Burkhard Gums: "Die Klosterbühne Wennigsen ist ein Amateurtheater auf höchstem Niveau!"
Burkhard Gums ist Leiter der Klosterbühne Wennigsen. In diesem Jahr steht der Einakter "Das Orchester" auf dem Spielplan der Klosterbühne. Im E-Mail-Interview verrät Gums was das Ensemble auszeichnet und worum es in dem Stück geht.
Herr Gums, Sie sind Leiter der Klosterbühne Wennigsen. Seit wann existiert die Klosterbühne, und was haben Sie sich als Leiter auf die Fahnen geschrieben?
Bevor ich 1981 nach Wennigsen kam, war ich in der Matthias-Gemeinde Hannover-Buchholz tätig. Dort hatte ich 1977 einen „Spielkreis Theater“ gegründet, der heute noch existiert. Ich erzählte in Wennigsen davon, worauf mich einige Gemeindeglieder baten, hier ebenfalls einen Theaterkreis ins Leben zu rufen.
Das geschah dann im Januar 1983. Der damalige Präsident der Klosterkammer, Prof. Dr. von Campenhausen, stellte uns für die Aufführungen den Klostersaal kostenlos zur Verfügung.
1984 spielte der „Spielkreis Theater der Marien-Petri-Gemeinde“ sein erstes Stück „Unsere kleine Stadt“ von Thornton Wilder mit großem Erfolg. Da wir lange Jahre wohlwollend vom Kloster gefördert wurden – eine Klosterdame spielte sogar einige Jahre mit–, wollte das Ensemble das auch in unserem Namen zum Ausdruck bringen. Wir nannten uns dann: Klosterbühne Wennigsen.
Allein Theater aus der Gemeinde für die Gemeinde zu spielen, war uns von Anfang an zu wenig. Darum brachten wir als Gruppe immer Impulse in die Gemeindearbeit ein – sei es in Form von Theater-Gottesdiensten, alternativen Heilig-Abend-Gottesdiensten, Krippenspiel, thematischen Gemeindetagen (z.B. jüdisch-christlich in Zusammenhang mit der Aufführung des Musicals „Anatevka“) etc. Und wir wollten gutes, niveauvolles Theater anbieten. Die Zuschauerresonanz sagt uns: Das ist gelungen!
Was zeichnet Ihr Ensemble aus? Und wo zwickt es?
Wir sind ein Amateurtheater auf höchstem Niveau. Oft bescheinigen uns Zuschauer, besser als das Profitheater in Hannover zu sein. Das stimmt natürlich nicht. Man kann das auch nicht vergleichen. Die Profischauspieler haben ihr Handwerk gelernt. Wir füllen unsere Rollen mit unserer Persönlichkeit aus und bringen sie dann authentisch auf die Bühne. Das spürt unser Publikum. Darum ist auch die Besetzung der Rollen schon entscheidend für das Gelingen eines Stückes. Da habe ich ein Gespür für. Deswegen suche ich die Personen für die Rollen aus. Dass wir fähige und begabte Leute in unserem Ensemble haben, rundet das Ganze ab.
Es ist leicht, eine Klamotte zu spielen, und ein gewisses Publikum dafür zu gewinnen. Das wollen wir nicht. Deswegen sind wir auch stolz darauf, dass wir unser Publikum mit ernsten Stücken gewonnen haben. Natürlich gehören Komödien auch zu unserem Repertoire – aber auf stilvollem Niveau. Unser Publikum honoriert das auf seine Weise: Unsere Vorstellungen sind stets ausgebucht.
Sorgen bereitet uns seit einigen Jahren, dass wir kaum Männer zwischen 30 und 50 Jahren als Mitspieler gewinnen können. Das schränkt uns schon manchmal ein. Dann hat uns in diesen Tagen die Mitteilung der Klosterkammer überrascht, dass wir nach 27 Jahren kostenfreier Nutzung des Klostersaales von diesem Jahr an Saalmiete zahlen sollen (immerhin 800 Euro für 15 Tage Saalbelegung). Es war stets guter Brauch bei uns, je nach eigenen Unkosten 1000 bis 3000 Euro von unsren Einnahmen an diakonische Einrichtungen weiterzugeben. Das wird jetzt durch die Gebühren der Klosterkammer schwieriger.
Welches ist Ihr persönliches Highlight bei einer Aufführung gewesen? Können Sie eine Anekdote zum Besten geben?
Highlights haben wir eigentlich immer. Es ist ganz toll zu sehen, wie sich so ein Stück entwickelt. Nehmen wir z.B. den “Jedermann”, den wir 2004 spielten. Wir haben viel über die Aussagen dieses Stückes, das uns auf den ersten Blick nicht sehr beeindruckt hatte, diskutiert, sind mit unseren Fragen während der Proben immer tiefer in dieses Stück eingedrungen und haben es dann sehr “beseelt” gespielt.
Ja, was soll ich noch nennen?
Andorra, Der Besuch der alten Dame, Der Tod eines Handlungsreisenden, Anatevka und ... und ... und.
Anatevka (2001) war sicher ein besonderes Highlight. Ich suchte immer nach einem Theaterstück, nicht nach einem Musical Anatevka – ähnlich wie bei Pygmalion und My fair Lady. Doch es gab nur einen Roman. Also doch Musical! Unsere Ensemblemitglieder mussten innerhalb von zwei Monaten solistisch singen lernen. Wir hatten Musikstudenten, die unser Orchester bildeten und ein phantastisches Publikum, dass bei geöffneten Saaltüren bis zum Treppenaufgang stand.
Begeistert waren wir von dem jungen Geiger Mariusz Patyra, der als Sieger vom Paganini-Violinen-Wettbewerb direkt aus Genua auf unsere Bühne kam, um als Fiedler auf dem Dach mitzuwirken. Das machte Spaß. Ihm und uns!
Überhaupt war das Miteinander sowie die zu beobachtende Entwicklung der eigenen Persönlichkeit (vor allem unserer jungen Mitspieler), zu der das Theaterspielen Entscheidendes beitrug, eine ganz wertvolle Erfahrung für alle.
Highlights waren auch die historischen Stücke um das Kloster, die ich selbst verfasste.
Neben den Elisabeth-Stücken (2008 und 2010) gab es zur 800-Jahrfeier Wennigsens (2000) ein Stück zur vorreformatorischen Wennigser Klostergeschichte nach Aufzeichnungen des damaligen Propstes Johannes Busch, die er in lateinischer Sprache verfasst hatte.
Anekdote? – Unser Bühnenbauer hatte ein Bett für „Ol Mutter Harms“ gebaut, die immer sterben wollte und in den „Heiden von Kummerow“ (1996) jedes Mal von Pastor Breithaupt vorher das Abendmahl verlangte. Es war wieder einmal so weit. Bei einer Aufführung fiel das Bett in sich zusammen und unser wackerer Bühnenbauer, der von hinten unter das Bett gekrochen war, bewahrte die Klosterdame, die „Ol Mutter Harms“ spielte, vor einem unsanften Fall. Oder bei unserem ersten Stück 1984 („Unsere kleine Stadt“): Die „Emily“ verschwand wegen eines Textblackouts in den Kulissen und kam dann aufgetankt wieder auf die Bühne. Die Zuschauer merkten nichts: „Die hat doch etwas aus der Küche geholt.“
Welches Stück führen Sie in diesem Jahr auf?
Jean Anouilh ist dran. Da einige Mitspielerinnen aus beruflichen oder familiären Gründen pausieren möchten, haben wir umdisponiert und den Einakter „Das Orchester“ ausgewählt, ein Stück mit acht Rollen. Sechs Musikerinnen (Michaela Niemann, Anja Fahrenbach, Bettina Borchert, Traute Heinemeyer, Cindy Dagott, Irmgard Gums) bilden gemeinsam mit einem Pianisten (Steffen Schlonski) ein Kurhausorchester, das im Kurcafé Portugal des Monsieur Lebonze (Werner Gollubits) auftritt. Die Zuschauer werden als kurende Besucher des Cafés miteinbezogen. Die Kostüme (Fünfziger-Jahre-Look) sind Gemeinschaftsaufgabe, wobei Anne Tenzer für die Accesoires sorgt. Irmgard Gums – unterstützt von Hans Heinemeyer – vermittelt den Mitwirkenden den Umgang mit den Instrumenten.
Worum geht es bei „Das Orchester“?
Es geht um Ängste, die unser Leben sehr stark gestalten. Fritz Riemann hat das in seinem Klassiker „Grundformen der Angst“ beschrieben. Diese Ängste und die Reaktionen auf sie gestalten unser Leben. Wenn ich z. B. Verlustängste habe, werde ich mich sehr an das Materielle und an Ordnungsprinzipien klammern, was unwillkürlich Konflikte mit anders gelagerten Persönlichkeitsstrukturen heraufbeschwört. Die Figuren in diesem Stück werden von unterschiedlichen Ängsten geleitet. Ihr Zusammentreffen bringt höchst amüsante Situationen hervor. Es kommt zum Zickenkrieg, der auch sarkastische Formen annimmt.
Was haben Sie für dieses Jahr noch geplant?
Wir finden es sehr interessant, zu dieser Thematik einen Theater-Gottesdienst zu gestalten. Dieser wird am Sonntag, 27. März, um 17 Uhr in der Klosterkirche in Wennigsen stattfinden. Thema: „Mit Ängsten leben ... doch seid getrost!“
Welche Errungenschaften waren wichtig für die Klosterbühne?
Gar nicht so sehr etwas Äußerliches. Für die Mitwirkenden war es vor allem die intensive Lebensgemeinschaft über Jahre, das Angenommensein in einer Gemeinschaft und das gemeinsame Eintauchen in eine vom Text her vorgegebene Problematik, um diese dann überzeugend auf die Bühne zu bringen.
Dann das Angenommensein durch unser Publikum. Es ist schön, wenn Menschen einen auf der Straße ansprechen: Wann spielt ihr denn wieder? Was kommt denn als Nächstes? Es ist schön, dass unsere Aufführungen so viel Wertschätzung erfahren. Das beflügelt uns.
Was hätte der Klosterbühne erspart bleiben können?
Dass die Zusage der kostenlosen Nutzung des Saales bei der Gründung der “Klosterbühne” im Jahr 2011 ohne Angabe von Gründen zurückgenommen wird.
Wo sehen Sie die Klosterbühne in zehn Jahren? Und wo sehen Sie Wennigsen in zehn Jahren?
Über die Klosterbühne kann ich dazu nichts sagen. Eine Regienachfolgerin für mich zu finden, war bei meiner Pensionierung 2007 doch noch kurzfristig gescheitert. Also machte ich weiter. Wir machen weiter, sagte auch das Ensemble. Erst einmal bis 2012 – und dann von Jahr zu Jahr. Vielleicht sogar bis 2021 – wer weiß?
Was Wennigsen anbelangt, hoffe ich, dass es eine weitere positive Entwicklung mit engagierten Bürgern gibt.
Sie sind lange Zeit Pastor in Wennigsen gewesen. Blicken Sie wehmütig auf diese Zeit zurück?
Nein. Ich habe einen wunderbaren Übergang in den Ruhestand erleben dürfen – mit meiner Nachfolgerin Pastorin Anke Garhammer-Paul an meiner Seite. Schon während der gemeinsamen Zeit konnte ich beruhigt loslassen, denn ich wusste alles in guten Händen. Jetzt fühle ich mich wohl als Wennigser Bürger, denn meine Frau und ich leben hier gern. Das geht nicht nur mir so. Wussten Sie, dass inzwischen sieben pensionierte Pastoren in Wennigsen leben? Da muss an Wennigsen doch was dran sein!
Wie oft besuchen Sie denn noch den Gottesdienst?
Wenn ich jetzt Konfirmand wäre, müsste ich mit einem vorwurfsvollen Blick rechnen. Ich gehe dann hin, wenn mir danach ist oder wenn ich Zeit habe. Auch wenn das nicht mehr so oft ist, ist mir der Gottesdienst ein Bedürfnis.
Sie reisen gern. Welches ist Ihr Lieblingsreiseziel? Und worauf freuen Sie sich am meisten, wenn die Rückreise ansteht?
Ich hatte noch zwei Jahre lang nach der Pensionierung auf Anfrage Notdienst als Religionslehrer an der Waldorfschule in Sorsum gemacht. Aber seit diesem Schuljahr bin ich frei in der Planung. Im September waren wir z.B. fünf Wochen mit Freunden aus Wennigsen in Süditalien unterwegs. Ich brauche Kultur im Urlaub. Deswegen liebe ich die Mittelmeerregion. Worauf ich mich am meisten freue, wenn ich zurück bin? Auf vertraute Gesichter und die nächste Reise.
Mal abgesehen von der Klosterbühne: Was macht Wennigsen lebenswert? Und was könnte besser werden?
Ich bin 1981 von Hannover nach Wennigsen gekommen. Damals fand ich diese Mischung aus dörflichen und städtischen Strukturen in der Wennigser Bevölkerung so interessant. Auch in meiner Arbeit.
Ich bin der Meinung, dass der Mensch irgendwo zu Hause sein muss. Und das hat mit den Menschen um ihn herum zu tun. Wir fühlen uns in Wennigsen zu Hause – eben wegen der Menschen. Ich denke, dass jetzt die nächste und übernächste Generation dran ist, in Wennigsen etwas besser zu machen. Wenn man vor 30 Jahren eine gute Idee hatte, dann gab es viele im öffentlichen Leben, die daran rummäkelten, ohne selber etwas Positives einzubringen. Das war fast eine Mäkelergeneration. Das hat sich im Laufe der Jahre zum kreativen Mitmachen hin verändert, obwohl ...
Sie sind Autor auf myheimat.de, dem Mitmachportal der Calenberger Zeitung. Warum?
Um ein breiteres Publikum Anteil nehmen zu lassen an dem, was ich wichtig finde. Und um beispielhaft zu zeigen, was Eigeninitiative bewirken kann. Und das ist in den unterschiedlichsten Bereichen des Lebens aktiv oder passiv in so einem Ort wie Wennigsen möglich.
Karten für den Einakter „Das Orchester“ gibt es im Kirchenbüro bei Beate Nandzik, Telefon (05103) 2230, und bei Burkhard Gums, Telefon (05103) 7248. Die Karten sind Platzberechtigungskarten. Der Eintritt ist frei, um Spenden wird gebeten.
Die Aufführung im Klostersaal Wennigsen ist am Freitag, 11. März, Sonnabend, 12. März, Sonntag, 13. März, Mittwoch, 16. März, Freitag, 18. März, Sonnabend, 19. März und Sonntag, 20. März zu sehen. Die Sonntagaufführungen beginnen um 17 Uhr, alle anderen um 19.30 Uhr.