Parlamentarisches Frühstück im Bundestag - Wunstorfer Johanniter diskutieren mit Abgeordneten über die Sicherheit bei Großveranstaltungen.
Wie sicher sind Großveranstaltungen in Deutschland? Reichen die Ressourcen von Hilfsorganisationen bei Katastrophen und Großschadenslagen in Deutschland aus? Welche Erfahrungen bringen die Johanniter hierfür aus ihrer bundesweiten Praxis mit? Zu diesen Fragen diskutierten am 1. Dezember im Deutschen Bundestag auf Einladung des Präsidenten der Johanniter-Unfall-Hilfe, Hans-Peter von Kirchbach, mehr als 30 Parlamentarier mit den Johannitern und weiteren Gästen. Aus dem Ortsverband Wunstorf-Steinhuder Meer waren die Rettungsassistentin Dorin Kleber und der SEG-Leiter Timo Brüning zu dem Termin nach Berlin angereist.
Weitere Gäste waren der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, Christoph Unger, sowie der Chef der Berliner Feuerwehr, Landesbranddirektor Wilfried Gräfling. Die Johanniter wurden u.a. vertreten durch die Mitglieder des Bundesverstandes Wolfram Rohleder und Dr. Arnold von Rümker sowie Thomas Mähnert, Landesvorstand Niedersachsen/Bremen, und Friedrich W. Riechmann, Bundesbeauftragter der Johanniter für Auslands- und Katastrophenhilfe. Erfahrungen aus der Praxis brachten die Rettungsassistenten und ehrenamtlichen Katastrophenschutzhelfer Dorin Kleber (Wunstorf/Hannover) und Thomas Pech (Königswusterhausen bei Berlin) von ihren Einsätzen in diesem Jahr während der Love Parade in Duisburg bzw. nach dem Busunglück auf der A10 bei Berlin-Schönefeld ein. Dirk Dommisch, ehrenamtlicher Regionalbereitschaftsleiter im Regionalverband Berlin und für den Katastrophenschutz zuständig, informierte über die Grundsätze der Johanniter bei der Planung von Großveranstaltungen.
Das deutsche Hilfeleistungssystem ist geprägt durch die ineinander greifende Verzahnung von haupt- und ehrenamtlich getragenen Ressourcen. Nur durch diese Kombination können selbst große Unfälle oder Katastrophen schnell und effizient bewältigt werden. Die Vorstände Rohleder und Mähnert machten darauf aufmerksam, dass eine auf rein wirtschaftliche Kriterien gestützte Vergabe von Ausschreibungen im Rettungsdienst langfristig diese gewachsenen und gut funktionierenden Katastrophenschutz-Strukturen gefährdet. Mit Sorge beobachten sie, wie durch die derzeitige Ausschreibungspraxis im Rettungsdienst letztlich ehrenamtliches Engagement geschwächt wird. Rohleder: „Die Vergabe von Rettungsdienstleistungen unter Missachtung dieser vernetzten Strukturen gefährdet das gesamte System, die Sicherheit und das gesellschaftliche Engagement in Deutschland.“ Mähnert: „Wir werden im Wettbewerb bestehen, unsere ehrenamtlichen Helfer aber verlieren.“ Thomas Pech, der mehr als 30 Helfer einer Schnelleinsatzgruppe der Johanniter leitet, bestätigt: „Das System funktioniert nur, solange wir ehrenamtliche Helfer haben, denen wir auch ein ansprechendes und attraktives Praxisfeld bieten können.“
Die Johanniter nutzen wie andere Hilfsorganisationen ihr Know-how aus dem Rettungsdienst für den Katastrophenschutz und für die schnelle Hilfe bei Großschadenslagen. Tausende ehrenamtliche Helfer engagieren sich dafür regelmäßig in ihrer Freizeit freiwillig und uneigennützig . Bei den Johannitern sind es bundesweit mehr als 7500.
Der Berliner Feuerwehr-Chef Wilfried Gräfling betonte in der Diskussion ausdrücklich: „Für Großschadenslagen brauchen wir die Hilfsorganisationen.“ Seiner Auffassung nach müssten in Bund und Ländern gesetzliche Grundlagen geschaffen werden, damit der Rettungsdienst nicht dem „Preiskampf“ ausgeliefert ist.
Der Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenvorsorge, Christoph Unger, appellierte an die Bundestagsabgeordneten, bei den Haushaltsplanungen dafür zu sorgen, dass der Fahrzeugbestand im Katastrophenschutz auf dem bestehenden Niveau erhalten bleibt.
Die Parlamentarier nahmen die Sorgen der Johanniter ernst. Die CDU-Abgeordnete Beatrix Philipp und der SPD-Abgeordnete Gerold Reichenbach erklärten, man sei sich des Problems und der Auswirkungen auf den Katastrophenschutz bewusst. Matthias Miersch von der SPD ermutigte Hilfsorganisationen wie die Johanniter dazu, „Druck in den Landesparlamenten zu machen“.
In seinem Fazit bezog Bundesvorstand Wolfram Rohleder klare Position zur Notwendigkeit des Erhalts des integrierten Notfallvorsorgesystems in Deutschland mit seiner gut ausgebauten hauptamtlichen Basis im Rettungsdienst und den bei Großveranstaltungen oder Katastrophen schnell aufwuchsfähigen professionellen ehrenamtlichen Kräften. Dieses fein ineinander greifende System bietet den größtmöglichen Schutz der Bevölkerung zu vertretbaren Kosten. Wird aus diesem System ein Baustein entfernt, verliert das Gesamtsystem seine Stabilität – zu Lasten der Bürgerinnen und Bürger.