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Spielplatz der Kulturen - Ein Nachmittag im Jugendhaus H2O

Es ist Mittwochnachmittag gegen 15:00 Uhr, als ich die Höhle der „schweren Jungs“ in der Hirblinger Straße 2 betrete. Schon im Hausflur dringen fette Hip-Hop-Beats an mein Ohr, ergänzt durch ein babylonisches Sprachengewirr, das seinesgleichen sucht: Italienische Flüche, mazedonische Gefühlsausbrüche und deutsche Schreie wechseln im Sekundentakt. Nach meinem Interview mit der Leiterin des Jugendhauses, Sabine Fischer, werde ich in die heiligen Hallen des
Jugendhauses geführt. Ein Billardtisch, eine Playstation und andere Zerstreuungsmöglichkeiten stehen bereit. „Der Herr Meyer ist vom oberhauser Magazin. Er will ein paar Fotos von Euch machen und einige Fragen an Euch stellen“, richtet Sabine Fischer einen „Mitmach-Appell“ an ihre Jungs und Mädels, der - wie sich später herausstellt - gar nicht notwendig gewesen wäre, denn die Bereitschaft der Jugendlichen, Interviews zu geben, sollte im Verlauf des Nachmittags ungeahnte Ausmaße annehmen. Am Anfang ist die Ehrfurcht vor dem „Presseonkel“ allerdings noch ungewöhnlich hoch. „Herr Meyer, könnten Sie vielleicht von mir ein Foto machen. Ich will unbedingt ins Magazin“, schleicht sich der 13-jährige Vural Saliov schüchtern von der Seite heran. Aber er ist nicht der Einzige an diesem Tag, der „unbedingt“ ins neue Stadtteilmagazin will. Als erster Gesprächspartner wird mir der ebenfalls 13-jährige Marco Carangelo empfohlen. Marco ist das, was man in der Jugendsprache wohl als „Joe Cool“ bezeichnen würde. Die Mütze ins Gesicht gezogen, den Blick starr auf die Playstation gerichtet, gibt er nebenbei, eher beiläufig seine erste große Pressekonferenz. „Na, was wollen Sie denn von mir wissen?“, raunzt mich der Juventus Turin-Fan in der gebotenen Höflichkeit an. Wie oft er denn so in der Woche ins Jugendhaus H2O komme, frage ich ihn und der Achtklässler antwortet, dass er „jeden Tag“ ungefähr sechs Stunden im Jugendhaus verbringe. Dann wendet sich die Konzentration meines Gesprächspartners wieder berechtigterweise dem Monitor zu, denn es ist in der Tat wichtiger, die Playstation-“Champions League“ zu gewinnen als irgendeinem durchgeknallten „Presse-Fuzzi“ allzu ausführlich gesprächstechnisch zur Verfügung zu stehen. Nico, Vural, Serhat, Antonio, Nadine und Umberto nutzen diese Gelegenheit. Ein Interview jagt das nächste und der „investigative“ Journalist Joachim Meyer stößt schon bald an die Grenzen seiner Möglichkeiten. Hier wird frisch und munter, heiter-unbeschwert mit exotisch klingenden Namen von Hip-Hop-Künstlern, die „man einfach kennen muss“ (Originalzitat Antonio), jongliert. Außerdem wird geflunkert, was das Zeug hält: Plötzlich tauchen Brüderpaare (Vural und Serhat) auf, die es in Wirklichkeit gar nicht gibt und als „Hobby“ wird „Schlamm-Catchen“ angegeben. Die normalerweise für einen Journalisten geltenden Gesetze (saubere Recherche, exakte Wiedergabe des Wortlautes von Aussagen, präzise Schreibung von Namen) sind auf eine wohltuende, spielerische Art außer Kraft gesetzt. Auch die anfängliche Ehrfurcht vor dem Pressevertreter verflüchtigt sich auf angenehme Weise: Nach gut einer Stunde sind wir beim vertrauten „Du“ angelangt und die im sympathisch schwäbisch-anatolisch-italienisch-mazedonischen Sprachmix vorgetragene Ansprache „He, Alder, bleibsch no a bissle und machsch Fotos“ gilt unter diesen Jugendlichen beinahe schon als Ritterschlag. Vor allem Antonio hatinzwischen großes Zutrauen zu „seinem Schreiberling“ gefasst und betrachtet diesen mittlerweile als seinen Privatsekretär. „Bitte weisen Sie in Ihrem Artikel unbedingt auf unsere Homepage http://selojeyjey.oyla5.de hin. Dort können Sie sich ausführlich über MB-Style informieren.“ „Aha, MB-Style“, brummle ich vor mich hin, wohl wissend, dass ich die tieferen Geheimnisse des „MB-Styles“ niemals ergründen werde. Es ist spät geworden und mein Aufenthalt im Jugendhaus H2O neigt sich dem Ende entgegen. „Bunt, schön und abwechslungsreich war es. Keine satten, blutleeren, leidenschaftslosen Wohlstandsjünglinge aus gut situierten bildungsbürgerlichen Schichten, sondern ungeheuer begeisterungsfähige, in ihrer Lebensenergie kaum zu bremsende Jugendliche unterschiedlicher ethnischer Herkunft habe ich im Jugendhaus H2O getroffen, deren Potentiale unbedingt gesellschaftlich nutzbar gemacht werden müssen“, ziehe ich ein rundweg positives Fazit dieses Nachmittages. Und der Name des Jugendhauses (Hirblinger Straße 2, Oberhausen = H2O) erhält in dieser Perspektive eine ganz spezielle Bedeutung: die chemische Bezeichnung für Wasser (H2O) als ein Symbol für etwas Ursprüngliches, Elementares, Unverbrauchtes, Ursprüngliches - Komponenten,ohne die Leben gänzlich undenkbar wäre!

  • Jugendhausleiterin Sabine Fischer.
  • hochgeladen von Joachim Meyer
  • Bild 6 / 10

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