Die Tochter von Schmitzens Jupp ...
Die Cameliadame
Wenn man so recht bedenkt, waren die Zeiten in denen für uns Kinder Sex noch fünf und eins war, eigentlich doch schöne Zeiten. Alles was die Erwachsenen verband, und die Halberwachsenen mit magischen Kräften zueinander hinzog, lag für uns noch wie hinter dicken Nebelwänden verborgen.
Wenn sich der Nebel für uns Kinder in irgendeiner Ecke mal etwas lichtete, wagten wir meist nicht zu fragen - und die, die wir nicht zu fragen wagten, wagten meist nicht zu antworten. Irgendwo biß der Hund dann wieder in den Schwanz der Katze.
Anders bei Gabi. Für sie hatte sich der Nebel wohl nicht extra zu diesem Zweck gelichtet - sie blickte mehr zufällig durch ein Nebelloch.
Auf Schnüstertour - wie kleine Mädchen nun einmal sind - ehrlich - entdeckte sie in Mamas Schrank ein dickes, blauweißes Paket. Lesen konnte sie ja schon - wenigstens die balkendicken Großbuchstaben.
CAMELIA stand da geschrieben - hatte sie noch nie was von gehört. Gabi, das dicke blauweiße Paket unter dem Arm geklemmt und rein in die Küche. Der Papa saß am Küchentisch – er war gerade von der Schicht gekommen und rückte soeben seiner Flasche Feierabendbier zu Leibe. Na, mein Mädchen....! Zu mehr kam er nicht - sein Mädchen wollte was wissen. Du Papa - war die Mama im Zirkus? Papas Gesichtsausdruck fragte: Wieso?
Wegen dieses Paket - Gabi hielt ihm die blauweiße Packung unter die Nase. Kamele gibt’s doch nur im Zirkus.
Ach so, nee - dat is, wenn die Mama ....!
Aber Vatter - nu laß dat Kind doch - kam es von der Küchentür her. Indem sie das sagte, nahm Mutter ihr das blauweiße Paket weg und legte es wieder in den Nachtkasten.
Das war’s. Aber nicht bei Gabi. Nach zehn Minuten stößt sie ihre Mama an - Mama, warst du im Zirkus? Ach Kind - dat is niks aussen Zirkus - in dat Paket - dat sind Ohrwäärmer. Wennsde Ohrnschmerzen hast leechste die um die Ohrn.
Gott sei Dank - denkt Mama. Thema durch.
Nach gut vier Wochen - Gabi ist mal wieder allein zu Haus - fällt ihr das blauweiße Zirkuspaket ein. Ach denkt sie - kalte Ohren kann man ja auch ohne Ohrenschmerzen haben - deckt sich ihre Ohren sorgfältig mit einer von Mamas langen CAMELIA - Binden zu, und setzt sich damit an das Fenster, um das Treiben draußen zu beobachten.
Die Nachbarn im Pütt sprechen heute noch von der CAMELIA – Dame am Fenster von Schmitzens Jupp. Ehrlich.
ewaldeden
Wird das dann etwa eine Geschichte von einem "gefallenen Mädchen" werden, Roswitha?
... und Gabriele, ich habe gerade den "Knaster Camelia" in die Reihe der damals von der (Männer)welt geschmökten Produkte eingereiht .... DAS ist ja direkt eine Bereicherung meiner Erinnerungen.
... und wat, liebe Heidi, jibbet zum Glück nicht mehr?