Weihnachtsgrüße: Radio Norddeich funkt nicht mehr
- ... Weihnachten 1966 auf Reede vor Port Said auf dem Schwergutfrachter Willi Rickmers ...
- hochgeladen von Friedrich Schröder
Als Junge zog es mich immer wieder zum Wasser. In der Schule lasen wir Rudolf Kienaus „Hans und die Wasserratten“. Ich wohnte am Wasser. An der Este, die durch Buxtehude fließt und in der Elbe mündet. Ich sah die Kümos im Buxtehuder Hafen, die gefüllt waren mit Kreide aus Dänemark und mit Stammholz aus Schweden. Die Kreide war für die nahegelegene Farbenfabrik bestimmt, das Holz wurde zu Sägewerken transportiert. Oft stand ich am Hafen und schaute und staunte.
Um die Weihnachtszeit wurde es unruhig im Elternhaus. Bald würden die Weihnachtsgrüße an deutsche Seeleute auf allen Weltmeeren ausgestrahlt. Immer im Dezember produzierte der Norddeutsche Rundfunk die Sendung „Gruß an Bord“ und sandte die Grüße auf Mittelwelle zu ihren Hörern. Gebannt saßen wir um das Radio herum, hörten das knistern aus dem Äther, wenn ein Sprechfunkgruß die Seemannsfamilie erreichte. Wir waren Mithörer, wir waren dabei, und mein Traum wurde immer stärker und stärker. Du mußt zur See.
Und später erfüllte sich mein Traum. Ich fuhr zur See, auf Frachtschiffen und Tankern, auf allen Weltmeeren. Und ich sandte ebenfalls Grüße nach Haus. Dafür brauchte ich meinem Funker nur die Kennziffer 14 zu sagen für ein kostengünstiges Funktelegramm an Radio Norddeich mit meinem Namen und der Adresse meiner Familie. Die Kennziffer 14 stand für: Fern der Heimat, doch in Gedanken daheim, wünsche ich euch fröhliche Weihnachten. Seit Anfang der 90er sendet Radio Norddeich nicht mehr. Eine Tradition ist auf nimmerwiederhören verloren gegangen.
Aber Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Bewahrung des Feuers. So gehen meine Weihnachtsgrüße heute an alle, die mein „Radio“ lesen.
Frohe Weihnacht und ein glückliches Jahr 2010.
Euer Friedrich Schröder
Weihnachtsgrüße waren oder sind immer auch ein Spiegelbild ihrer Zeit. Auf See erlebte man das genauso wie die Menschen an Land. Freudig, emotional angerührt, dankbar. Zu meiner Zeit gab es noch nicht die kommunikative Reizflut, wie sie heute besteht. Deshalb ist es gut, sich daran und an die Lieben, die Grüße austauschten, zu erinnern.
Was wir im Zuge der fortschreitenden Kommunikationstechnik, so viele Vorteile sie haben mag, erreicht haben, dürfte aus meiner Sicht nur ein trauriger Ersatz dafür sein, was wir an gespannter Erwartung erleben durften.
Mit freundlichen Grüßen