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Der 'aulen Soliger' zweiter Teil ...

Die ‚Christliche Gemeinschaftsschule Wienerstrasse’ wie die Lehranstalt offiziell benannt war, war sowieso eine Besonderheit in der damaligen Schullandschaft. Die ‚Volksschulen’ in den Fünfzigern waren in aller Regel noch konfessionell geprägt und ausgerichtet. Die Bevölkerung war in großen Teilen noch nicht mit dem ökumenischen Denken infiziert. Evangelisch war evangelisch und katholisch war katholisch – und sollte nach dem Willen der Bestimmenden auch so bleiben, wie es mein guter Pastor Stratmann in weinseliger Laune (oder war es das süffige Beckmanns Gebräu?) einmal auf den Punkt brachte: „Jedes Gericht für sich ist gut und bekömmlich, als Mischmasch schmecken aber beide gleich fürchterlich.“

Die ‚Katholen’ waren in ‚Solig’ zwar in der Minderzahl – man kann getrost sagen, sie lebten in der Diaspora – gesellschaftlich spielten sie aber eine nicht unbedeutende Rolle.
Das hatte ‚Eekenberchs Jerd’, wie er stadtweit genannt wurde, neben vielen anderen auch erkannt.
In der Schwarzmarktzeit, nach dem lauten Getöse des Zusammenbruchs der arischen Ordnung, war er dank gewachsener Beziehungen an einen Butter und Speck Meisterbrief gelangt. Viele Bürger, die in der Klingenstadt über Rang und Namen verfügten, kannten sich halt aus der gemeinsamen Pennezeit an Solingens Oberer Schule, an der Vater ‚Eekenberch’ bis zu seinem Abmarsch in die russische Hölle mit dem Rang eines Studienrates behangen war. ‚Dat Jerdche’ profitierte noch lange davon, denn ‚dat Jerdche’ war ein schlaues Kerlchen.
Damit dem Blutkreislauf seines kleinen Handwerkbetriebes stets genügend ‚Sauerstoffpartikel’ sprich Aufträge zuflossen, hatte er eine verblüffend erfolgreiche Strategie entwickelt. (Wahrscheinlich war es aber wohl seine Angetraute, die den antiken Wert des in russischer Gefangenschaft dahingerafften studienrätlichen Schwiegervaters mit der ihr eigenen Kreuzumtriebigkeit versilberte.)
‚Dat Jerdche’ trug das lutherische Gesangbuch gut sichtbar in der Tasche, während Eheweib und klein Joachim laut und inbrünstig die Texte aus dem katholischen Messbuch ihrer Umwelt zu Gehör brachten.
Dadurch landeten in der Regel alle Gewerkaufträge der Kirchengemeinden beider Konfessionen in seinem Kontor – und das waren in der Erneuerungsphase nach der Staatsliebedienerei der Kirchenkonzerne wahrlich nicht wenige.

Diesen Umstand machten sich auch die Nato – Sauerzapfchen Feldherrnarchitekten zunutze, die vielen sakralen, oder auch profanen Baukörpern dieser Zeit ihren heute noch oft sichtbaren Stempel aufdrückten. Von den am Bau Schaffenden wurden sie wegen ihrer unübersehbaren Vorliebe für schwarze und weiße Töne in allen Schattierungen, in Anlehnung an die Restauration der ‚Lustigen Wirte Schwarz-Weiß’ an der Burger Landstrasse in Höhe der Krahenhöhe, auch wohl die Architekten Schwarz-Weiß genannt.

Schwarz-weiß war das, was sich so Tag für Tag – oder auch Nacht für Nacht rund ums Höhscheider Denkmal abspielte nun wirklich nicht – es war wohl eher als ein ziemlich buntes Treiben zu bezeichnen.
Über das der agile Schutzmann Thomas vom nahe gelegenen Polizeirevier in der Regerstrasse mit Argusaugen wachte, wenn er seine Runden durch die Parkanlage des Kriegermahnmals und längs der Strassen drehte. Natürlich tat er das nicht ohne die nötigen Verschnaufpausen einzulegen – vornehmlich am Tresen in der alten Fuhrmannskneipe von ‚Tillmann’s’, wo ihm die anwesenden Gäste bereitwillig das eine oder andere ‚Gläschen’ spendierten. Man konnte ja nie wissen …
Seine Uniformmütze – sein ‚Dienstgewissen’ sozusagen – deponierte er stets bei Oma Tillmann in der Wirtshausküche am Fleischerhaken links neben der Eingangstür. Nie sah man ihn mit hoheitlicher Kopfbedeckung im Schankraum süppeln – dafür dann aber später, nach seinen Thekenverschnaufpausen, wieder mit Dienstmütze umso intensiver manch kleinem Sünder aufzulauern, wenn dieser gerade der Kneipe mit ihren Verlockungen den Rücken gekehrt hatte und fest darauf vertraute, mit seinen drei spendierten Lagen für den Schutzmann von demselben für diesen Abend einen Ablassbrief erworben zu haben.
Unzählige Spätheimkehrer sind damit einem Irrglauben erlegen – bis, ja bis den Judas in stockfinsterer Nacht die Rache der Götter ereilte.
Irgendwelche aufgebrachten und enttäuschten Gemüter verabreichten dem uniformierten Gesetzeshüter mit seinem eigenen Schlagstock eine Abreibung die sich gewaschen hatte und ihn für die restlichen Dienstjahre in das Innere der muffigen Revierwache verbannte.

In der angrenzenden Kneipe ‚süppeln konnten die Kunden vom Barbier Warbruck schon mal auf Kosten des Haarkünstlers, wenn er ihnen ein Getränk freigab, damit den Männern die Wartezeit im Salon nicht auf’s Gemüt schlug und ihnen ihr Wohlbefinden trübte. Von daher war der Warbrucksche Verschönerungstempel auch immer gut besucht. Der alte Fuchs wußte sich schon seine Wegzehrung zu beschaffen.

Wegzehrung brachte auch „Blank’s Fri“ – der immer vergnügte Senior der Bäckerei Blank - unter die Leute, wenn er des Nachmittags mit seinem bis unter das Blechdach vollgepacktem altersschwachem, röchelndem Olympiakombi aus der Familie derer von Opel vom Hof seiner Bäckerei zum Rundkurs durch die abgelegenen Höfe und Hofschaften startete.
Blanks Schwarzbrot zählt mit zu meinen ‚edlen Erinnerungen’ an das ‚aule Solig’.

Zu meinen nicht so edlen Erinnerungen zählt eine ‚Großtat’ meiner älteren Brüder. Die beiden hielten ihr Tun auf jeden Fall dafür, obwohl ich verständlicherweise anderer Meinung war.
Es war die Zeit, in der Elvis Presley seinen US Armeedienst in Deutschland ableistete und Deutschlands Jugend begeisterte. Die Köpfe vieler Jungs an der Schule und auch aus meiner Klasse krönte eine Elvis Frisur. Nicht dass es mich danach drängte auch so eine tolle Tolle auf mein Haupt zu fabrizieren – ich dachte gar nicht daran, dafür war mein Gesicht viel zu rundlich – nein, meine Brüder wollten nur allen Eventualitäten vorbeugen, wie sie sagten, als sie mir in einer Nacht- und Nebelaktion den Kopf kahl schoren.
Wer auch nur ein wenig Gefühlsdenken kann, der kann sich denken, wie mir am nächsten Morgen auf dem Weg zur Schule zumute war.
Ich kann noch nicht einmal sagen, ob ich meinen Brüdern diese Missetat schon vergeben habe.

ee

8 Kommentare

Hallo Ewald,
ich kann mich leider nicht erinnern ob es die Solinger 'Germania' war; der Leuner Verein trägt diesen Namen. Es könnte schon sein, dass die Namensgleichheit zu irgendeinem Zeitpunkt initiierenden zur Vereinsfreundschaft beigetragen hat.

Vor kurzem erst habe ich zufällig einen sehr interessanten Bericht über das Handwerk der Schwertfeger und Solingen gesehen.

Lieber Erwin,
so schließen sich immer wieder die Kreise ...

Eine ganz tolle umfangreiche Beschreibung der damaligen Zeit und auch schöne Bilder.

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