So ging einkaufen vor fast hundert Jahren

"Aber den wirftst du doch wohl nicht weg!", fuhr ich meine Mutter an. "Ja, aber ich muss doch diese alten Briefe weg tun, wer liest das denn noch.", gab sie zurück. "Ja, aber doch nicht Uropas Einkaufsschreiben, so was findet man doch gar nicht mehr, eben weil es nur alltäglich ist." Ich klaube den Brief aus dem Papierkorb.

Vielleicht hat sie recht, vielleicht liest es wirklich keiner mehr. Und viele können die deutsche Schrift auch schon gar nicht mehr lesen. Aber wie kann sich sonst heute die Internetgeneration vorstellen, wie einkaufen vor fast hundert Jahren war? In einer Zeit, in der man mit wenigen Mausklicks Informationen über Preise erhält und mit einem weiteren Mausklick bestellt? Wieso dieses Schreiben überhaupt bis heute überdauert hat, keine Ahnung. Vielleicht, weil man die freie Rückseite noch nutzen wollte? Weil man nochmals bestellen wollte? Da es nun schon so einige Räumaktionen überdauert hat, habe ich es ein weiteres Mal---aufgehoben.

Und hier der Inhalt (bis auf ein unentziffertes Wort):

Bünighausen, Post Adorf.(i.Waldeck.) den 9ten Juli 1918
Geehrter Herr William Pearson in Hamburg!
Bitte seien Sie doch so gut und übersenden Sie
mir den jetzigen Preise nach auf Nachnahme
durch die Post von Ihren werden Sachen wie folgt:
Medol eine Litterflasche wovon früherer Preis fünf Mark war.
Creolin-Hufschmiere eine fünf Pfund-Dose wovon früherer Preis vier Mark und fünfzig Pfennige war.
Creolin-Toilette-Seife Karton von drei Stück wovon früherer Preis eine Mark und achtzig Pfg. war.
Creolin-Desinfektions-Pulver eine 500 Gramm-Dose wovon früherer Preis fünfzig Pfg. war.
Creolin eine 500 Grammflasche wovon früherer Preis zwei Mark und vierzig Pfennig war.
…?Spiritus eine Litterflasche voll wovon ich keinen Preis weis.
Aller Vorsicht halber können Sie doch so gut sein und mir von diesen hier
oben Genannten allen zusammen erst bevor Sie Dasselbe abschicken eher Ihren werten
Preis an Mitteilung mir zugehen lassen.
Hochachtend
Landw. W. Schröder