Die Hackordnung im globalen Hühnerstall
Der Welthandel bleibt unfair und ruiniert kleine ProduzentInnen in Entwicklungsländern. Die Europäische Union (EU) mischt munter mit, trotz aller hehren Bekenntnisse zu nachhaltiger Entwicklung und Bekämpfung der weltweiten Armut. Weiterhin überschwemmt die EU Entwicklungsländer mit Agrarprodukten zu Dumpingpreisen. Zum Beispiel mit Hühnchenfleisch. Der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) hat jüngst eine aktualisierte Broschüre veröffentlicht, die deutlich macht, dass der Export von Hühnchen aus der EU in west- und zentralafrikanische Länder weiter wächst.
Die Ausfuhr von Geflügel aus der EU in afrikanische Staaten betrug im vergangenen Jahr 150.000 Tonnen, viermal mehr als noch 1996 (35.000 Tonnen). Die Folge: Die lokale Hühnchenproduktion kollabiert in vielen westafrikanischen Staaten. Konkret bedeutet dies, dass ganze Familien, die sich mit Kleinkrediten eine wirtschaftliche Existenz mit der Zucht und dem Verkauf von Hühnern aufgebaut haben, in die Armut getrieben werden. Denn gegen die Dumpingpreise der EU-Hühnchen können die Kleinbauern in Afrika nicht ansatzweise konkurrieren. In Ghana mussten deshalb 95 Prozent der Hühnerzüchter die Produktion aufgeben – eine Katastrophe für die betroffenen Menschen und ein Rückschlag für die ghanaische Wirtschaft und eine eigenständige Nahrungsmittelproduktion.
(Der Animationsclip “Welthandel” von den Autoren Jan Künzl und Jörn Barkemeyer stammt aus der informativen Reihe “WissensWerte” von e-politik.de.)
Warum sind EU-Hühnchen billiger als afrikanische?
Man sollte meinen, dass Hühnchen aus der EU, das in Kühlschiffen bis Afrika transportiert wird, deutlich teurer sein müsste als lokal vor Ort produziertes Hühnchen. Doch dem ist nicht so. Die Hühnerzucht in der EU ist hoch technisiert und erfolgt in riesigen Farmen, mit hohen Kosten für Tier und Umwelt, aber mit niedrigen Produktionskosten. Dazu kommt, dass wir Europäer fast nur noch die Hühnerbrust kaufen und essen; der Rest des Huhns hat dementsprechend keinen hohen Verkaufswert in Europa. So lohnt es sich das „Restfleisch“ zu verschiffen, wo es zu Dumpingpreisen angeboten werden kann.
Ghana, ein Land, welches besonders von Importen von Hühnchen aus der EU betroffen ist, hat nach Protesten der Bevölkerung 2003 versucht, die Importe zu regulieren und eine Zollerhöhung beschlossen. Doch Ghana verhandelte eben zu jener Zeit über einen neuen Kredit mit Weltbank und dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und diese forderten mit Unterstützung der EU keine Zölle zu erhöhen. Und da Ghana von den Weltbank- und IWF-Krediten abhängig war, wurde die geplante Erhöhung nicht umgesetzt. Der damalige IWF-Direktor war übrigens kein geringer als Horst Köhler, der sich später als Bundespräsident besonders um bessere Entwicklungszusammenarbeit, vor allem mit Afrika, eingesetzt hat.
Kamerun schließt die Tore
Dass es auch anders geht hat Kamerun gezeigt. Dort haben sich KleinproduzentInnen zusammengeschlossen und eine landesweite Kampagne gegen die Import-Hühnchen gestartet. Sie klärten die Bevölkerung nicht nur darüber auf, dass die Einfuhren die lokale Produktion vor Ort zerstört, sondern auch, dass das EU-Fleisch eine Gesundheitsgefährdung darstellt. Ab dem Zeitpunkt, wo die Hühnchen in den afrikanischen Häfen ankommen, ist eine funktionierende Kühlkette nicht mehr gewährleistet. Im Gegenteil, das Fleisch wird meist auf offenen Wagen bei tropischen Temperaturen zu den Märkten transportiert.
Schlussendlich war der Druck der Straße so groß, dass die kamerunsche Regierung ein Importverbot für die EU-Hühnchenteile erließ. Es gilt bis heute. Doch das Beispiel Ghana zeigt, dass nicht alle Länder die Möglichkeiten haben sich gegen starke Welthandelspartner aufzulehnen. Notwendig ist vor allem ein Einlenken der EU. Die Exporte von Agrarprodukten müssen reguliert werden und sich an den Zielen der nachhaltigen Entwicklung und Armutsbekämpfung in den Entwicklungsländern orientieren.
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Sehr informativer Beitrag!