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Vom Essen und der Liebe

Doch auch Päpste und Mönche, Könige und Fürstinnen, Künstler und Poeten, Sultane und Cäsaren vermochten schon seit je her, die Gaumenfreuden und das Liebesvergnügen geschickt miteinander zu verweben. Und wusste man eine Frau wohl als willige Geliebte zu schätzen, liebte man sie doch leidenschaftlicher, wusste sie auch das lukullische Verlangen ihres Mannes zu befriedigen.
Das Geheimnis "Wie man eyn teutschen Mannsbild bey Kräfften hält" – so der Titel eines Kochbuchs aus dem Mittelalter – kannte sicherlich auch Goethes Frau Christiane, auf deren Künste er in einem Brief aus Jena ein hohes Loblied singt: "Mein Mittagstisch ist immer nur zur Not genießbar und die Knackwürste sind zu stark gesalzen. Deine bleiben noch immer die besten. Sorge ja bei der neuen Schlacht dafür, dass sie gut werden, weil ich zum Frühstück nun daran gewöhnt bin." Und dann bittet er seinen "Bettschatz" aufs allerinständigste, ihm aus ihren vorzüglichen Töpfen "etwas gutes Gebratenes, einen Kapaun oder einen Truthahn zu schicken, es mag kosten, was es wolle." Wohl wahr, in der Liebe und beim Essen sollte Geld keine Rolle spielen…

Mit pochierten Austern, Vanillesoufflees, Trüffelpasteten, karamellisierten Rebhühnern und Ragout der Glückseeligen verführte Casanova in 40 Jahren seines "aktiven" Lebens wohl an die 120 Damen, wie er selbst in seinen Memoiren behauptete, die neben pikanten Praktiken und Ratschlägen auch eine Fülle an wunderbaren Rezepten enthalten. Doch in Paris des Jahres 1759 bewies Casanova, dass er nicht nur ein zügelloser, egoistischer Frauenheld, sondern auch ein galanter, hilfsbereiter Mann war, der in Not geratene Damen bis hin zur "Selbstaufopferung" unterstützte: für die von einem Adligen entehrte und verführte Antoinette-Louise zauberte er gewisslich gern ein "Trostmahl für eine Betrogene", das mit Sellerie, Jakobsmuscheln, Krebsschwänzen, verschiedenen Fischfilets und anregenden Gewürzen allerlei Aphrodisisches bot. Der "Trost" stellte sich auch alsbald ein, die Betrogene vergaß die Schmach und entdeckte, dass ihrer beider Seelen nur glücklich sein können, "wenn sie sich in Übereinstimmung mit unseren Sinnen befinden… Was hindert uns, ein so natürliches Verlangen zu befriedigen? So umarmen wir uns denn!" Und die (liebes)kraftspendende mineralstoffreiche Eiweiß-Legende lebt weiter…
Doch die Krönung jeder Verführung ist wohl der Nachtisch – oder ab und an auch ein Nachbett? Angeblich soll der Papst Gelasius der Erfinder der wohl internationalsten Köstlichkeit – der Crêpes – gewesen sein, als er zu Spende von Eiern, Mehl und Milch aufgerufen hatte, um die Rompilger mit Proviant zu versorgen. Die Spanier nennen sie Tortilla, die Österreicher und Ungarn – Palatschinken, die Russen – Bliny, doch keiner bekommt sie so hauchdünn und luftig gebacken wie die Franzosen. Die wohl berühmteste Variante dieser Leckerei ist das Crêpe Suzette. Angeblich hatte ein Koch in Monte Carlo für den Prinzen Eduard von Wales die Crêpes in Mandarinenbutter gebraten und mit Curaçao getränkt. Diese Köstlichkeit benannte der Prinz galant nach seiner Geliebten: Crêpes Suzette. Und um es mit unvergleichlichen Worten von Franziskaner-Pater Joseph Imbach zu vollenden: "Hätte es sich bei der fraglichen Dame um eine Brunhilde gehandelt, so wäre dem neu kreierten Gericht wohl weniger Berühmtheit beschieden gewesen." Er hat ja so recht, "Suzette" zerfließt einem nicht nur auf Französisch auf der Zunge…

Und dennoch, es gab wohl einst ein Ort, wo die Süße des Lebens und der Liebe sich in märchenhafter Vollkommenheit vereinten, wenn auch manchmal der Nachgeschmack recht bitter schien.
So achtete niemand auf die Cousinen Aimée und Josephine, wie sie sich an einem schwül-heißen Sommertag auf Martinique im Jahre 1775 Hand in Hand davonschlichen, um sich von der alten schwarzen Euphemia die Zukunft vorhersagen zu lassen. Nachdem die Wahrsagerin Josephine eine kurze, unglückliche Ehe und zwei Kinder prophezeit hatte, kam sie zum Höhepunkt: in zweiter Ehe würde sie einen zwar kleinen und äußerlich unscheinbaren Mann, aber einen großen Kriegshelden und späteren Kaiser heiraten, der ihr – wenn auch nur für kurze Zeit – ein Weltreich zu Füßen legen würde. Geheimnisvoller dagegen gestaltete sich der Blick in Aimées Zukunft, denn irgendwo in der Ferne der Zeit sah die Alte keinen Gatten, sondern ein Leben in einem "großen, glänzenden Palast, wo sie als Höchste herrschen" sollte und nur einen einzigen Sohn, "dessen Thronstufen vom Blut seines Vorgängers rot sein würden".
Josephine Tascher de la Pagerie, verwitwete de Beauharnaise und erste Gattin Napoleons I., hatte später oft von diesem Tag erzählt. Ob Aimée Dubucq de Rivery jemals mit einem anderen Manschen darüber gesprochen hatte, kann man nur vermuten. Denn nur wenige Jahre nach diesem denkwürdigen Sommer verschwand die stolze Kreolin hinter Haremsmauern des Sultan Abd ül Hamid I., um fortan den Namen Naksch-i-dil, die "Schöne des Herzens" zu tragen. Mit Witz, Charme und Klugheit, dazu mit außergewöhnlichem politischem und diplomatischem Gespür gesegnet, schaffte sie es in der Tat, Sultana Valideh zu werden und gemeinsam mit ihrem Sohn Mahmud II. reformierend zu herrschen, was ihr in der Historie den Ruf der "Mutter der modernen Türkei" einbrachte. Doch ihr Weg zum Thron ging unweigerlich über Sultan Hamids Bett und den Erfolg ihrer Verführungskunst verdankte sie nicht zuletzt den Kostbarkeiten seiner Zuckerbäcker.
Denn jede Odaliske musste zunächst in der Kunst der Liebe unterwiesen werden und in einigen Disziplinen vollendete Künstlerin werden. Besonders hoch im Kurs standen Tanzen und Musizieren, aber auch das Rezitieren persischer Gedichte und das Erlernen türkischer und arabischer Sprache gehörten dazu. Die orientreisenden Europäerinnen jener Zeit beneideten oft die Frauen des Harems um ihre weibliche Solidarität, um den Ort, wo sie ungestört und unbehelligt von finanziellen Sorgen ihre Weiblichkeit ausleben konnten. Und doch war es ein goldener Käfig, in dem unendlich viele Geschöpfe sich Tag für Tag auf nichts anderes vorbereiteten, als ihrem Herrscher zu Diensten sein zu dürfen, und die Zwischenzeit damit verbrachten, unendliche Stunden ihrer Schönheitspflege zu widmen und mit Opium, Tabak, Kaffee und allerfeinsten Leckereien zu vergessen suchten, wer sie einmal waren und was sie verloren hatten – nämlich ihre Freiheit.

Gleichwohl, der verbotene Zauber des Harems brachte auch unendliche Freuden mit sich. Zu der Zeit, als Aimée de Rivery in den Topkapi-Palast kam, soll es dort mindestens 20 Küchen gegeben haben. Unmengen an Scherbets, Konfekt, Konfitüren, kandierten Früchten und Blüten, Sirup und Honig waren jeden Tag und jede Nacht als Verführungswerkzeug zur Verfügung der Odalisken und des Herrschers gezaubert worden. Und über alldem thronten die Rose und der Granatapfel als die verführerischsten Zutaten der Liebe. So war auch manch eine kandierte Feige, die die Favoritin mit einem sinnlichen Augenaufschlag ihrem Herrn reichte, erfolgreicher gewesen als ein persisches Liebesgedicht. Und da selbst Mohammed wohl eine rechte Naschkatze gewesen sein muss, wo er seinen Gläubigen doch recht ausdrücklich empfahl, Süßigkeiten zu essen und selbst gern mit allerlei Zuckerwerk seine vielen Frauen verwöhnte, herrschte am Hof des Sultans – auch ohne wissenschaftliche Erkenntnis, dass Zucker Glückshormone erzeugt, die so manchen Mangel an Zuwendung und Zärtlichkeit wenn nicht ersetzen, so doch mildern können – "der zuckersüße Wahn der Glückseligkeit".

Doch was lernen wir heute daraus? Drängt sich denn hier nicht gar von allein die Vermutung auf, dass wir moderne Frauen wohl ebenso aus Frust über die absente Beachtung seitens unserer Männer so sehr der sündigen Süße verfallen? Kann dieserhalb das ein oder andere Pfündchen zuviel auf der Hüfte denn wirklich allein nur unsere Schuld sein?

So, wünsche mir süße Träume,

Ihre Sophia Sommer.

7 Kommentare

Ich würde sagen, man lässt es sich von seinem Liebsten schenken. Und falls man Bedenken haben sollte, dass die üblichen "Fleurop"-Rosen gespritzt sein könnten – dann muss der Held des Herzens eben eine Reise ans Ende der Welt in den Garten Eden unternehmen. Kann ja nicht so schwer sein – früher haben die Ritter gegen fiese Drachen ankämpfen müssen. Eine Bio-Rose zu finden dürfte wohl dann vergleichsweise recht harmlos sein, meine ich. Notfalls, einfach den Nachbarsgarten plündern ;-)

Liebe Sophia,

ich sehe das ganz ähnlich wie Du.
Aber von der Liebe mal ganz abgesehen: Es geht doch nichts über ein leckeres Essen mit Freunden, in geselliger, entspannter Atmosphäre!
Allerdings ist dieser Spass oft nicht ganz ungetrübt, denn haben wir sie nicht alle in unserem Bekanntenkreis: Die "Ich-zähle-jede-Kalorie-Mädels"! Oder wie ich sie auch nenne: humanoide Appetit-Zügler!
Man verabredet sich mit Freunden in einem netten Lokal zum Essen, fast alle bestellen sich leckere Pasta oder Pizza, ein oder zwei noch leckerere Gläschen Rotwein, und dann kommt er, der unvermeidliche Satz: "Für mich bitte den Salat Nizza und ein Mineralwasser, aber bitte ohne Kohlensäure"! Und dann ist es vorbei mit der Entspanntheit.
Es folgt nämlich erst einmal betretenes Schweigen in der Runde, da alle anderen anwesenden Mädels ihr schlagartig einsetzendes schlechtes Gewissen zu unterdrücken versuchen ("Ich ess´doch eh nur ganz selten Pizza") und alle anwesenden Männer sich wieder in ihrem Stereotyp-Denken bestätigt fühlen, dass alle Mädels dem Abnehm-Wahn von Natur aus verfallen sind. Um es mal ganz deutlich an dieser Stelle zu sagen:
DAS STIMMT NICHT!
Einige von uns essen nämlich mit Genuß, und wir können reinen Gewissens sagen: Es gibt nichts Schlimmeres als hungrige unentspannte Frauen!
Die haben nämlich alle diesen bestimmten Blick. Den bösen Blick. Den Blick, der einsetzt, wenn man selber beginnt seine Pasta zu essen, und der sagt: "Ich-will-auch-lieber-Pasta-und nicht-dieses-fade-Grünzeug-essen-darf-aber-meinen-Prinzipien-nicht-untreu-werden!" Irgendwann hält man diesem verdeckten, stechenden Blick nicht mehr stand, und bietet es dem anderen Mädel an, zu probieren, obwohl man die Antwort eigentlich vorher schon genau kennt: "Daaaaanke, das ist ja so liiiiiieb, aber ich bin ja schon sooooo satt!" Genau, 96% des Salats liegen unberührt da, und die restlichen 4% sättigen auch enorm, sicher!! Aber jegliche Diskussionen an dieser Stelle sind sinnlos, wie man aus Erfahrung weiß.
Es empfiehlt sich hier einfach, ein weiteres Glas Rotwein zu bestellen, genußvoll weiter zu essen, und im Geiste den Spruch eines Freundes zu zitieren:
"Es gibt nix Feiners als a Schweiners!"

In diesem Sinne,

liebe Grüße,

Vanessa

Absolut korrekt! Wenn es einem schmeckt, dann soll man essen! Vor allem, wenn man schon extra mal in ein gutes Restaurant geht und dort Geld ausgibt. Wer dennoch sein schlechtes Gewissen nicht im Zaum halten kann und sich ernsthafte Sorgen um die Figur macht, sollte lieber daheim ein Mal in der Woche einen Hühnerbrühe-Diät-Tag einlegen und dafür am Wochenende ordentlich reinhauen. Denn mal ehrlich, wenn man schon nicht mehr so viel und so üppig essen darf wie man will – was haben wir dann noch überhaupt für eine Freude im Leben? Und wenn man auch noch keinen Liebhaber und keine neuen Schuhe übers Wochenende hat besorgen können und sich auch noch vor dem Fernsehen nicht mehr voll stopfen darf – ja, dann kann man auch gleich die Abkürzung aus dem Fenster nehmen und am besten gleich mit der Genusswelt abschließen.


Also: Guten Appetit, meine Lieben, und lasst es Euch schmecken!

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