Hören und Sehen ... mag manchem vergehen
Mit den Augen eines Gastes
Zu hoch hochgejubelt …
So weit wie mein Erinnern zurückreicht, kenne ich den Ausspruch mich durch das Leben begleitender Menschen: „He kann vandoach moal wäär nich good hörn.“ (Er kann Heute mal wieder nicht gut hören)
Diese Erkenntnis aller mir nahe stehender Personen bezeichnet von jeher aber kein Defizit in meiner Erziehung – aus dieser Sicht hat mein Verhalten wohl immer wenig Anlaß zur Klage geliefert.
Nein, eine leichte Schwerhörigkeit als Folge einer frühkindlichen Erkrankung war die Ursache für die Achterbahnfahrt meiner akustischen Umwelt-wahrnehmung.
Verstärkt wurde das Geschehen noch durch eine mich schon seit Jahrzehnten begleitende chronische Bronchitis, die das Erbe meines ‚Kindsasthmas’ angetreten hatte.
Die leichte ‚Nichthörigkeit’ hat mich ehrlich gesagt nie wirklich gestört. Auch wenn jemand aus meiner nächsten Nähe seinen für die ‚Anderen“ zu laut gesprochenen Worten entschuldigend hinterher- oder vorausschickte: „He is woll wäär een bietji ballhörich“ (er ist wohl wieder ein bisschen schwerhörig), hat mir das niemals Seelenschmerzen bereitet.
Durch einen anderen Störenfried in meinem Körpergefüge hatte mein ‚schwerer hören können’ aber merklich an Gewicht zugelegt. Um letztendlich nicht ganz ‚doov’ (taub) dazustehen, wollte ich etwas unternehmen.
Bei diesem Entschluss kam mir eine Anzeige in unserer Tageszeitung zu Hilfe.
Mittels dieser Anzeige suchte eine bundesweit agierende „Hörgeräteakustiker“ – Kette Testpersonen für ein neues Hörgerät. Dieses neue Produkt als krönendes Ergebnis umfangreicher Forschungen stelle alle sich auf dem Markt befindlichen Geräte in den Schatten, hieß es sinngemäß.
Ohne lange das Für und Wider hin- und herzuschieben, rief ich in der hiesigen Niederlassung von ‚Hör Gut’ an – und wurde äußerst freundlich begrüßt und als Testperson registriert.
Am darauf folgenden Tag thronte ich als ‚Proband’ in einem mit dem tollsten technischen Gerät ausgestattetem Akustikstudio.
Mir gegenüber saßen erfahren und fachlich versiert wirkende Mitarbeiter, testeten mein tatsächliches Hörvermögen und versuchten locker und mit leichter Hand mir die epocheschreibenden phänomenalen Eigenschaften des Hörgerätes „octicon PEOPLE FIRST“ nahe zu bringen.
(Allein der futuristische Name jagte mir schon Schauer der Ehrfurcht vor der unglaublichen Leistung der ‚Erfinder’ dieses Wunderwerkes über den Buckel)
Da war von ‚intelligenter Technik’ und interner Kommunikation zwischen Hörgerät rechts und Hörgerät links die Rede. Da wurde erzählt vom ‚Normalitätsempfinden’ nach jahrelanger ‚Geräuschabstinenz’ und welches Heroenwerk des Machbaren der Menschheit damit zuteil geworden wäre.
Manch ein anderer Kunde hätte sicher, vor Ehrfurcht staunend und mit offenem Munde, ergriffen geschwiegen.
Ein solches Verhalten liegt mir aber so fern, wie Grönland vom dänischen Mutterland weg ist. Und das ist ganz schön viel weit – und ganz schön viel nass.
Ich beurteile solche Dinge nach einem ausgiebigen Alltagsgebrauch lieber auf der Grundlage eigenen Erlebens.
Dieses Verhalten hat mich schon häufiger davor bewahrt, ebenso nass zu werden wie die Wasserwelt zwischen Dänemark und Grönland sich darbietet.
Mit den, von den Mitarbeitern des Hauses mit viel Aufwand eingeregelten, ‚Wunderdingern’ in den Ohren begab ich mich mit Elan in die Testphase, an deren erfolgreichem und mich zufrieden stellendem Ende eine Zuzahlung zum Kassenanteil von 902.- € in der stolzen Höhe von 4 294.- € meiner harrte. (Wenn man - wie ich es immer noch tue – in D-Mark umrechnet … die Summe von fast 9 000 Märker Versichertenanteil läßt mich schwindeln )
Ich bestieg also meinen Drahtesel und radelte nach Hause.
Der Weg durch die Stadt, entlang der viel befahrenen Strassen, erschien mir schon nach wenigen hundert Metern wie eine alttestamentarische Prüfung.
Zuhause angekommen, dankte ich als erstes meinem Schöpfer, dass er mich mein bisheriges Leben lang vor solchen Hörgewittern bewahrt hatte. Es fehlte wahrlich nicht viel und ich hätte ihm auf Knien dafür gedankt.
Na ja, habe ich dann gedacht, vielleicht benötigen Technik Rechts und Technik Links ein wenig Zeit um sich aneinander zu gewöhnen und sich aufeinander einzustellen. Obwohl – die Beiden kennen sich doch gewiss schon länger -
aber mit der Abstimmung klappt es ja bei uns Menschen auch nicht immer auf Anhieb.
Ich habe diese klitzekleinen technischen Errungenschaften mich in den nächsten Tagen begleiten lassen. Immer gespannt darauf wartend, dass sich beide Seiten endlich einig würden, habe ich mich fast an den Rand des Wahnsinns treiben lassen.
Die körperfernen Geräusche wurden gut wahrnehmbar und natürlich übermittelt – die körpernahen Geräusche dagegen, wie Sprechen, Räuspern oder Husten, das Reiben von Kleidung an Kleidung oder das blättern in einer Zeitung oder Zeitschrift haben in mir eine leichte Ahnung von den Foltermethoden des CIA wachgerufen.
Nach zwei Wochen intensiven, selbstquälerischen Genusses habe ich mich für das Angenehmere entschieden.
Meine Hörwelt bleibt vorerst akustisch weichgezeichnet, und die technischen Wunderdinger bekommt der Hexenmeister dankend von mir zurück.
ewaldeden
(Nachsatz: Die Konzernleitung hatte Gelegenheit zum ‚Testbericht’ Stellung zu nehmen. Sie hat es während einer Zeit von vier Wochen nicht für nötig erachtet.)
Hallo Ewald - wie immer bist Du mit Deinen Wörtern spitz aber bestimmend umgegangen
Danke für den klasse Bericht.
Gruß Fred