"Tiefgang am See"
Tiefgang (und Treffen) am See Gartenfest der Akademie für Politische Bildung Tutzing
Direktorin Prof. Ursula Münch über Populismus, demografische Entwicklung und
Digitalisierung als Herausforderung für die Demokratie
So viele Freunde, so eine Freude - 450 Gäste trafen sich an einem lauen Sommerabend im Rosengarten der Akademie. Dabei kam die
politische Bildung nicht zu kurz. 3D bestimmte die Ansprache von
Akademiedirektorin Prof. Dr. Ursula Münch, oder besser gesagt, drei Ds:
Demokratie, Demografie und Digitalisierung.
Das erste D, die Demokratie, ist derzeit herausgefordert durch Populismus und Nationalismus und wird vor allem
geschützt durch eine aktive Zivilgesellschaft und eine unabhängige
Justiz. "Institutionen zu haben, die unbequem sind, ist unabdingbare
Voraussetzung funktionierender Gewaltenteilung und einer freiheitlichen Demokratie", erklärte Ursula Münch und fügte hinzu:
"Wir erleben in diesen Tagen im EU-Mitgliedstaat Polen einen höchst
befremdlichen und besorgniserregenden Eingriff in die Freiheit der
Justiz. Dieser Eingriff stellt auch die Europäische Union vor eine
massive Herausforderung: Schließlich ist die Wahrung der
Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union keine
innere Angelegenheit."Ein Mitgliedstaat, der kein Rechtsstaat ist, hat keinen legitimen Platz in dieser Union. Prof. Dr. Ursula Münch zur verfassungspolitischen Entwicklung in Polen.Das zweite D, die Demografie, werde von der bundesdeutschen Gesellschaft verdrängt. Bisher habe man auch in der
Akademie verkündet: Wir werden älter, weniger und bunter. Doch die
Migrationsbewegung der vergangenen Jahre hat den Bevölkerungsrückgang
aufgehalten, macht die Gesellschaft bunter als je zuvor - und verschafft damit den Populisten Zulauf, die auf Homogenität und
Identität setzen. Zudem hat es Auswirkungen auf die Demokratie, da ein
nennenswerter Teil der Bevölkerung zwar dauerhaft hier lebt, arbeitet,
Steuern und Sozialbeiträge bezahlt, aber mangels Staatsbürgerschaft von der Hauptform demokratischer Teilhabe ausgeschlossen ist. "Ob und
wie wir mit diesem Ungleichgewicht umgehen, wird nicht nur die künftige
Stimmung in unserem Land massiv beeinflussen, sondern auch die
Legitimität unseres politischen Systems", meint Münch.Das dritte D, die Digitalisierung, hat das Potenzial, den Elitenverdruss in großen Teilen der Bevölkerung weiter zu
schüren. Denn sie verändert sowohl unsere Kommunikation als auch
etablierte Geschäftsmodelle, und damit die Ansätze der Wirtschafts-, Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik. "Die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer erwarten von der Politik
Rahmenbedingungen, damit die digitale Welt auch Arbeitswelt für alle
bleibt, damit die Digitalisierung nicht als Projekt wahrgenommen wird,
dessen Vorteile nur den oberen Zehntausend zu Gute kommen", erläuterte
Münch. Politisch denkende Menschen sollten sich die zentrale Frage
stellen: Wer hat die ökonomische und wer hat die politische Macht, die
neue Plattform-Ökonomie und -Kommunikation zu kontrollieren? Das sei die
Voraussetzung, um der einen Macht eine mögliche Gegenmacht
entgegenzustellen.