Weißt du, wo die Blumen sind?
Unglaublich, aber wahr – zwischen zwei Latte macchiato empfand ich plötzlich Verständnis für Männer. Ein ganz neues Gefühl, das mich innehalten und darüber nachdenken ließ, dass sich die Männer heutzutage vielleicht nicht minder schwer tun dürften, eine Partnerin fürs Leben zu finden. Denn setzt man voraus, dass Männer eventuell genauso hohe Ansprüche an die holde Weiblichkeit stellen, wie wir an sie, haben wir wohl ein gemeinsames Problem: Frauen und Männer tun sich anscheinend wirklich schwer, sich gegenseitig zu finden! Dieses Dilemma mal von der anderen Seite zu betrachten, bin ich – ehrlich zugegeben – noch nie auf den Gedanken gekommen. Doch während ich unter den wärmenden Strahlen der Sonne die belebte Flaniermeile beobachtete, in Erwartung ein "liebes Gesicht" zu finden, wurde ich mit jeder weiteren Stunde enttäuscht: wir, Frauen, scheinen unsere Anziehung und Charme nahezu verloren zu haben! Denn, was bei unschmeichelhaftem Tageslicht zum Vorschein kam, war unparteiisch gesagt niederschmetternd: auch Männer haben heutzutage ernsthafte Schwierigkeiten, eine interessante Frau kennen zu lernen. Und verdienen daher unser uneingeschränktes Verständnis.
Beginnen wir mit denen, deren Enkelkinder wir sein könnten. Und schon müssen wir uns schämen: die reifen Frauen ab 60 zeigen uns, wo es lang geht. Gepflegt, elegant angezogen und mit Höfflichkeit und Manieren ausgestattet, sind uns die "Omis" leider meilenweit voraus, Mädels! Dabei habe ich bei meinen Studien mich der Unterstützung einiger männlicher Freunde versichert und dabei gleich eine kleine – wenn auch vielleicht nicht sehr repräsentative – Umfrage gestartet, die in dieser Phase stets mit dem Satz kommentiert wurde: "Für ihr Alter sieht sie noch sehr gut aus!".
Das hieß für mich, dass je jünger unsere Kandidatinnen wurden, desto ansprechender und besser müssten sie werden, doch weit gefehlt! Während noch hier und da erfolgreiche Karrierefrauen "mittleren Alters" unsere Augen gelegentlich erfreuten, waren wir – und damit meine ich die endzwanziger Mädels im besten heiratsfähigen Alter – eine glatte Katastrophe. Dabei hatte ich wirklich keine Supermodels oder Nachwuchs-Popsternchen erwartet – ein schönes Lächeln und ein kecker Hüftschwung hätten mich vollkommen zufrieden gestellt. Stattdessen blickte ich in camouflageartig überschminkte Gesichter und verkniffene Münder, betrachtete schlürfenden Gang und gebeugte Rücken und musste mich mit viel zu engen Jeans a la Pellwurst und keinerlei Ausstrahlung zufrieden geben!
Doch beim Betrachten unseres "Nachwuchses" war die Enttäuschung noch größer. Ich habe mich diesbezüglich schon öfters mit meinem "kleinen" Bruder unterhalten – 20, gut aussehend, knackig, witzig und nicht auf den Kopf gefallen – und konnte kaum glauben, dass einer wie er lieber Single bleibt. Jetzt, wo ich seine Alternativen bei Tageslicht betrachtete, war mir seine Entscheidung verständlicher geworden. Darf man mit 15 einen Rock anziehen, bei dem eine endoskopische Untersuchung ein Spaziergang wäre? Geben sie etwa ihr ganzes Geld mittlerweile für billigen Lippenstift und Zigaretten aus, anstatt wie zu "meinen Zeiten" monatelang zu sparen, um sich Bücher zu kaufen? Sollte man mörderisch hohe Stöckelschuhe tragen, wenn selbst King Kong eleganter darin laufen würde? Darf man bauchfreie Tops anziehen, wenn "der Stau am mittleren Ring" – wie es eine gute Freundin von mir ausdrückte – bereits in der Pubertät eine freie Sicht auf die eigenen Zehen verhindert? Ich fühlte mich plötzlich spießig und altmodisch, als ich vollkommen durcheinander mich den berühmten Satz meiner Mutter habe aussprechen hören: "Wer hat das Kind nur in diesen Klamotten aus dem Haus gehen lassen?!?!"
Natürlich, es gibt sie noch – die zart duftenden Blüten, die auch mich als Frau den Atem anhalten lassen, wenn ich sie leicht wie eine Feder, mit strahlenden Augen und wehenden Kleidchen die Straße überqueren sehe. Doch wo sind sie zu finden? Auf unserer "Kaffeefahrt" durch die Fußgängerzone war mir nur eine einzige begegnet. Auch meine Jungs wussten darauf keine allzu befriedigende Erklärung, allerdings ein paar interessante Informationen.
Das Naheliegenste scheint der Arbeitsplatz zu sein, denn wo sonst verbringen wir so viel Zeit am Tage als in den staubigen, schlecht gelüfteten Bürogebäuden, wo wir unsere Brötchen verdienen? Doch Liebe am Arbeitsplatz birgt auch Gefahren in sich, die der Stabilität der Beziehung nicht gerade förderlich sind. Sieht man sich ohnehin den ganzen lieben Tag, stellt sich die Frage: will man das Gegenüber auch abends auf der Couch neben sich haben? Die meisten sagten, man trifft nach Feierabend in einem Club oder Restaurant eher diejenige, die das Potenzial zu "mehr" hat – doch ich möchte an dieser Stelle nachfragen: ist denn die Präsentation überhaupt authentisch? Oder neigen wir alle dazu – und da nehme ich weder Frauen noch Männer aus –, während wir allabendlich zu einer erwartungsschweren Angeltour aufbrechen, mehr zu scheinen als zu sein? Also, wenn ich überlege, wie vielen Stunden man als Frau vor dem Spiegel verbringt, bevor man samstagabends nur einen Schritt vor die Tür wagt, da kann ich schlechten Gewissens sagen: was da im schummrigen Zwielicht daherkommt ist keinesfalls das, was Männer am Morgen "danach" auch tatsächlich erwartet. Da möchte ich doch am liebsten Kaya-Yanar-mäßig rufen: "Aufpassen!", doch fair bleiben ist meine Pflicht – auch die Männer sind bei Sonnenaufgang längst nicht die sexiest boys alive, die man sich in der Disco neben an – wenn man Glück hatte, wohl gemerkt – angelacht hatte.
Wenn es nicht Büro und auch nicht Disco ist, wo ist denn dann der "Traum" zu suchen? In der Bäckerei morgens um acht, wenn man ungeschminkt oder unrasiert, mit halbgeschlossenen Augen, vortagsmüde, resigniert und muffig um die Brezel kämpft? Bei Ikea etwa, wenn man als Frau sich extra blöd anstellt und provisorisch das schwache Geschlecht mimt, um sich von einem Kavalier – hier ist die Chance, Männer! – helfen zu lassen? Vielleicht sogar auf einem Berggipfel? Keuchend, schwitzend, müde, mit zitternden Beinen, die Wangen in erregtem rosa Schimmer, sich wohl eher nach einem zünftigen Radler als Mann, respektive Frau sehnend? Oder sollten wir den perfekten Partner mal zur Abwechslung dort suchen, wo wir nur selten mit dieser Erwartung hingehen: in einem Museum, auf einem entspannten Spaziergang im Wald, in der Straßenbahn auf dem Weg zur Arbeit oder vielleicht sogar beim allwöchentlichen Großeinkauf im Supermarkt?
Ich habe das ganze Wochenende damit verbracht, zu erfahren, wo man sich am besten verlieben kann und alles, was ich nun sagen kann: es gibt keinen bestimmten Ort dafür. Vielleicht sollten wir einfach nur mit einem Lächeln und offenen Augen durchs Leben gehen und uns überraschen lassen. Die schönsten Liebesgeschichten schenkt uns das Schicksal, wenn wir am wenigsten damit rechnen.
Morgen soll angeblich ein ganzer Haufen Handwerker vorbeikommen, um unsere Hausfassade zu streichen. Vielleicht sollte ich dann meine Mittagspause auf die Terrasse verlegen. Nichts macht eine Frau mehr an, als ein Mann, der freiwillig schwitzt, um ihr Zuhause zu verschönern…
Mit großen Erwartungen,
Ihre Sophia Sommer
Hallo Dani,
selbstverständlich ist der Geschmack individuell! Aber dennoch war die Bilanz an diesem WE einfach frustrierend. Ich denke, es würde dennoch hilfreich sein, etwas mehr Freude und Lebenslust auszustrahlen, um einen interessanten Mann oder eine Frau kennen zu lernen. Auch da gebe ich dir recht, dass es mehr hübsche Mädels auf der Straße rumlaufen; aber nur weil eine mehr als gar nichts ist, ist es noch längst kein Grund, in Jubel auszubrechen ;-) Das mit dem Zufall ist allerdings richtig – ich glaube auch daran, dass wenn das Schicksal es so will, man seinem Glück gar nicht entgehen kann ;-)
Liebe Grüße,
Sophia