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Von der Eitelkeit der Männer

Was will er denn auch machen? Wilde Tiere hoch zu Ross zu jagen, ist selbst in England mittlerweile verboten. Das moderne Pferd – das Auto nämlich – darf er nur mit vom Gesetz vorgeschriebener Höchstgeschwindigkeit durch den Großstadtdschungel peitschen und der einzige bayerische Problembär Bruno ist ebenfalls dem Amt zum Opfer gefallen. In der Arbeit hat der Mann zu gehorchen, Zuhause – die Nachkommen pflichtbewusst zu versorgen, die Fußball-WM – als einzige Möglichkeit, etwas Testosteron abzubauen – ist leider schon vorbei, die Formel 1 ohne Montoya wird immer langweiliger, Tour de France hat sich mit Doping selbst disqualifiziert und ein Boxkampf ist längst eine Veranstaltung für Gentlemen geworden. Was also zu tun? Notgedrungen muss sich der moderne Mann den Herausforderungen der hysterisch ästhetischen Gesellschaft unterwerfen: so werden aus Männern – Models.

Der Glanz der Eitelkeit hat in die Alltagstristesse des Mannes Einzug gehalten. Doch wie das richtige Maß finden? Wie es zu bewerkstelligen, seine äußeren Vorzüge zur Geltung zu bringen, ohne wie ein Weichei dazustehen? Niemand belächelt eine Frau, die geschlagene zwei Stunden vor dem Spiegel verbringt, bevor sie mit ihrem Schatz zum Essen ausgeht. Ungerechte Welt ist das: sie darf sich die grauen Haare färben, die Pickel mit Abdeckpuder "wegzaubern" und die blassen Wangen mit Rouge auffrischen. Und er? Er ist endlich auch eitel geworden und äußerst bedacht auf sein äußeres Erscheinungsbild. Er hat beschlossen, sich dem Kampf zu stellen. Mit weiblicher Finesse. Und das ist für uns Frauen sehr verwirrend …
Denn die Selbstdarstellung ist ursprünglich eine weibliche Erfindung gewesen. Obwohl im alten Ägypten eigentlich die Pharaonen, meist männlichen Geschlechts, diese Erfindung zur Kunst erhoben. Die wenigen weiblichen Pharaonen betonten dagegen im Zuge der immer noch praktizierten Kunst der Selbstdarstellung eher die androgynen Züge ihres Wesens, ihres Charakters und ihres Äußeren. Dennoch vertauschten sich traditionell die Rollen im Verlauf der Geschichte mit einer regelmäßigen Häufigkeit, der – so glaube ich – ein periodisches Muster zugrunde liegt. Die Regierungen von Ramses und Hatschepsut wechselten sich genauso ab, wie Julius Caesar und Edward III, Napoleon und Ludwig XIV, Bismarck und Schröder. Ein Wechsel von Akzenten: Männlichkeit und Weiblichkeit, Ares und Dionysos, Macht und Kunst, Militär und "Sozialdienst". Herr Schröder ist allein deshalb jedoch ein willkommenes Beispiel, weil er als Mann und mittlerweile Ex-Bundeskanzler sich nicht scheut, offen zuzugeben, dass er sich die Haare färbt, pardon – tönt.
Und warum denn auch nicht?

Was Frauen mit ihren Haaren schon alles angestellt haben die letzten 5 Millionen Jahre!? Zuerst hatten wir Dreadlocks, dann haben wir die Haarbürste entdeckt, saßen zwei Stunden am Tag in unserem Turm und haben uns "gepflegt". In der Zeit der Restauration flochten wir uns nicht mehr nur Blumen und Juwelen in die Haare wie noch bei den Medici, nein, wir "bauten" da ganze Fruchtkörbchen und Segelschiffe ein. Aber da waren ja Männer auch nicht viel besser, nebenbei erwähnt. In den 20-gern haben wir vorgezogen, unsere Haarpracht unter eigenartigen Hüten zu verstecken – Queen Elisabeth tut es immer noch übrigens –, in den 60-gern – sie mit Haarspray zuzukleistern, dann kamen die Dreadlocks wieder und heutzutage können wir Dauerwelle machen, auswaschbare Strähnchen färben, verfügen über große, kleine, spiral-, stäbchen- und kugelförmige, mit Gummi und Klettprinzip, aus Plastik, Metall und Schaumstoff, elektrisch oder im heißen Wasser erhitzbare und aus Küchenrollen selbst gebastelte Lockenwickler, können uns 9 in 1 Pflegeprodukte ins Gesicht schmieren, unsere Augenfarbe mit Kontaktlinsen verändern, 5 cm lange Fingernägel aufkleben, erfolgreich CPL-Technologie anwenden und beim Eyeliner zwischen allen Farben des Regenbogens freikombinierbar wählen. Und heute stellen all diese "Wundermittel" ein weiteres weibliches Mysterium dar und sind gleichzeitig eine einzigartige Möglichkeit für moderne eitle Männer, erfolgreich auf sich aufmerksam zu machen.

Eine Möglichkeit, die "unsere besten Freunde, weil keine Konkurrenz" die Homosexuellen schon seit Urzeiten beherrschen und gerne wahrnehmen. Deshalb hielt auch lange Zeit das Gerücht vor, dass ein gepflegter Mann "schwul" ist. Aber in der Moderne stehen Männer nicht mehr ratlos vor der Dosenreihe der Tages- und Nachtcremes im Kosmetikschrank ihrer Frauen, sondern können wahrscheinlich auch die Packungsbeilage auswendig. Haben Sie gewusst, dass die besten Avon-Berater Männer sind?
Und diese neu erwachte Eitelkeit im Bezug auf den eigenen Körper ist mindestens multidimensional. Ich kenne da ein Paar Exemplare, die sich nicht nur die Augenbrauen zupfen, Strähnchen färben oder sich nach dem Baden eincremen. Ich kenne auch welche, die sich die Brust und die Achseln rasieren (und noch einiges mehr!), zwei mal die Woche ins Solarium gehen – um einen besseren Teint als der Arbeitskollege zu haben und so vielleicht eher befördert zu werden –, die sich mehr Unterwäsche für ein Heidengeld kaufen, als meine Freundin, die in einer Wäscheboutique arbeitet (Verführung am Arbeitsplatz mal anders), länger als ich im Bad brauchen, Abdeckpuder und Antifaltencreme benutzen und sich drei Paar Schuhe auf einmal kaufen, weil die hübsche persische Verkäuferin dazu geraten hatte.
Noch Fragen?
Ja, eine.
Wann ist ein Mann ein Mann?

Gespannt auf die Antwort,
Ihre
Sophia Sommer

10 Kommentare

Ja, Matthias,


möglicherweise ist es so, wie du es sagst. Seltsamerweise fällt mir jedoch auf, dass Männer dieses Verhalten gern unterstützen, um nicht zu sagen erwarten oder vielleicht sogar provozieren. Ich habe noch keinen Mann sagen hören, die Frau wäre ihm vor allem wegen ihres guten Charakters zuerst aufgefallen. Die Oberfläche ist nun mal das vordergründigste, worauf der Mann anspricht. Und wegen genau dieser neuen, glatten, straffen Oberfläche verlassen die Männer ihre Frauen auch gern, weil sie eben nicht mehr 20 sind. Ich kenne dagegen keine Frau, die ihren Mann für einen knackigen jungen Burschen verlässt, weil der alte Lebensgefährte nicht mehr ihren optischen Vorstellungen entspricht. Die Frau trennt sich wegen des Charakters; der Mann – wegen Cellulite. Ist es nicht ein netter Paradox?


[Ungläubig den Kopf schüttelnd] Sophia

Ich glaube, Männern geht es nicht anders als Frauen. Sie sehen sich unter Erwartungsdruck von außen. Die Erwartungen haben sich im Verlauf der Jahrtausende natürlich verändert. Auch nicht anders als bei uns Frauen (Die delligen Rubens-Cellulitis-Rundungen, vor Jahrhunderten noch Grund zu neid- und lustvollem Seufzen beim Betrachter, finden heutzutage ja keinen Gefallen und keine Gnade mehr. Ebenso sind bei den Herren nicht mehr wie noch um 1850 abfallende schlanke Schultern attraktiv, nein: breit und kräftig sollen sie heute sein, sonst wird's nicht als maskulin empfunden.) Ein Mann, der nicht sportlich ist/aussieht z.B., fürchtet heutzutage, von den anderen Männern und auch den Frauen belächelt und nicht ernst genommen zu werden. Also entweder ins Fitnesstudio oder Badehosenauftritte konstant und mit wilden Ausreden vermeiden. Und beim Styling stehen die Herren inzwischen ebenso ratlos fragend vor Spiegel und Freundin: "Was bin ich nun wirklich? Der gepflegte frischrasierte und einparfümierte Guccihemdträger, der grad aus dem Fitnesstudio enteilt, oder der Dreitagebart im vom Sofalounge zerknautschten H&M-T-Shirt"? Gar nicht so einfach, denn meistens steckt ja beides drin im Mann.

Definition Mann ist wieder mal rein subjektiv.
Ein Mann muss "saufen" können, Frauen (er)tragen, bügeln, Haare aus der Dusche entfernen, einen Six-pack haben, Personen wie George Clooney, Sean Connery und Albert Einstein in sich vereinigen, gleich einem Mick Jagger rumspringen, die Würde eines Richard von Weizäcker tragen, im/auf/unterm Bett jederzeit romantisch verkärt bereit, natürlich reich wie Rothchild und bloß NIE nachtragend.
Fazit:
Wir backen uns einen!
Getreu der Devise von Ina Deter: Neue Männer braucht das Land.

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