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Das Kreuz mit dem Kreuz ...

Heinz hatte bannig Glück in seinem Leben mit dem Glück Leben. Von seinem ersten Schrei bis laufen und komodig reden können war die Welt um ihn herum noch reichlich schräg und dunkel.
Die Invalation war man gerade über das Land hinweg gezogen. Die ‚Roten und die ‚Braunen’ knüppelten wie verrückt in den Strassen der Weimarer Republik aufeinander ein. Die Reichsregierungen unter Kanzlern wie Brüning und Co – ganz weit weg in Berlin – wedelten hilflos mit ‚Notverordnungen’ und anderen Aktionsgesetzen in der Luft herum.
Es schien oftmals so, als wenn ein Bauer durch das schwenken mit einer schmutzigen Unterhose ein durchgegangenes Pferdegespann aufhalten wollte.
Der Himmel sah wohl wo das Spiel enden würde und hat 1933 seine Hände dazwischen gehalten. Viele empfanden jedenfalls so und glaubten, der Herrgott hätte ihnen als auserwählte Rasse das Heil beschert. Heil Hitler!
Plötzlich war in der Gesellschaft eine Richtung zu erkennen. Den Menschen wurde gesagt sie könnten wieder geradeaus laufen.
Was war das ein Glück – nicht bloß für Hein. Ohne zu straucheln konnte er nun seine Kinderzeit, seine Schulzeit und seine Lehrzeit hinter sich bringen.
Aber wie es nun einmal so ist im Leben. Wenn Dir in Notzeiten jemand etwas auf den Tisch legt um Dir zu helfen – der steht garantiert eines Tages wieder vor dir und will für seine Hilfe entlohnt werden.
Eine Ahnung von dem was da auf ihn zukam umkreiste sein Wissen schon beizeiten.
Die Begriffe Hitlerjugend und Jungvolk rahmten das Ganze ein. Einbeziehung zum Reichsarbeitsdienst stand dann ganz oben auf der Rechnung, von der er den ersten Teil begleichen mußte, als er seine Lehre abgeschlossen hatte.
Zum ‚kriegswichtigen Arbeitseinsatz’ einberufen nannten die Gläubiger die Vollstreckung ihrer offenen Forderungen.
‚Muß i’ denn, muß i’ denn …’ oder so ähnlich schallte es über den Sander Bahnhof als der Zug sich mit Hein und vielen anderen Einberufenen keuchend und stampfend Richtung Lesum in Bewegung setzte. In der Bremer Nachbargemeinde Lesum standen nämlich schon die Schaufeln und Spaten für die jungen Leute bereit.
Zumindest der tröstliche Glaube, daß ihre davonziehenden Kinder wenigstens noch kein Schießeisen in die Hand nehmen mußten blieb bei den Angehörigen auf dem Bahnhof zurück.
Im Zuge freute man sich auf Lesum. Lesum – das versprach Abwechslung gegenüber ihrer kleinen Landgemeinde. Direkt nebenan lag Bremen. Da konnten sie von Lesum aus doch fast hinspucken oder vielleicht sogar mal so ein bißchen den Duft der großen Welt schnuppern.
Hein und sein Freund kamen aber gar nicht dazu nach Bremen hinzuspucken – oder gar mal in die Stadt hinein zu riechen.
In die Strohsäcke ihrer Bettstellen hatten sie noch gar keine Kuhlen gelegen, da hieß es schon: ‚Auf dem Bahnhof sammeln. Marschbefehl nach Hamburg.’
‚Was sollen wir denn in Hamburg?’ lief die Frage unter die langen Reihen der Versammelten hindurch.
‚Von da aus werden wir nach Russland in Marsch gesetzt’ kam es als Antwort von irgendwem untendurch zurück.
Einige der jungen Männer waren so couragiert gegen die Verlegung an die Elbe aufzubegehren. Sie wollten nicht nach Hamburg. Das ‚nicht nach Hamburg wollen’ war aber ganz schnell nicht mehr zu hören.
Ein paar grobe Griffe oder ein paar kräftige Stöße mit dem Gewehrkolben brachten die Aufmüpfigen in Nullkommanichts zum Schweigen. Auch sie freuten sich plötzlich auf Hamburg.
Auf der Fahrt in die Hansemetropole hörte man in den Waggons bloß das Tack - tack der Räder auf den Schienenstößen. Niemand traute sich etwas zu sagen – man wußte ja nicht, welches Denken den Nachbarn bewegte.
Im Hamburger Hauptbahnhof angekommen hieß es sogleich: ‚Alle Mann aussteigen und auf dem Bahnsteig vier zu vier angetreten. Zack-zack.’
Irgendetwas drehte sich bei diesem Kommando stachelig in Heins Magen. Er verdrückte sich mit seinem Freund hinter die Masse ihrer Kameraden, deren Augen wie gebannt auf die Feldjäger gerichtet waren. Mit vorgehaltenem Gewehr flankierten die ‚Kettenhunde’ den langen Zug.
Die beiden Freunde sahen vor sich nur unzählige Rücken und kurzgeschorene Hinterköpfe unter den Schirmmützen.
Ohne das irgendjemand es bemerkte verkrümelten sie sich durch eine Tür auf der Gegenseite nach draussen. Durch einen auf dem Parallelgleis stehenden Zug gelangten sie auf einen anderen Bahnsteig.
Nachdem die Kolonnen abmarschiert und die Militärpolizei sich verzogen hatte fragten sie sich bei Passanten zur Musterungsstelle durch.
Das spätere Kommen hat sie vor der Reise nach Russland bewahrt. Ihre Kameraden aus der großen Marschkolonne waren ohne viel Federlesen in Richtung Ostfront durchgeschleust worden. Die Musterung vor der Kommission mußten aber auch sie über sich ergehen lassen.
Als erstes hieß es ausziehen – alles ausziehen, auch die Unterwäsche.
Im Adamskostüm mußten sie durch die große Halle Spalier laufen.
Einzig ein steifer Bogen Pappe begleitete ihren Lauf von Schreibtisch zu Schreibtisch. Es waren wohl zwanzig Stück an der Zahl.
Sie wurden gemessen, gewogen und von allen Seiten begutachtet.
Mit Zirkel und Dreieck, mit Zollstock und Maßband, mit Hörrohr und Spekuliereisen gingen die Weißkittel ans Werk.
Der Kopf und die Arme und Beine wurden vermessen, den Hintern leuchtete man aus und die Geschlechtsteile unterzog der Generalarzt einer besonders gründlichen Begutachtung. Nach dem Glänzen seiner Augen zu urteilen schienen sie dem Spezialisten zu gefallen.
Der Laufzettel füllte sich mit Kreuzen, Strichen und anderen undefinierbaren Zeichen. Bis ein Mannsbild auf diese Art zu Papier gebracht worden war dauerte seine Zeit. Zum Schluß kam dann eine hervorragende Bewertung dabei heraus.
‚Arier erster Klasse – geeignet für den Einsatz in der Ordensburg Sonthofen’ stand auf den Bögen der beiden Freunde zu lesen.
‚Ordensburg’ was heißt das? stieß der Freund Heinz an, als sie sich wieder angezogen hatten und zur letzten Begutachtung unterwegs waren.
Heinz war ja auch nicht über alles aufgeklärt, aber davon hatte er doch schon läuten hören.
‚Man will da, glaube ich, Elitezuchtbullen aus uns machen’ klärte er seinen Freund fast unhörbar auf.
Vier Schritte lang kam von seinem Freund nichts als ungläubiges Staunen – bis er begriffen zu haben schien, was Heinz ihm da gerade gesteckt hatte.
Heftiges Kopfschütteln war die Reaktion. ‚Nee – nicht mit mir. Ich lasse mir doch keine Kühe aussuchen, die ich dann decken muß. Ich geh da nicht hin.’
Das sprach Heinz aus der Seele. Er wollte auch nicht dahinten im Baziland hochgezüchtet werden. Sein zukünftiges Liebesleben hatte er sich ein wenig anders vorgestellt.
Die beiden Freunde wechselten kein Wort miteinander, als sie den Dreh nach draußen nahmen und dem Bahnhof zustrebten.
Wenn in Hamburg nicht schon so ein gewaltiges Durcheinander geherrscht hätte, hätte man sie sicher noch zu fassen gekriegt und wegen Desertierens bestraft. Da das Standrecht herrschte waren Todesurteile wegen eines solchen Vergehens keine Seltenheit mehr.
Die beiden hatten Glück und saßen ein paar Stunden später unbeschädigt im Zug nach Bremen.
Bremen haben sie an diesem Tage aber gar nicht erreicht. Über Bremen sah man nur Feuerschein und Rauch in der Luft. Der Zug mußte vorher anhalten – das Bremer Stadtgebiet wurde bombardiert. Die englischen Flieger ließen ihre tödliche Fracht fallen.
Die Passagiere mußten ihren Zug auf freier Strecke verlassen.
Heinz und sein Freund sind denn auf Schusters Rappen nach langem Marsch in Lesum eingetrudelt.
Von Lesum hatten sie aber auch nicht mehr viel. Gerade im Quartier in Lesum eingerichtet fanden sie sich über Nacht auf Fünen wieder.
Da wartete eine Blitzausbildung für den Kriegseinsatz an der Westfront auf sie und andere. Plötzlich waren sie Soldaten die nach Frankreich marschierten. Jetzt hatte der Kommiß sie doch noch zu fassen gekriegt.
Um die Müh- und Drangsal des einfachen Soldatenlebens zu umgehen, sicherten sie sich einen Platz im Sperrsitz. Sie traten der Waffen – SS bei. Auf diese Weise waren sie auch ohne Sonthofen und Lebensborn in die Eliteklasse aufgerückt.
Daß aber zwischen Frauen schwängern zu müssen, die sich freiwillig hergaben, und schwangere Frauen töten zu müssen, bloß weil sie angeblich nicht Arisch waren, ein kleiner Unterschied bestand, erfuhren sie als sie sich nach dem ersten Mal tun die Seele aus dem Leib kotzten.
Nur, da war es zu spät zur Umkehr – aus Gestern läßt sich nie wieder Heute machen.

ee

4 Kommentare

Lesbar, überschaubar, vielseitig und für Ältere mit teilweisen Wiedererkennungsefekt ausgestattet. Für junge Menschen kaum
zu glauben, da zu viele Fakten zusammen gefügt wurden.
Müßte zur Pfichtlektüre fur junge Nazis angeordnet werden, statt Fernsehen.

Starker Bericht! Aber irgendwie hatten sie zu der Zeit immer schlechte Karten.

Wie heißt es doch so treffend?
'Die letzten beißen die Hunde!
Ist es schon jemals anders gewesen, als das die Masse die schlechteren Karten hatte?'
Nur ob man das Blatt dann aufnimmt und mit den schlechten Karten spielt - das ist wohl eher eine Charakterfrage - und auch damit ist es noch zu keiner Zeit gut bestellt gewesen - auch Heute nicht. Es reicht z. B. von A wie mann bis Z wie winkel.

ee

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