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Katastrophal: Springer Schuldenpolitik

Springe ist hoch verschuldet. Zukunftsvertrag mit Entschuldungsfonds könnte die Rettung sein. Die Zeit rennt; am 31. März 2013 ist Ultimo. Zur Vorgeschichte:

Bis 2010 hielten sich die Schulden der Stadt Springe in relativen Grenzen; mit gut 20 Millionen erreichten sie einen vorläufigen Höchststand. Die Kredite wurden fast ausschließlich für Investitionen gebraucht. Dergestalt in der Kreide lässt sich Politik gerade noch gestalten, in der Erwartung respektive Hoffnung, dass neues Geld kommt. Nennenswerte Liquiditätskredite (Kassenkredite) wurden bis dahin nicht aufgenommen.

Das änderte sich schlagartig: 2011 brauchte der Kämmerer 800.000 Euro Liquiditätskredite zur Deckung der Ausgaben. 2012 ging es dann richtig zur Sache: Die Investitionskredite stiegen sprunghaft von 19,3 Mio. Euro in 2011 auf 30,1 Mio. Euro in 2012; zusätzlich mussten 3,8 Mio. Euro Kassenkredite aufgenommen werden, um liquide bleiben zu können. Die Verschuldung der Stadt erreichte mit insgesamt 33,9 Mio. Euro eine bis dahin nicht gekannte Größenordnung. Auch wenn den Schulden kommunale Werte entgegen stehen – an Zinsen und Tilgungen werden dem Haushaltsentwurf 2013 zufolge mehr als 2 Mio. Euro im Haushaltsjahr fällig.

Aber es kommt noch schlimmer: Den Rechenwerken der Verwaltung zufolge ist bis 2016 eine Gesamtverschuldung von rund 80 Mio. Euro geplant. In diesem Zeitraum sollen auch die Kassenkredite explodieren und von 3,8 Mio. Euro auf 27,9 Mio. Euro in 2016 steigen. Ist das noch zu fassen? Wozu braucht die Gemeinde die Kassenkredite? Auf jeden Fall gibt das Raum für Spekulationen. Was treibt die von den Bürgern gewählten Vertrauensleute der Parteien im Rat, dass sie diesen Wildwuchs decken? Ist diese bedrohliche Entwicklung für den Rat solange bedeutungslos, solange die partikularen Ansprüche der Ortsteile befriedigt werden?

Am 17. Dezember 2009 schlossen Landesregierung und kommunale Spitzenverbände in Niedersachsen den sogenannten Zukunftsvertrag mit einem Entschuldungsfonds für hochbelastete Kommunen. Die Laufzeit dieses Fonds war zunächst bis Oktober 2011 begrenzt, wurde unterdessen aber bis zum 31. März 2013 verlängert. Noch vor geraumer Zeit lehnte Bürgermeister Hische solch einen Zukunftsvertrag ab. Denn für geschenktes Geld will das Land die Garantie haben, dass die jeweilige Kommune auch ordentlich wirtschaften kann. Mit anderen Worten, es muss haushaltstechnisch aufgeräumt, die Spreu vom Weizen getrennt und Abschied von kostenträchtigen Demonstrationsprojekten genommen werden. Und das schmeckte der Verwaltung wohl nicht. Stattdessen wurden die Ratsmitglieder mit einem in Eile gestrickten XXL-Sparprogramm konfrontiert.

Dem Vernehmen nach waren die Ratsfraktionen ziemlich erbost über den Alleingang der Verwaltung und sie mochten sich auch nicht mit dem gut 700 Seiten starken Haushaltsentwurf für 2013 anfreunden und genehmigten die Haushaltssatzung in 2012 nicht. So teilte die Verwaltung mit, die nächste Beratung über den Haushalt werde es erst im März 2013 geben. Bis dahin würden nur notwendige Ausgaben getätigt. Man kann sich nicht des Gefühls erwehren, dass die Ratsmitglieder im Rathaus eine absolut schwache Position gegenüber der Verwaltung haben und sich auch sonst nicht wehrhaft zeigen. Sonst hätten sie sich gegenüber die Verwaltung durchgesetzt und einen eigenen Termin anberaumt.

Dass die Haushaltsberatungen für das kommende Jahr aber jetzt sein müssen, dafür spricht, was die Verwaltung auf Seite A9 des Haushaltsentwurfs geschrieben hat: „… Von den Ergebnissen der Beratungen des vorliegenden Entwurfs (A. d. A.: Haushaltsentwurf 2013) wird es abhängen, ob für Springe ein solcher Vertrag (A. d. A.: Zukunftsvertrag) die einzige Lösung sein muss.“

Warum also bestehen die Ratspolitiker nicht darauf, den Zukunftsvertrag zwingend zu verfolgen. Wer hat das Gesetz des Handelns in der Hand, wenn nicht der Rat? Wird jetzt nicht aus Vorsorge beherzt gehandelt, müssen sich die Ratsmitglieder am Ende sagen lassen, der Zug des Zukunftsvertrags sei abgefahren. Ihr wolltet den Haushalt 2013 nicht verabschieden, obwohl die Verwaltung auf Seite A9 des Haushaltsentwurfs den Zukunftsvertrag ausdrücklich als Option erwogen hatte.

Die Zeit drängt also, um zumindestens die Kassenkredite in den Griff zu bekommen. Ganz sicher ist die Laufzeit des Zunkunftsvertrags verlängert worden, um Nachzügler zu motivieren. Der Zukunftsvertrag ist ganz sicher kein Hexenwerk. Allerdings zwingt er zum Umdenken. Bad Münder und Barsinghausen sind beispielhaft vorangegangen. Auch hier bestanden Befürchtungen, kommunales Gemeinwesen würde zusammenbrechen. Darüber spricht heute kaum noch jemand, weil vernunftgesteuerter Pragmatismus die Leitlinie ist.

Und was sagt uns der Zukunftsvertrag? „Nur starke Kommunen sind in der Lage kommunale Selbstverwaltung zum Wohle ihrer Bürgerinnen und Bürger kraftvoll zu gestalten.“ Möge der Geist des Zukunftsvertrags die Springer Politik beflügeln bevor es zu spät ist.

(Quellen: Haushaltsentwurf 2013 der Stadt Springe (Internet), Zukunftsvertrag (Internet), lokale Presse)

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17 Kommentare

Nachtrag:
Der Haushaltspaln 2013 ist der 4. doppische Haushalt. Auf der Website der Stadt Springe ist kein Hinweis auf die Jahresabschlüsse der Vorjahre zu finden. Bis zu welchem Jahr liegen geprüfte Jahresrechnungen vor? Was ist mit den Bilanzen? Eröffnungsbilanz? Jährliche Bilanzen?

In Marburg ist der letzte geprüfte Jahresabschluss aus dem Jahr 2008. Ist das in Springe auch so? Das wäre ein Grund ein richtiges Fass aufzumachen.

Stellen Sie sich vor, ein Kassenwart eines x-beliebigen Vereins hat seit 2008 keinen geprüften Kassenbericht vorgelegt. Was da los wäre. Oder der Geschäftsführer einer GmbH legt zeitnah keinen Jahresabschluss vor. Wenn er Pech hat, kommt er in den Knast. Denken Sie darüber nach!

Sehr geehrter Herr Zeller,

ich bin nicht zum Rechnungsprüfer der Stadt bestellt, dafür fehlen mir die intimen Kenntnisse. Dass ist aber auch nicht, was ich erreichen möchte. Ich möchte erreichen, dass unsere gewählten Vertrauensleute im Rat endlich einmal Format zeigen und sich gegen das - mit Verlaub gesagt - ziemlich autoritäre Diktat der Verwaltung stemmen. Wenn Sie, Herr Zeller, die lokale Presse verfolgen würden, würden sich Ihnen Abgründe auftun, mit welcher Vehemenz Ratsmitglieder doch noch zu ihrem Recht kommen wollen, indem sie nachkarten und dafür die Presse als nachgelegte Diskussionsplattform nutzen.

Natürlich sieht die Gemeindeordnung die Bürgerbeteiligung vor. Aber wenn Sie meinen Leitartikel genau gelesen hätten, wäre ihnen nicht entgangen, dass Öffentlichkeit zu einzelnen Sitzungen zwar zugelassen ist, man seine Beiträge im Rahmen knappester Zeitbudgets einbringen kann, aber eine sachliche Auseinandersetzung findet aus "Zeitgründen" überwiegend nicht statt, vor allem, wenn kritische Themen berührt werden.

Nochmals, es geht nicht darum, nachzuweisen, ob die Gemeinde solide gewirtschaftet hat, sondern es geht unter anderem darum, Licht in das Dunkel zu bekommen, warum von 2003 bis zur letzten Kommunalwahl 2011 kaum Kassenkredite nötig waren und Investitionskredite auf einem Low Level nahezu konstant blieben.

Darauf wollen wir Antworten haben. Ist das zuviel verlangt?

Mit freundlichen Grüßen

Verehrter Herr Schröder,

Demokratietheoretisch mag es ja richtig sein, dass die Verwaltung und die Mehrheit im Rat von sich aus die notwendigen Informationen preisgibt. Realistisch ist dies nicht.

Wenn Sie mit der Verwaltung und der Mehrheit im Rat nicht konform gehen, bleibt Ihnen gar nichts anderes übrig, als sich selbst gründlichst zu informieren und dann mit ihrem Wissen an die Öffentlichkeit zu gehen. Aus meiner mehr als 10-jährigen Erfahrung als "Minderheit in der Opposition" im Landkreis Marburg-Biedenkopf und in der Stadt Marburg: Nur mit fundiertem Wissen haben Sie die Chance mit Ihren Ansichten durchzudringen. Und selbst dann ist es immer noch schwierig.

Sehr geehrter Herr Schröder, Sie müssen kein Rechnungsprüfer sein. Fragen Sie doch einfach mal, von wann die letzte geprüfte Jahresrechnung stammt. Und fragen Sie, wo die Bilanzen der Stadt Springe nachgelesen werden können.

Die Höhe der Verbindlichkeiten alleine, sagt überhaupt nichts darüber aus, ob eine wirtschaftliche Einheit gesund ist oder nicht. 40 Millionen Euro Verbindlichkeiten - bei einer Bilanzsumme von sagen wir 100 Millionen Euro - wären für die meisten Unternehmen in der Bundesrepublik ein blendendes Ergebnis. Also: Wo sind die Bilanzen der Stadt Springe? Wie hoch ist das Eigenkapital? Wie hat sich das in den letzten Jahren entwickelt?

Ohne diese Zahlen ist die Höhe der Verbindlichkeiten überhaupt nicht einzuordnen.

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