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Schweine, Gülle, Geld – kein Platz für Brot für die Welt

Zugegeben, es ist buchstäblich ein „Scheißthema“. Allein zum Stichwort „Gülle“ spukt Google rund 3,8 Millionen Treffer aus. Angeführt wird die Liste vom Güllesong „De Gülletied“ auf You Tube (sehr empfehlenswert: http://www.youtube.com/watch?v=J-xJyG_fjpQ und setzt sich fort über „Nitrateintrag: Schleichende Vergiftung“, Zeit Online, oder „Deutsche und Holländer streiten um gekochte Gülle“, Die Welt. „Biogas“ kommt auf 15 Millionen, während „Brot für die Welt“ nur auf 1,4 Millionen Treffer kommt. Aber was hat das eine mit dem anderen zu tun?

Während Sonne und Wind als heiß geliebte Subventionserntebringer auf dem Wege in die Konkurrenzfähigkeit mit anderen Energieträgern sind, tobt in der Landwirtschaft der Verteilungskampf. Landwirtschaftliche Pachtflächen erzielen Traumpreise. Das hat seinen Grund: Der Bedarf an zusätzlichen Flächen für den Anbau von Energiemais ist enorm; und der Himmel hängt voller Agrarprämien, die es gilt, einzusacken. Immer mehr Land wird mit Energiepflanzen bestellt: Neben Mais, Gras, Getreide und Zuckerrüben als Substrate für Biogasanlagen werden auf rund 1,16 Millionen Hektar insbesondere Raps und Sonnenblumenkerne als Energiepflanzen angebaut, um Biodiesel, Pflanzenöl und Bioethanol zu erzeugen. Die traditionelle Landwirtschaft wird nach und nach verdrängt. Die Energiewende lässt grüßen! Energiewende mit Biogas und Biodiesel? Wenn das nicht so ernst wäre, wäre das die größte politische Lachnummer in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland.

Agrarüberschüsse gehören nicht auf Komposthaufen oder in Biogasanlagen

Welche Bedeutung sollte die Landwirtschaft für uns haben? Über die Sicherung der Ernährung und Produktion nachwachsender Rohstoffe hinaus, so sagt das Bundesumweltamt, spiele die Landwirtschaft eine wesentliche Rolle für die Regionalpolitik und für die Erhaltung und Entwicklung der Kulturlandschaft. Das könnte man ohne hinzuschauen bedenkenlos unterschreiben. Denn nach wie vor ist die Versorgung mit im Lande produzierten Grundnahrungsmitteln für unsere Existenz wichtig, vor allem was Qualität und Nahrungsmittelkontrolle angehen. Der Luxus der Eigenbedarfsdeckung hat seinen Preis. Dafür, dass die Landwirte, die unsere Grundnahrungsmittel produzieren, unermüdlich ihren Job machen, brauchen sie Marktgarantien und Kompensation bei Ernteausfall wie Frost, Hagel und Regen oder bei Krankheiten im Pflanzen- oder Tierbestand.

Aber seit geraumer Zeit wird den nachwachsenden Rohstoffen das Wort geredet. Stehen wir wirklich vor einem energetischen Kollaps, wie man uns weismachen will? Nur weil wir jetzt nach und nach aus der Atomenergie aussteigen? Ist es gerechtfertigt, nachwachsenden Rohstoffen einen höheren Stellenwert einzuräumen als einer nachhaltigen Nahrungsmittelproduktion, deren Überschüsse nicht auf Komposthaufen landen oder in Biogasanlagen vergast werden? Darf unsere Politik eine Energiewende vollziehen, ohne die Windrichtung zu kennen? Ist es legitim, wenn Industriebauern und ihre Hintermänner satte Subventionen oder Agrarprämien auf Kosten der kleinen Bauern kassieren? Ist das politisch so gewollt, dass die reichen Bauern und ihre Hintermänner noch reicher werden? Soll die bäuerliche Landwirtschaft hierzulande vor die Hunde gehen, nur weil diese die künstlich hochgejubelten Preise für Pachtland nicht mehr bezahlen können? Gab es 2007 noch 321.600 Betriebe, sind es Ende 2010 nur noch gut 300.000. Es muss schon ein Wunder geschehen, um das Höfesterben zu stoppen. Die kleineren Betriebe sind also ebenso Verlierer wie die Umwelt, die unter den Folgen der Intensivlandwirtschaft zu leiden haben.

Weniger ist mehr

Mit den wachsenden Flächen für Energiepflanzen schwindet auch die Hoffnung, Grundbedürfnisse der Ärmsten der Armen sinnvoll befriedigen zu können. Gewiss, man könnte sie mit Geld überhäufen. Aber was sollen sie damit machen? Waffen oder Autos kaufen oder dafür „Brot für die Welt“ anderswo ordern als bei uns? In einem sind wir aber geradezu meisterlich. In der Fleischproduktion. 13 Millionen Rinder, 28 Millionen Schweine, 68 Millionen Masthühner und –hähnchen und etwa 11 Millionen Truthühner und –hähne werden hierzulande systematisch gemästet, um geschlachtet zu werden. Nebenbei bemerkt: Die höchste Dichte an Mastschweinen hat Niedersachsen mit gut 8 Millionen; Nordrhein-Westfalen folgt mit gut 6 Millionen Stück Borstenvieh.

Deutschland ist Meister in der Fleischproduktion. Aber bis das Schlachtvieh im Kühltresen liegt, muss es gefüttert werden, damit es wachsen kann. So nebenbei: Weltweit größter Abnehmer von brasilianischem Soja ist das auf Umweltschutz abonnierte Deutschland. Es wird ganz überwiegend an die „Nutztiere“ verfüttert. Tagaus, tagein füttern, wachsen, entleeren, füttern, wachsen, entleeren usw. Und noch während das Schlachtvieh reift, verdienen die Halter mit dem Verkauf von Mist, Dung, Kot und Gülle, die als Kosubstrat mit hohem Methangehalt begehrtes Einsatzmittel in Biogasanlagen sind, das erste Geld.

Ungeachtet dessen scheinen die unermüdlichen Aktionen von „Brot für die Welt“ ins Leere zu laufen. Denn wer ist bereit, sich an diesem „Neoschweinezyklus“ die Finger schmutzig zu machen und sich der Agrarlobby entgegenzustellen? Die Appelle von „Brot für die Welt“ kommen immer wieder bei Altruisten an. Dazu zählen auch Politiker. Diese geben zwar, weil sie sich dem Gemeinwohl verpflichtet fühlen. Aber politisches Handeln lösen sie deswegen nicht aus. Oder ist das schon einmal vorgekommen? So wird der Entwicklungshilfeminister weiterhin Kerosin verballern und gelegentliche Hilfsprojekte vor Ort anstoßen. Ist er deswegen oder gar die Bundesrepublik Retter der Hungernden in der Welt? Mitnichten! Hier kann nur eine Bündelung der politischen Kompetenzen helfen – die engste Zusammenarbeit von Entwicklungshilfe, Landwirtschaft, Wirtschaft und Umwelt. Nur mit einer abgestimmten Politik könnte eine finanziell effiziente, zielgerichtete und nachhaltige Politik für die Hungernden in der Welt geschmiedet werden. Vor diesem Hintergrund wäre Erkenntnis und Maßnahme, auf den Anbau von Energiepflanzen zu verzichten und stattdessen Körnermais als Saatgut und Nahrungsmittel, Zuckerrüben für die Exportzuckerproduktion und Getreide für Saat anzubauen, damit Brot für die Welt gebacken werden kann.

Wir haben nur eine Erde

Vor diesem Hintergrund ist es nur folgerichtig, an die Politik den Appell zu richten, den Anbau von Energiepflanzen einzustellen, und den Ausbau von Biogas- sowie Ethanolanlagen sofort zu stoppen. Wir wissen, wie solche Anlagen funktionieren, aber gebrauchen tun wir sie heute gewiss nicht. Am Beispiel Biogas wird das deutlich: Heute wird allein auf einer Fläche von rund 800.000 Hektar Energiemais angebaut und zusammen mit Gülle in Biogasanlagen zu Methan vergast. Mit dem Gas werden Blockheizkraftwerke (BHKW) zur Strom- und Wärmeproduktion betrieben. Während die Biogas-BHKWs am Netz 2011 knapp drei Prozent des deutschen Strombedarfs deckten, wurde mit dem größten Teil ihrer Prozesswärme die Umwelt aufgeheizt, anstatt sie sinnvoll zu nutzen. Nicht zuletzt diese Tatsache ist ein Versagen der Ordnungspolitik und ihrer Kontrollorgane. Wer ist berechtigt, den selbst ernannten Energiewirten auf die Finger zu klopfen? Ungeachtet dessen: Die Biogasstrategen rechnen heute schon damit, das 2030, also in 18 Jahren, gut 17 Prozent des deutschen Strombedarfs aus Biogas-BHKWs stammen sollen. Dafür müssten theoretisch knapp fünf Millionen Hektar Energiemais angebaut, geschreddert und vergast werden. Mehrere Zig-Millionen Schweine würden benötigt, das Kosubstrat Gülle zu liefern. Und das lohnt sich für die Schweinebauern allemal:

Betrachtet man die Wertschöpfungskette Schweinebauer – Biogasproduzent – Landwirt, so profitieren alle beispielsweise von den Ausscheidungen der Schweine. 800 Schweine liefern 1.000 Tonnen Gülle. Für eine Biogasanlage in der Größe Springe, Schwarzer Koppelweg, sind die Ausscheidungen von rund 6.880 Mastschweinen nötig. Der Preis für einen Kubikmeter Gülle liegt bei ein bis zwei Euro. Der Schweinebauer verkauft die Gülle an den Biogasproduzenten, sofern er sie nicht selber braucht und erspart sich auf diese Weise Entsorgungskosten. Der Biogasproduzent erhält durch den Gülleeinsatz eine höhere EEG-Vergütung und hat überdies geringere Beschaffungskosten bei alternativen Substraten. Sodann verkauft der Biogasproduzent die Gärreste an Landwirte und kompensiert mit den Erlösen mögliche Entsorgungskosten. Die Landwirte, wie kann es anders sein, müssen weniger industriellen Dünger einkaufen, was die Felderbewirtschaftung wirtschaftlicher macht. Wer vor diesem Hintergrund die politische Absicht haben sollte, diese quasi perfekte Kreislaufwirtschaft zu stören, dürfte ganz ganz schlechte Karten haben. In dieses System passt „Brot für die Welt“ nicht. Aber ist das etwa der richtige Weg?

Ein Beispiel: Ist das der richtige Weg, dass in Holland wegen erheblicher Umweltschäden der Schweinebestand um ¼ reduziert worden ist und die Stilllegungsprämien in Schweinemastbetriebe insbesondere in den neuen Bundesländern investiert werden?

Ein weiteres Beispiel: Ist das der richtige Weg, Ernteüberschüsse an Zwiebeln per LKW von Holland nach Upgant Schott (Ostfriesland) zu transportieren, um sie in Biogasanlagen zu vergasen, wie aktuell berichtet wurde?

Hand aufs Herz: Schweine, Gülle, Geld – es muss Platz sein für mehr Brot für die Welt!

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3 Kommentare

Die angebliche 3-Frucht-Folge, die Landwirte angeblich anbauen, sehe ich nicht in meiner Nähe. Die mit Mais bepflanzten Flächen werden jedes Jahr mehr und jedes Jahr die gleichen Flächen.
Das ist der verkehrte Weg....

Ja, werte Frau Doris Mai,

nicht nur der Regenwald ... Dort galten ja bis zur Zivilisierung (Christianisierung, Kapitalisierung) andere Gesetze: Die Ureinwohner lebten dort seit Jahrtausenden ohne sogenannte Bildung und Schrift, trugen Erfahrungen und Erkenntnisse mündlich an die Nachkommen weiter, alles im Einklang und Gleichgewicht mit der Natur. Es war und ist ihr Land, ohne jegliche neuzeitlich schriftlich verfasste Eigentumsdokumente. Dann kamen moderne zentrale ReGIERungen ... Industrial Disease ... moderner Umzug, da Enteignung nicht nötig war, in sonnige Gefilde, die für viele der Ureinwohner Krankheit und Tod bedeuten, sind sie doch nicht an direktes Sonnenlicht gewöhnt (Immunsystem).

In Deutschland sind viele Kleinbauern und -Landwirte gezwungen, Ackerland an Finanzinvestoren zu verkaufen. Dank EU Subventionswahnsinn (ganz abgesehen von Korruptionsfällen und Filz Politik-Wirtschaft, Vetternwirtschaft, Verschleierung durch Lobby-gesteuerte und abgenickte Gesetze) an Großflächenbesitzer und Massentierhalter gehen uns die Kleinen abhanden. Welcher junge Nachkomme möchte und kann schon das Erbe (Ackerbau und Viehzucht) der Eltern übernehmen, wenn die eigene finanzielle Zukunft nicht einmal die Gründung einer eigenen Familie zuläßt.

Übrigens, überschätzen Sie bitte nicht die WISSENdeN! Die meisten von ihnen sind finanziell abhängig vom Staat, Institutionen, Stiftungen. Wenn nicht, schreiben sie Bücher, die noch mehr Holz (Bäume als grüne Lunge und Kühleffekt auf diesem Planeten) zur Papierverarbeitung kosten.

In diesem Sinne eine lebenswerte Zeit wünschend

U.Lange

Mensch Herr Schröder, jetzt weiß ich auch was damit gemeint ist, dass Menschen je älter sie werden immer mehr die Absicht in sich tragen, ein Denkmal gesetzt zu bekommen. Mit Ihrem staatstragenden Worten machen Sie ja sogar dem guten alten Gandhi Konkurrenz. Wie immer sehr populistisch und vollkommen losgelöst vom simplen 1x1 der Volkswirtschaft bringen Sie da so ziemlich alles durcheinander, was man nur durcheinanderbringen kann. Ich darf mal zusammenfassen:
Sie fordern also ernsthaft eine traditionelle, kleinteilige Landwirtschaft, die dann natürlich deutlich weniger von der gleichen Fläche an Ertrag erwirtschaftet. Das Weniger wird aber auch gar nicht benötigt, da es ja keine Biogasanlagen und Schweinemassentierhaltung mehr gibt, denn die hat Mahatma Schröder ja weltweit abgeschafft. D.h. also, dass Schweinefleisch künftig - wie in den guten alten Zeiten, als die Landwirtschaft noch Landwirtschaft war - ein Luxusartikel ist, den sich ein wachsender Teil der Bevölkerung nicht mehr leisten kann. Die Überschüsse, die die Landwirte dann produzieren (Milchseen, Butterberge ...) die schicken wir - wie in den Hochzeiten neokolonialer Entwicklungspolitik für lau an die Schwatten, die sich dann einen Ast über unser Milchpulver freuen - so sehr, dass gleich mal die gesamte heimische Milchindustrie baden geht. Ja, so etwas nennt mal wohl "vergiftete Geschenke". Sie werden lachen, aber früher haben die Holländer ihre Überschußzwiebeln nicht nach Deutschland verfrachtet, sondern in die Elfenbeinküste - da mußte dann keiner auf so wichtige Lebensmittel wie Zwiebeln verzichten. Ach ja - die Pachtpreise steigen weltweit natürlich an wegen der deutschen Biogasproduktion und nicht etwa, weil das ganze billige frisch geschöpfte Zentralbankgeld seinen Weg mehr und mehr in inflationssichere Anlagenklassen wie Acker- und Weideland findet. Und die Nachfrage nach Weizen an den Warenterminbörsen entspricht auch exakt der realen Nachfragen. Dass hier ruchlose Spekulanten z.T. das 15-fache der Realnachfrage handeln sind Mythen aus einer finsteren Zeit. Ach wie schön war doch die gute alte Zeit - unsere Landwirte wurden herrlich geknechtet von einer profitorientieren Lebensmittelbranche, die auch heute noch großes Interesse daran hat, den Landwirten keine Lieferalternativen zu erschließen. Und Springe scheint ein Dorf, wo sich ein Sheriff sich nicht mehr alleine mit dem Melden von Parksündern begnügen will, sondern Weltpolitik machen will - aber so einfach ist das nicht mit dem Weltändern, da längst alles global geworden ist - da wäre mir fast der Spruch rausgerutscht "Rentner, bleib bei Deinen Parktickets und spiel ein bißerl Golf". Alternativ empfehle ich den Besuch des Fachbereiches Volkswirtschaft an der Uni Hannover als Gasthörer - das erhöht den Durchblick ungemein.

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