontrolliere Rucksäcke und Jungs und Mädels müssen nicht in getrennten Betten schlafen. Außerdem gibt Oerding preis, wie ihm auf Konzerten oder in Interviews geäußerte Wünsche erfüllt werden. Aktuell spechtet er auf eine Senseo-Kaffeemaschine.
Den ersten Höhepunkt hinsichtlich Emotion und Interaktion liefert Johannes Oerding, der fast nach jedem Song zwischen zwei Gitarren wechselt, mit „Magneten“ ab. Ohne Mikrofon stimmt er mit seiner starken Stimme mittendrin einen Hioo-Chor an, in den sein Auditorium laut und wohlklingend einsteigt. Nach „Hallo“ bedankt er sich für die zehn Punkte aus Bayern, die er beim Bundesvision Songcontest 2013 erhalten hat, ehe bei „Wo wir sind ist oben“ seinem Bassisten Robin Engelhardt großzügigen Platz für ein Solo einräumt. Auf tontechnische Hall-Unterstützung seiner Stimme greift Oerding beim Intro von „Einfach nur weg“ zurück. Überhaupt spult der gebürtige Münsteraner hier nicht einfach seine Songs in CD-Qualität ab, sondern baut starke, stimmige Variationen ein. Ist das schon das direkt anschließende Intro zum nächsten Song, fragt sich mancher Zuhörer, bis er durch das Ertönen des Refrains eines Besseren belehrt wird. Zur Halbzeit seines Konzerts befolgt Oerding etwas verspätet die „Ausziehen“-Rufe, indem er sein blaues Jacket ablegt, ehe er die 1:0-Führung Deutschlands im Fußball-Testspiel gegen Italien durchgibt.
Wie tickt Augsburg?
Natürlich stehen auch „Nichts geht mehr“, „Jemanden wie dich“ und „Traurig, aber wahr“ auf der Playlist. Bei Letzterem probiert Johannes Oerding einiges aus – mal piepst er sich beinahe nervtötend durch den Song, dann imitiert er mit dem Mund am Mikro gelungen Saxophonklänge. Angeblich sei die Augsburger Allgemeine mit einem Verriss maßgeblich an dieser musikalischen Abrechnung mit einem Zeitungsredakteur beteiligt gewesen. „Lüge“, ertönt eine weibliche Stimme aus dem Publikum. Definitiv falsch war der durchgesagte Spielstand 2:0 für Deutschland, an vielen anderen Stellen erzählte Oerding aber nachweislich die Wahrheit. Beispielsweise, dass er ein an der Säule nähe des Merchandising-Stands lehnendes Trio vor dem Konzert im Restaurant („Der Rabe“) gesehen habe. Oder, dass er seinen wohl jüngsten Fan des Abends (wird am Freitag 10 Jahre) in der ersten Reihe schon vor Jahren bei anderen Auftritten gesehen habe.
Die meiste Interaktion gibt es bei „Morgen“ - einem Lied, indem es um den inneren Schweinehund geht. Diesen konnte die Band am Freitag mal wieder nicht überwinden, als es darum ging, einen vegetarischen Tag einzulegen - bis auf einen Thunfischsalat aber nur Steaks auf dem Teller gelandet seien. Den Song macht er zu einem fetzigen Mix, als seine Musiker „Everybody“ von den Backstreet Boys und weitere Versatzstücke einflechten. Dann möchte er noch wissen, wie sein Publikum in der Kantine so tickt und lässt einzelne Gruppen einen „Dibdidibdib“-Chor anstimmen; erst unter 30, dann über 30, dann alle, die fast zehn sind. Tatsächlich lässt Jenny Metzger aus Burgau ihn nicht hängen und erntet dafür Riesenapplaus, bevor die Kriminellen, die Männer und die Ladies dran sind. Ein ausgedehntes Schlagzeugsolo von Jost Nickel rundet „Morgen“ ab. Mit „Erster Klasse“ inklusive kurzem Klaviersolo von Kai Lindner und „Zurück“ beendet er den offiziell geplanten Teil des Konzerts, gibt danach noch Zugaben. „Für immer ab jetzt“ spielt er alleine am Klavier. Danach darf Jenny nach Karlsruhe und München zum dritten Mal auf die Bühne, um diesmal die Band anzutreiben, mit „Engel“ loszulegen. Artig stellt Oerding die einzelnen Bandmitglieder über das Konzert hinweg mehrfach vor und bedankt sich bei allen, die zum Gelingen dieses Abends beigetragen haben – vor allem bei den Männern, „die gezwungen wurden mitzukommen“. Lena vom Merchandising-Stand, einzige Frau der Crew, darf sich nach Oerdings Ermunterungen mal wieder auf einige Umarmungen und Küsschen der Besucher freuen.