Ilios gegen Sinefa
Vom Kampf der Sonne gegen die Wolken
Hans und Ernestine sitzen auf der Restaurantterrasse und genießen den Anblick der ruhigen See und der untergehenden Sonne. Jeden Abend nach dem Essen bleiben sie noch so lange sitzen, bis die Sonne hinter der vorgelagerten Insel und der Gebirgskette auf dem Festland untergeht. Die Bucht vor ihnen gleicht einer Lagune. Denn die Inseln und Inselchen erwecken den Eindruck, dass die Bucht vom Meer abgeschlossen ist. Noch steht Ilios hoch am Himmel. Doch langsam lenkt er seine Bahn hinab zu jener Gebirgskette am Horizont, hinter der er jeden Abend verschwindet.
„Plötzlich flüstert Franz: „Was meinst du, ob die Wolken die Sonne am Schlafengehen hindern können?“
„Was redest du da für einen Quatsch? Wolken können die Sonne an nichts hindern. Die nimmt einfach ihren Lauf. Da können die Wolken nichts dran machen.“
„Meinst du wirklich?“
„Mein ich“, murmelt Hans bestimmt.
„Aber schau mal, gestern und vorgestern hat sich die Sonne doch da drüben hinter der Bergspitze versteckt. Die ist dahinter verschwunden, wie du hinter der Schlafzimmertür. Das weiß ich ganz genau!“
„Ja“, antwortet Hans, „das tut sie für gewöhnlich jeden Abend.“
„Aber gestern nicht“, beharrt Franz störrisch. „Gestern war da eine Wolke vor, und da konnte Ilios sich nicht hinter den Berg legen. Da kam er nämlich gar nicht hin.“
„Mann“, regt Hans sich auf. Die Sonne geht da nur unter. Die legt sich nicht schlafen.“
„Sagst du. Aber alle und alles legt sich schlafen. Die Vögel, die Kühe, wir Menschen, einfach alle. Warum also ausgerechnet Ilios nicht. Außerdem: Untergehen ist doch nur ein anderes Wort für schlafen gehen. Wollen wir wetten, dass die Sinefa den Ilios wieder nicht schlafen lassen, wie gestern?“
„Ach was, heute sieht der Himmel ganz anders aus.“
„Das schon, aber siehst du da rechts die Wolke? Bis Ilios dort drüben an der Bergspitze angelangt ist, hat die Sinefo längst den Platz eingenommen, und nichts ist es für Ilios mit Schlafen.“
Beide schweigen und schauen dem Schauspiel zu, das dort vor ihren Augen aufgeführt wird. - Ilios gegen Sinefa. Wolke um Wolke segelt heran. Ab und zu gelingt es Ilios sie zu durchbrechen. Doch die Bergspitze kann er nicht erreichen.
„Siehst du, zwei zu null für die Wolken. Hab ich doch gleich gesagt.“
„Lass das Brabbeln“, sagt Ernestine. „Was soll das? Das macht einen ja reine weg verrückt.“
„Nichts, es ist nichts“, redet sich Hans heraus. „ Es sind nur die Wolken, und die führen gerade 2:0.“