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Achterbahn des Lebens (9)

Dieses Gebot bescherte uns allen einen nicht enden wollenden Lachanfall.
Der Esel konnte mit seinem Einmeterzwanzig Stockmaß ungehindert durch Peters lange Beine laufen. Selbst wenn Peter sich gesetzt hätte – der kleine Esel hätte ihn mit Leichtigkeit getragen. Peter war zwar ein Lulatsch von etwas über zwei Meter Größe – aber er war keineswegs zwei Meter schwer.
Sein ständiger Kampf mit den Prozenten hatte ihn zu einer Bohnenstange werden lassen. Man mußte zweimal aufmerksam hinschauen, um ihn einmal zu sehen.
Wir machten uns auf zur Plantage – der Scheinreiter Peter und ich. Der Weg dahin war schon beschwerlich und lang, aber die Größe der Plantage zeichnete Erschrecken in Peters Gesichtszüge – Erschrecken über die vielen Schritte, die vor uns lagen, wenn wir alles sehen wollten.
Gemildert wurden seine Qualgedanken durch den Anblick der Zitrusfrüchte, die an den Bäumen hingen. Die Erntezeit war längst vorüber, aber Großmutter ließ für uns Familienbesucher immer Apfelsinen, Mandarinen, Zitronen und Limetten zum selber pflücken, über die Erntezeit hinaus, hängen.
Auch wenn keine Prozente den Geschmack abrundeten – Peter tat es mir nach, und langte kräftig zu. Es hat ihm sichtlich geschmeckt – und nüchtern blieb er auch.
Dieser Tag ist als einer der schönsten Tage meiner Türkeiaufenthalte in meiner Erinnerung lebendig geblieben.
Zum abendlichen Abschluss hat Peter dann einen ganzen Teegarten trocken getrunken – und nicht nur die Tuborg Vorräte – nein, sogar das türkische Efes- und Tekel-Bier mußte dran glauben.
Der Nachmittag auf der weitläufigen Plantage hatte ihm doch sehr zugesetzt – seine Knochen klöterten förmlich in der Pelle. Bei jedem seiner Schritte flogen, aufgeschreckt durch das ungewohnte Geräusch, die Vögel aus den Bäumen am Wegesrand.
Der Teegarten in der Nachbarschaft meines Elternhauses brachte ihm endlich die Erlösung – er konnte seine ausgetrockneten Körperzellen wieder auffüllen. Das tat er dann auch temperamentvoll.
Ich hab’ bis dahin nicht gewußt, daß in eine Bohnenstange soviel Bier hineinpaßt.
In den nächsten Tagen schonte ich Peters Kraftreserven – mit dem Auto erkundeten wir die umliegenden Ortschaften.
In Denizli brachten die weißen Sintersteine meinen Freund erneut aus der Fassung. So riesige Berge aus schneeweißem Wattestein gingen über seinen Horizont. Den Ursprung erklärte ich ihm auf unserer Wanderung durch diese Zauberwelt. Es sind die Kalkrückstände des heißen Wassers, das durch die vulkanischen Spalten aus dem Berg austritt.

Nach vier Wochen – länger konnten wir unsere „Geschäftsreise“ nicht ausdehnen – traten wir schweren Herzens die Heimreise an. Es war ja nun schon meine -zigte Reise zwischen dem Morgen- und dem Abendland – aber es bedeutete für mich immer wieder ein neues Abenteuer.
In diesem Falle noch ein besonderes – die Alkoholika für meinen Freund hatten mich mehr Geld gekostet, wie alles andere Lebensnotwendige zusammen genommen.
Mit der Ware, die wir in der Türkei, in der Hoffnung auf großen Gewinn, als „Importartikel“ erstanden hatten, haben wir daheim mehr oder weniger die Regale in unseren „Geschäftsräumen“ geschmückt. Irgendwie war alles nicht so gut gelaufen. Man kann auch sagen: Es war ein riesiger Flop mit schönen bunten Bändern.

Neue Aktivitäten standen an – der bevorstehende Winter mit der Adventszeit- und dem ihr folgenden Weihnachtsfest, ließ uns zu künstlichen Kränzen, ebensolchen Tannenbäumchen und Christbaumschmuck greifen.
Nicht für unseren eigenen Bedarf – nein, Handel wollten wir damit treiben. Groß angelegt und lukrativ sollte die Geschichte natürlich auch sein. Ruckzuck hatten wir uns mit entsprechender Ware eingedeckt – und hofften auf die anrollende Welle kauflustiger Menschen. Leider war es uns auch dieses mal nicht vergönnt, uns in blanken Talern zu tummeln – es wurde wieder einmal ein Bad in unseren Ladenhütern, als die sich unsere Geschenkartikel leider neuerlich entpuppten.

Woran lag es nur, dass wir mit unseren grandiosen Geschäftsideen ständig auf dem Bauch landeten? Waren unsere Flügel nicht kräftig genug – oder flatterten wir einfach in zu dünner Luft herum? Oder hatten wir einfach keine Ahnung vom Fliegen? Es war wohl von allem etwas.
Wir schlitterten mehr schlecht als recht durch die kalte Jahreszeit – mit schmaler Kost und wenig Kohle.
Statt Fett anzusetzen, bekam mein Kapital die Schwindsucht. Die Hustenanfälle meiner Geldbörse zerrissen mir häufig die Brieftasche.
Der nahende Frühling, mit den sprießenden Knospen in der Natur, erweckte auch meine Ideenschmiede zu neuem Leben.
Kleintransporte und Umzüge müßte man machen – dafür war doch garantiert ein Markt vorhanden. Der Teufel müßte doch zwei Klumpfüße haben, wenn wir damit nicht eine Lücke entdeckt hatten.
Die Anschaffungen für die Geschäftsgründung hielten sich in Grenzen. Büromöbel besaßen wir – Kleinlaster als Transportfahrzeug konnte man sich an jeder Ecke gegen geringe Gebühr mieten - DAS mußte doch gewinnbringend einschlagen. Wenn die Einschläge groß genug waren, würden wir uns einen eigenen Fuhrpark zulegen. Wir brauchten aber nicht einmal nach der Adresse einer Autovermietung suchen – nicht ein einziger Auftrag fand den Weg in unser Kontor. Es lag wohl mit daran, daß wir keine Hinweisschilder aufgestellt hatten – oder ganz einfach daran, daß der Teufel tatsächlich zwei Klumpfüße besaß.
Ich erkannte es nicht – wahrscheinlich aus einer Mischung aus Vertrauensseligkeit und zuwenig Lebenserfahrung heraus. Der zweite Klumpfuß des Teufels stand nämlich unter dem Schreibtisch in unserem Büro. Es war die Kiste mit leeren Schnapsflaschen, deren hochprozentiger Inhalt sich zwischen den Knochen meines Freundes Peter tummelte, und sich da sichtlich wohlfühlte.
Statt Werbung für unser junges Unternehmen zu machen, fühlte er lieber der Schnapsreklame der Spirituosenhersteller auf den Zahn. Im Sessel hinter dem Schreibtisch konnte er in aller Ruhe den Wahrheitsgehalt der Alkoholikawerbung testen.
In der Produktauswahl war er unparteisch und unerbittlich – er ließ keine Marke aus. Seine Palette reichte von Edelbränden bis zum Kellertreppenkorn der Marke „Schuhauszieher“.
Wenn Peter im Arbeitsverhältnis gestanden hätte – sein täglicher Stundenzettel wäre vor lauter Überstunden aus den Nähten geplatzt.
Meine erste große Liebe war mit unseren Wildwasserfahrten auch den Bach runter gegangen. Heute verstehe ich mein Mädchen – und würde sicherlich manches anders angehen.

ee

Fortsetzung folgt

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Ewald EdenWilhelmshavenautor edenTexteTürkeiLyrikProsa

6 Kommentare

Gute Nacht, Ihr Lieben alle ...

hallo Ewald ...
Sehr gut erzählt und geschrieben....
so manches Schmunzeln hat man beim Lesen....

Ganz schön , süffig , flüssig , fließend ..., im wahrsten Sinne des Wortes geschrieben !

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