Schlunchi und der Geist in der Flasche
3. Schlunchi und der Geist in der
Flasche
Es war ein schöner warmer Sommertag,
als Schlunchi durch die Gegend
lief und sich an den Blumen erfreute.
Er hatte Ferien. Da war alles doppelt
so schön und doppelt so bunt. Alles
roch so schön und er hatte so richtig
gute Laune. Er lief gerade über eine
Wiese in Richtung des Waldes, las
Schlunchi plötzlich etwas hörte. Es
war ein Geräusch, von dem man
nicht so genau sagen konnte, wo es
her kommt oder was es überhaupt
war. Ein Pfeifen oder ein Wispern?
Er entschied sich, der Sache auf den
Grund zu gehen. Er hatte ja Zeit.
Detektiv Schlunchi hat den Fall
übernommen. Ihm fehlte nur noch
eine Pfeife und eine Lupe, dann hätte
man denken können, Sherlock
Holmes läuft über die Wiese. Na gut,
er trug keine Kappe sondern seine
Pudelmütze, aber wer wird denn
kleinlich sein.
Als Schlunchi nach einer halben
Ewigkeit endlich gefunden hatte,
wonach er suchte, blieb er wie angewurzelt
stehen. Das Pfeifen kam aus
einer Flasche, die dort am Wegesrand
stand.
Sofort fing Schlunchi an, sich allerlei
auszudenken. Er ging langsam um die
Flasche herum und sah sie sich an.
Solch eine Flasche hatte er noch
niemals gesehen. Sie war braun und
bauchig. Nun ja, das waren andere
Flaschen auch. Sie hatte aber etwas,
was andere Flaschen nicht hatten. Sie
machte Geräusche. Genauer gesagt,
aus ihr kamen Geräusche. Das war
unheimlich.
Schlunchi ließ sich ins Gras
plumpsen und überlegte. Natürlich
ohne die Flasche aus den Augen zu
lassen. Nach längerer Zeit fiel
Schlunchi etwas ein. Er hatte vor gar
nicht langer Zeit ein Buch gelesen.
Darin war von einer Flasche die
Rede, in der ein Flaschengeist
wohnte. Wenn man solch eine
Flasche findet, hat man drei Wünsche
frei. Mindestens.
Schlunchi dachte nach was er sich
wünschen könnte und wurde noch
fröhlicher als er vorher schon war.
Was würde er sich alles wünschen?
Zuallererst einmal eine riesige
Schokoladentorte. Dann dachte er an
seinen Zahnarztbesuch und fand
diese Idee doch nicht mehr so toll.
Ein Spielzeugauto, nein besser eine
Spielzeugeisenbahn. Die wollte er
schon immer haben. Danach
wünschte er sich, einmal mit einem
Flugzeug zu fliegen. „Den dritten
Wunsch hebe ich mir auf. Für
später.“ sagte Schlunchi zu sich
selber. „Sollte es noch mehr
Wünsche geben? Auch gut!“ So
richtig wusste er jetzt aber doch
nicht weiter. Was musste man denn
mit der Flasche anstellen? Oder, was
ist, wenn ein böser Geist in der
Flasche wohnt? So etwas liest man ja
jetzt immer wieder. Er grübelte.
Dann beschloss er, dass der Geist,
der in dieser, in seiner Flasche
wohnt, der beste Geist ist, der jemals
in einer Flasche lebte, und das er,
Schlunchi, von diesem Geist, alle
seine Wünsche erfüllt bekommen
würde. Vielleicht ja sogar die
Schokoladentorte. Ihm war nämlich
eingefallen, dass er ja den dritten
Wunsch dafür benützen könnte,
wenn er jemals wieder
Zahnschmerzen bekommen sollte,
sich diese weg zu wünschen. Genau!
Jetzt war alles geklärt.
Schlunchi ging zur Flasche, hob sie
auf.....und wurde blass. Im selben
Augenblick, als er die Flasche anhob,
hörte sie auf zu pfeifen. Er war ratlos.
Hatte er den Geist verärgert. Ist
eine Spielzeugeisenbahn vielleicht
zuviel für einen Wunsch und musste
man dafür 2 Wünsche hergeben. Er
wusste es nicht. Er stellte die Flasche
wieder ab....und das Geräusch war
wieder da. Das war ja äußerst
seltsam. Er probierte es nochmals. Er
hob die Flasche an. Das Geräusch
war weg. Er stellte sie zurück und
alles war beim alten.
Wie sollte er sich denn etwas
wünschen, wenn er die Flasche nicht
mitnehmen konnte? Er konnte sie
doch nicht einfach hier stehen lassen.
Womöglich fand sie jemand anderes
und dann war seine schöne Schokoladentorte
futsch. Er musste eine
Lösung finden. Und zwar schnell.
Er robbte ganz langsam und
vorsichtig in Richtung der Flasche,
klopfte ans Glas und sagte leise
„Hallo, Herr Geist. Ich hätte da mal
3 Wünsche.“ wenn irgend jemand in
diesem Augenblick vorbei gekommen
wäre, hätte er sicherlich gelacht. Es
war auch ein zu komisches Bild.
Stellt Euch einmal vor, wie es aussieht,
wenn ein kleines Walross, mit
einer Pudelmütze, auf der Wiese vor
einer Flasche liegt, und mit dieser
spricht. Ihr würdet doch sicher auch
lachen. Zum Glück kam aber
niemand.
Schlunchi war am verzweifeln. Erst
hört der Geist auf, zu pfeifen, wenn
er die Flasche hoch hebt und jetzt
antwortet er nicht einmal, wenn man
ihn höflich grüßt. „Herr Geist“, sagte
Schlunchi, nun schon etwas beleidigt,
„Sie sind der unhöflichste Geist, der
mir je begegnet ist.“ Das stimmte
sogar, denn bisher war Schlunchi
noch nie ein Geist begegnet.
Schlunchi gab auf. Er sah ein, dass er
sich wohl doch nichts wünschen
konnte. Die Spielzeugeisenbahn
würde er sich wohl doch vom Weihnachtsmann
bringen lassen müssen.
Da wurde ihm bewusst, wie lange es
noch bis Weihnachten war, und er
wurde trübsinnig.
Auf einmal, aus heiterem Himmel,
bekam Schlunchi plötzlich eine Idee.
Da gab es doch, auf der anderen
Seite des Waldes, den alten weisen
Kater Tom. Der wusste immer alles.
Der würde auch wissen, wie man dem
Flaschengeist erklären konnte, dass
man schließlich 3 Wünsche frei hat
und ganz dringend eine Eisenbahn
braucht.
Er schöpfte sofort neuen Mut. Dann
nahm er die Flasche, steckte sie ein
und ging schnurstracks zum Wald.
Man konnte nun wieder ein lautes
Pfeifen hören. Das kam aber nicht
aus der Flasche, sondern das Pfeifen
kam von Schlunchi. Er war wieder
fröhlich und es wandert sich nun
einmal besser, mit einem Liedchen
auf den Lippen.
Nach kurzer Zeit war er am Ziel.
Kater Tom lag in der Sonne und
schlief.
Schlunchi räusperte sich und sagte
leise „ Hallo“. Er flüsterte fast, aber
der Kater öffnete ein Auge, stellte
fest, dass keine Gefahr für ihn
bestand und klappte das Auge wieder
zu. Das war alles. „Hallo, Herr
Tom“, sagte Schlunchi ein wenig
lauter. Kater Tom drehte sich um,
und schlief weiter.
Als Schlunchi aber traurig wurde und
leise sagte „Schade, ich dachte, Sie
könnten mir helfen. Dann schlafen
Sie mal gut.“, sich umdrehte und mit
hängenden Schultern weggehen
wollte, hörte man eine tiefe,
freundliche Stimme. „ Nun komm
schon her. Was gibt es denn? Was
hast Du für Kummer?“
Da blieb Schlunchi stehen, drehte
sich um und setzte sich vor Tom.
Dann erzählte er alles. Wie er über
die Wiese lief. Wie er die Flasche
fand. Wie die Flasche immer dann
aufhörte zu pfeifen, wenn er sie in
der Hand hatte. Er erzählte
besonders ausführlich von der
Schokoladentorte und seiner Idee mit
den Zahnschmerzwegwünschen. Und
er erzählte natürlich von der Eisenbahn.
Kater Tom hörte aufmerksam
zu und fing ein ganz wenig an zu
schmunzeln. „Soso“, sagte er
schließlich zu Schlunchi, „immer
wenn Du die Flasche auf die Wiese
stellst, dann pfeift sie.“ „Ja“, sagte
Schlunchi, freudig erregt. Zum
Beweis stellte er sie auf den Boden.
Aber, Oh Schreck, die Flasche blieb
still. Wo war der Geist hin? Hatte er
ihn unterwegs verloren, war er
einfach rausgerutscht?
„Stell doch mal die Flasche dort auf
diesen Stein.“ sagte Kater Tom. Er
zeigte auf einen Felsvorsprung, der
etwas höher lag. Schlunchi musste
klettern. Aber was tut man nicht
alles, wenn man 3 Wünsche in
Aussicht hat. Er stellte die Flasche
ab. Tatsächlich, sie pfiff. Diesmal
sogar noch viel lauter als vorhin. Der
Geist war also nicht verloren
gegangen.
Er war sicher durch die Schaukelei
beim Tragen nur müde geworden. So
etwas passiert. Manche Leute
schlafen beim Auto fahren auch
immer sofort ein, weil das so schön
schaukelt.
„Jetzt fass die Flasche einmal an“,
sagte der Kater. Schlunchi trat
vorsichtig näher, zögerte noch ein
wenig und griff dann zu. Der Ton
war immer noch da. Er hatte es
geschafft. Er stellte sich die vielen
Gleise vor, über die seine Eisenbahn
bald fahren würde, als Kater Tom
sagte, er solle die Flasche zu ihm
bringen. Schlunchi holte die Flasche,
die sofort wieder verstummte. Er gab
sie Kater Tom. Dieser nahm sie,
legte sie an die Lippen und blies ganz
leicht darüber hinweg. Das Pfeifen
war deutlich zu hören. Schlunchi sah
verwirrt aus. „Du hast recht“, fing
Kater Tom an, „es wohnt wirklich
ein Geist in der Flasche. Dieser Geist
hat sogar einen Namen. Er heißt
Wind.“ „Ist ja ein blöder Name für
einen Flaschengeist“, dachte
Schlunchi, sagte aber nichts. „Alles
was Du gehört hast, war der Wind,
der über die Öffnung strich..
Deshalb war der Ton dort oben auf
dem Felsen auch lauter als woanders,
weil dort der Wind stärker wehte.
Immer wenn Du die Flasche aufgehoben
hast, konnte der Wind nicht
mehr an die Öffnung, weil Du davor
standst. Deshalb war es dann still.“
Jetzt wusste Schlunchi nicht, ob er
traurig sein oder ob er lachen sollte.
Er hatte sich ganz schön an der Nase
herum führen lassen. Als er noch
überlegte, meldete sich noch einmal
Kater Tom zu Wort. „ Nun sei nicht
so enttäuscht. Wenn Du Lust hast,
kannst Du ja versuchen, auf der
Flasche ein Liedchen zu pfeifen.
Dann kannst Du sagen, der Geist
singt. Das wäre alles.“
Für Kater Tom war damit das
Gespräch beendet. Er drehte sich
wieder in seine Lieblingsposition und
machte die Augen zu.
Schlunchi aber besah sich die
Flasche. Eigentlich wollte er ja eine
Eisenbahn. Aber einen singenden
Geist hat ja schließlich auch nicht
jeder, tröstete er sich. Er nahm die
Flasche an die Lippen und pustete
leicht darüber hinweg. Es war gar
nicht so einfach, einen Ton zu
erzeugen. Man wird ganz schön üben
müssen, um ein Lied zu schaffen. Na
und? Dann wird er halt üben. Er wird
bestimmt einmal das berühmteste
Flasche blasende Walross der Welt.
Dann marschierte er in die Richtung
zurück, aus der er gekommen war.
Immer noch die Flasche, wie eine
Flöte erhoben. Kater Tom blinzelte
nochmals, lächelte zufrieden und fing
an zu schnarchen.
Als Schlunchi dann Zuhause ankam,
war es langsam spät geworden. Er
hatte zwar Ferien, aber irgendwann
muss er ja trotzdem einmal schlafen.
Die Flasche stellte er stolz auf seinen
Nachttisch. Für ihn war es eine
Flasche, in der ein Flaschengeist Zuhause war. Und er allein könnte ihn
zum singen bringen.
Schlunchi ging ins Bett, denn nach
solchen Abenteuern ist man müde.
Schlunchi ganz besonders. Morgen
ist ja auch noch ein Tag. Da wird er
sicher wieder etwas erleben. Und
wenn nicht, dann könnte er ja weiter
üben. Er wollte ja schließlich ein
berühmter Musiker werden. In der
Nacht träumte er von
Flaschengeistern, die alle in einem
großen Orchester Musik machten.
aus dem 2008 erschienenen Buch "Die Abenteuer von Schlunchi, dem kleinen Walroß" -- Bilder von Anneliese Rieger