Die 'Aulen Soliger' ... die "8" die lacht
Erinnerungen
Der Anblick eines über mir fahrenden Heißluftballons, der in der sommerlichen Bläue unbeirrt seine Bahn zog, berührte mein Erinnern an Leinewebers Anna.
Lingewebersch Anna war die angetraute Ehehälfte vom schon erwähnten August dem Koffermann, der es über die Jahre seines unternehmerischen Wirkens immer wieder verstanden hatte, durch den Inhalt seines Bauchladens – den er sinnigerweise stets auf den Schultern trug – in die Wohnküchen der Kotten längs der Wipper- und Wupperauen einen Hauch von Paris oder Mailand, und in die sonst eher von Kargheit und Verzicht gezeichneten Gesichter der Frauen und Mütter ein verträumtes Lächeln zu zaubern.
Ob ‚et Annas Jesich’ jemals ein verzaubertes Lächeln verschönt hatte, war für den zufälligen Betrachter schwer vorstellbar. Besonders wenn ihr Kopf das Viereck des Fensters ihrer kleinen Beiküche zur Gänze ausfüllte. Man konnte dann wohl meinen, die Reklametafel eines Lübecker Marzipanschweinchenherstellers zu betrachten.
Oder wenn sie sich notgedrungen zu Fuß auf kurze Wege begeben musste. Dann konnte man sie nämlich versehentlich leicht für eine wandelnde XXL Vogelscheuche halten – ihre wahrlich nicht schlanken Stummelarme standen waagerecht vom Körper ab, weil die Fettmassen ein anlegen an den Korpus nicht mehr zuließen.
Um aber auf das Erinnern an Anna durch den Anblick des Fesselballons zurückzukommen – an das Aussehen und die Form der rosa und blauen Schlüpfer – vom Schnitt her einem antiken Schinkenbeutel nachempfunden, außen seidig glänzend und innen angerauht, mit Gummizug an Bein und Hüfte - die bis in die Mitte der fünfziger Jahre getragen wurden, können sich viele meiner Leser sicher noch gut besinnen. Von eben diesen ‚Modellen’ – deren Stoffbedarf für ein Anna-Exemplar dem für die Anfertigung eines mittleren Fallschirmes gleichkam - besaß et Anna etliche an der Zahl – und stets hingen einige Modelle davon an der Wäscheleine im Garten und flatterten aufgebläht lustig vor sich hin – bis zu dem Tage, an dem ein Nachbar Annas August vertraulich fragte, ob er .nicht auch mal in einem der Fesselballone, die zum trocknen im Garten an der Leine hingen, mitfahren könne. Von Stund an sah man keinen von Annas Satinschlüpfern mehr im Garten sich blähen.
Blähen blähte sich aus unerfindlichen Gründen auch der Mageninhalt – oder war es eher der des Darmes – vom Michel Paule aus Widderts Lacherstrasse. Paule fand es aber nun gar nicht zum Lachen, wenn sein ‚Hintern’ bei der geringsten Bewegung anfing zu grinsen, respektive dicke Backen machte und in seltsamen Tönen prustete. Er war darüber verständlicherweise eher betrübt als erleichtert, denn an dem Ort an dem er seine ‚Brötchen’ verdiente, war eine solche ‚Hintergrundmusik’ – die von Fall zu Fall auch noch mit verschiedenen Duftnoten versehen daherkam – äußerst unangebracht.
Paule fungierte nämlich als Bürobote in der Mercedes (Daimler) Benz Niederlassung in der ‚Soliger’ Innenstadt.
Während die Specksohlen mancher Kollegenschuhe beim Gehen auf den Marmorfliesen der Flure hin und wieder quietschten, produzierte Paules ‚Speckseite’ dagegen peinlichere Töne.
Rettung aus seiner Betrübnis erhoffte er sich vom alten Doktor Hülsenkötter, dem langjährigen Hausarzt der Familie. Doch wie sagt man so schön, wenn etwas nicht so läuft wie erhofft?
Genau: Paule hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht.
Des Doktors Rat beschränkte sich auf die Empfehlung, er solle sich doch ein kleines ‚Mopped’ zulegen. Auf Paules erstaunte Entgegnung, er dürfe mangels Fahrerlaubnis so ein Ding doch gar nicht besteigen, antwortete der greise Doktor salomonisch: „Dat is ooch jaanich nüdich. Du bruuchst dat Motörche nur neeven disch herknattere losse – denn hüürt dien Büksenfleut nümmes miii.“
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Eine ganz wunderbare Geschichte , einfach toll....