ÖDP fordert Aigner-Rücktritt Maier: "Skandalös - Expertengremium wird von Gentechnik-Lobbyisten dominiert."
"Es ist ein Skandal, dass 9 von 13 Mitgliedern der Expertenkommission für genetisch veränderte Lebens- und Futtermittel des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) und einige seiner hochrangigen Mitarbeiter in enger Verbindung zur Agroindustrie, zu industrienahen Organisationen und wissenschaftlichen Zirkeln, die die Anwendung
der Gentechnik befürworten, stehen." Das sagt Ludwig Maier, Sprecher des Bundesarbeitskreises Landwirtschaft, Gentechnik und Tierschutz in der Ökologisch-Demokratischen Partei (ÖDP).
Er bezieht sich dabei auf einen Report von Testbiotech, eines gentechnisch-kritischen Vereins, der schwere Interessenkonflikte innerhalb des BfR aufzeigt. "Im Interesse aller müssen gentechnisch veränderte Organismen und daraus hergestellte Produkte in ihrer Auswirkungen auf Mensch, Umwelt und Natur kritisch geprüft werden. Deren Bewertung muss von unabhängigen Experten und Instituten durchgeführt, Entscheidungen müssen unabhängig von ökonomischen Interessen getroffen werden", erläutert ÖDP-Politiker Maier. Wie Testbiotech herausgefunden hat, haben einige Experten in ihren Stellungnahmen gegenüber dem BfR über Interessenkonflikte unzureichende Angaben gemacht.
Darüber hinaus hat Testbiotech auch bei den Bundesforschungsinstituten des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) Interessenkonflikte festgestellt.
Wenn man sich alle Verflechtungen von Mitarbeitern staatlicher Behörden mit der Industrie anschaut, wird deutlich, dass es sich nicht um rein zufällige Kontakte zur Industrie handeln kann. Es deutet alles darauf hin, dass es sich um organisierte Einflussnahme handeln muss.
Maier wirft Ministerin Aigner schwere Versäumnisse vor. "Wie kann es sein, dass die Ministerin es zulässt, dass das BfR als rechtsfähige Bundesbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (BMELV) von der Gentechnik-Lobby unterwandert wird? Hat Frau Aigner vergessen, wem sie als
Ministerin verpflichtet ist? Oder hat sie ´nur´ ihr Ministerium nicht im Griff?
Frau Aigner, tragen Sie die politische Verantwortung für diesen Skandal und treten Sie zurück!"
Maier fordert, dass die Regeln für die Besetzung von Gremien, die mit der Risikobewertung und der Forschungsförderung im Bereich der Gen- und Biotechnologie befasst sind, umgehend zu ändern und die Gremien entsprechend neu zu besetzen sind. Darüber hinaus sei die Bundesregierung aufgefordert, die derzeitigen Besetzungsrichtlinien für alle anderen Gremien zu überprüfen und die notwendigen Veränderungen in den Richtlinien und der Besetzung der Gremien vorzunehmen.
Der Testbiotech-Report führt an, dass die BfR-Expertenkommission in umstrittenen Fällen mehrmals zugunsten der Gentechnik-Lobby beraten hat. Als Beispiele werden die Zulassung der genetisch veränderten Sojasorte MON87701 und die Haltung der Expertenkommission zu der Frage, ob DNA-Bestandteile von gentechnisch veränderten Futterpflanzen in tierisches Gewebe übergehen können, angeführt.
Testbiotech hat die möglichen Interessenkonflikte der BfR-Experten detailliert aufgelistet. So zum Beispiel Gerhard Eisenbrand, der mehrere mögliche Interessenkonflikte zwar offenlegt, dessen Erklärungen jedoch lückenhaft sein sollen. Testbiotech bezeichnet ihn "als einen der einflussreichsten Lobbyisten der internationalen Lebensmittelindustrie". Herr Eisenbrand ist u.a. Geschäftsführer und wissenschaftlicher Direktor von ILSI Europe, dem europäischen Arm des International Life Science Institute, das von der Lebensmittelindustrie und Agrar- und Gentechnikkonzernen (z.B. Monsanto Europe, Bayer CropScience BioScience, BASF, Nestle, Syngenta Crop Protection, Kraft Foods Europe) finanziert wird. Testbiotech kommt in ihrem Report zu dem Ergebnis, dass Herr Eisenbrand über seine Kontakte zur Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG), zum BfR, Beirat des Bundes für Lebensmittelrecht und Lebensmittelkunde (BLL) und zum ILSI zu den Personen gehört, "die im Zentrum eines dichten Netzwerkes zwischen Industrie und deutschen Behörden stehen, das eine organisierte und systematische Einflussnahme ermöglicht."