Stopp: Biogasanlage Luttmersen (Neustadt am Rübenberge): Normenkontrolleilverfahren erfolgreich
„Im Streit um den Bebauungsplan Nr. 727 „Biomasseanlage Luttmersen“ der Stadt Neustadt am Rübenberge hat nunmehr das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in Lüneburg mit unanfechtbarem Beschluss vom 4. Mai 2012 entschieden. Auf entsprechenden Antrag der Anwohner wurde der Bebauungsplan bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Normenkontrolle in der Hauptsache einstweilen außer Vollzug gesetzt.“
Können sich Biogasinvestoren über kommunale Genehmigungspartner wirklich freuen? Die Frage stellt sich spätestens nach der Entscheidung des OVG Lüneburg vom 4. Mai, in der der Bebauungsplan 727 „Biomasseanlage Luttmersen“ ausgesetzt worden ist. Die Stadt Neustadt am Rübenberge ist gehalten worden, ihre Vorgehensweise in Bauleitverfahren grundsätzlich zu überdenken.
Die Entscheidung des OVG Lüneburg freut bundesweit die Kritiker von Biogasanlagen. Sie haben allesamt ihre speziellen Erfahrungen im Umgang mit Genehmigungsbehörden gemacht. Oft genug sind sachlich vorgebrachte Einwendungen nicht einmal angemessen behandelt worden. Oft scheiterte Kritik an der Unfähigkeit von Verwaltung und Investoren, der Öffentlichkeit Projekte klar und deutlich zu erklären, oder aber auch kritikempfänglich zu sein.
Aus dem Kreis der bundesweit organisierten Kritiker von Biogasanlagen und Mastställen war zu erfahren, dass von kommunalen Verwaltungen allzu leicht eigene Ziele mit denen von Investoren einhergehen können. Vor diesem Hintergrund fehle es oft an der kritischen Distanz der handelnden Personen in Ämtern. Unter dem Vorwand, das Klima retten zu müssen, werde häufig mit der heißen Nadel gestrickt. Die Energiewende mit Biogas vor der Tür herbeiführen zu können, sei oft Leitmotiv für überhitztes Handeln. In voreilendem Eifer werden die Bürger, ihre Rechte, ihre Befindlichkeiten, ihr Umfeld und ihr Schutzbedürfnis schlicht übergangen. Vollendete Tatsachen seien Markenzeichen dafür.
Oft würden Verwalter und Investoren dabei auch auf Uninformiertheit, Trägheit und Interesselosigkeit von Bürgern setzen, sagt man. Sie schmieden die Pläne – etwa für Biogasanlagen - die an der Öffentlichkeit vorbeirauschen wie ein Schiff in der Nacht. Nur den wachen Blicken von Betroffenen und Bürgern sei es zu verdanken, das Gutsherrlichkeit erkannt und, wie im Fall Luttmersen, an den Pranger gestellt wird. Leider ist es das Schicksal von Kritikern, von den Biogasprotagonisten in die Kategorie Feind oder Wutbürger eingeordnet zu werden. Aber wer in solchen Klischees verharrt, dürfte den Zug der Zeit verpennt haben, hat immer noch nicht begriffen, worum es wirklich geht.
Was Verwaltung und Investoren beispielsweise in Springe nicht vermochten, holte die IG Schwarzer Koppelweg mit Hintergrundinformationen über das Biogasprojekt nach, die sie schonungslos in der Öffentlichkeit platzierten. Die IG fand immer mehr Unterstützer, die gleich den Betroffenen davon überzeugt waren, dass die Biogasanlage nicht an den Schwarzen Koppelweg gehört. Die Gasfabrik passt dort nicht hin, weil sie nicht nur ein Landschafts- und Kulturdenkmal nachhaltig verschandelt, sondern auch wegen der katastrophalen Verkehrserschließung sowie der Nähe zu Wohnbebauung, Krankenhaus, Altenheim, Sportzentren und Schulen. Auch das theoretische Modell eines Wärmenutzungskonzepts mag zwar die Ratsmitglieder beeindruckt haben, nicht aber die betroffenen Bürger und Unterstützer der IG Schwarzer Koppelweg.
All diese Ungereimtheiten konzentrierte die IG Schwarzer Koppelweg in einem Normenkontrolleilverfahren, das seit Januar 2012 beim OVG Lüneburg anhängig ist. Die Entscheidung des OVG zur geplanten Biogasanlage Luttmersen macht Mut. In einer Presseerklärung teilten die Leipziger Anwälte der Biogasgegner Luttmersen mit: „Wir freuen uns, dass das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht nunmehr Klarheit geschaffen und die – generelle - Fehlerhaftigkeit der Vorgehensweise der Stadt Neustadt am Rübenberge – die wir von Beginn an gerügt haben - bestätigt hat. Durch die bisherige Praxis wurden die Rechte der Öffentlichkeit erheblich beschnitten. Die Stadt ist nun gehalten, ihre Vorgehensweise in Bauleitplanverfahren grundsätzlich zu überdenken.“
Weiter heißt es der Presseinformation der Leipziger Anwälte: „Die Folgen dieses Beschlusses“, so die Anwaltskanzlei am 14. Mai 2012, „reichen über den entschiedenen Fall weit hinaus. In Anbetracht der Ausführungen des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichtes ist das Schicksal zahlreicher Bauleitpläne - die in entsprechender Weise aufgestellt worden sind – völlig ungewiss.“
Ach Herr Schröder nun wieder. Da werden die wildesten Sachen in selbstbeweihräuchernder Weise in die Normenkontrolle des OVG hineininterpretiert -:). Die Eilentscheidung des OVG ist vollkommen unabhängig vom Gegenstand des B-Plans zu sehen. Es geht in dem Eilverfahren inhaltlich nicht um Aspekte, die eventuell genehmigungsrechtlich gegen eine Biogasanlage sprechen, sondern es geht um Verfahrensfehler, die eine Gemeinde bei der Genehmigung eines B-Plans begangen hat. Bei der Komplexität des dt. Verwaltungs- und Kommunalrechts, das durch Bundes-, Landes- und Ortsrecht oft sehr unübersichtlich ist, passieren sehr viel häufiger Fehler, als in solchen Verfahren gerügt - es interessiert meistens nur keine Sau. In der Sache selbst hat das OVG keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Genehmigung für die Biogasanlage und hält die angeführten Emissionen in der Sache für hinnehmbar für die Anwohner. Wäre der B-Plan wie ursprünglich vorgesehen vorhabenbezogen durchgeführt worden, wäre die Normenkontrolle auch ins Leere gelaufen. Naja für die drei Landwirte bleibt als Trist, dass der Fehler der Gemeinde relativ einfach heilbar sein dürfte und der B-Plan gerettet werden kann. Es zeigt sich aber aus meiner Sicht ein ganz anderes Problem, dass die kommunale Planungshoheit in dem dt. Gesetzesdschungel immer mehr in Konflikt gerät mit der rechtlichen Kompetenz der Kommunen. Das halte ich für sehr bedenklich. Es wäre in einem Land, das zum Vorreiter im Bereich der Erneuerbaren Energien geworden ist, sicherlich ein wichtiges Ziel, raumordnerisch Vorranggebiete für Biomasse/Biogas in den Regionalplänen auszuweisen, anstatt die Biogasanlagen immer mehr in die ortsnahen Gewerbegebiete zu zwingen.