Das Springer Naturstrom-Protokoll – Bananen kaufen, in saure Äpfel beißen
Wenn die Stadtwerke Springe und deren Aufsichtsratsvorsitzender Kritik an ihren uneinheitlichen und irreführenden Aussagen vehement von sich weisen, ist das ihr gutes Recht. Aber wird dadurch wahrer, was sie sagten, was in den lokalen Medien zitiert wurde? Wer den Lesern erst weismachen will, dass der Strom in Springe seit dem 1. April nur noch aus Naturstrom bestünde, sollte sich sicher sein.
Jedoch: In Springe kommt der Strom nach wie vor aus der Steckdose und die wird gefüllt mit einem Strommix aus allen Energien. Auch mit dem ungeliebten Strom aus Atomenergie. Wer allerdings seine Werbestrategie auf Vertragsmathematik gründet, muss sich den Vorwurf der Irreführung gefallen lassen. Denn weder der AR-Vorsitzende der Stadtwerke noch deren Mitarbeiter können nachhalten, ob der Natursaft aus Österreich oder der Schweiz hier unverfälscht, also zu 100 Prozent ankommt.
Es mag ja sein, dass die Stadtwerke Lieferverträge mit Wasserkraftwerken X oder Y in Österreich oder der Schweiz, die dazu noch zertifiziert sind, geschlossen haben. Trotz aller Verbalakrobatik bleibt die Tatsache bestehen, dass der Strom in unseren Steckdosen aus vielen Quellen kommt. Die Stadtwerke können mitnichten die Garantie geben, dass aus Steckdosen ihrer Kunden zu keiner Zeit Strom aus Atom kommt. Dies auch mit Blick auf die Behauptung der Stadtwerke, dass der bisherige Kernenergieanteil von 18,3 Prozent seit dem 1. April durch erneuerbare Energien ersetzt worden sei. Dass das ein physikalisches Unding ist, scheint die „Aussteiger“ nicht weiter zu berühren.
Fazit:
Schweizer Strombilanz: Die Stromproduktion aus Atom ist gut doppelt so hoch wie aus Wasserkraft und deckt gut zwei Drittel des Strombedarfs der Schweiz. Warum sollten die Schweizer auf die Idee kommen, ihren Naturstrom, der Teil ihrer Energiebilanz ist, nach Deutschland zu verkaufen? Haben die Schweizer überhaupt kein grünes Gewissen?
Österreichische Strombilanz: Lediglich 29 Prozent stammen aus regenerativen Energien. Der große Rest aus fossilen Anlagen und aus Stromimporten –aus Deutschland und auch Tschechien. Warum sollten die Österreicher auf die Idee kommen, ihren Naturstrom, der zu ihrer Bedarfsdeckung gehört und dessen Erzeugung nicht beliebig erhöht werden kann, nach Deutschland zu verkaufen. Haben die Österreicher etwa kein grünes Gewissen?
Und noch etwas: Es ist doch nicht so, dass bei den Schweizern oder Österreichern der Naturstrom so einfach auf Halde liegt. Nein, er muss im Moment seines Gebrauchs erzeugt werden. Im Sommer wie im Winter. Da tut sich nun ein anderes Problem auf – der Wassermangel im Winter. Aber tun wir so, als wenn es den nicht gäbe. Dann muss der virtuelle Naturstrom, den die Alpenländer nach Springe rund um die Uhr verkaufen, im Gegenzug ausgeglichen werden. Wodurch? Entweder, in dem sie die eigene Erzeugung (in CH auch Atomkraftwerke?) hochfahren, oder durch virtuelle Importe. Und wo kommen die her? Ganz sicher nicht aus deutschen Windenergie- oder Solaranlagen. Die Ausgleichslieferanten wären deutsche, tschechische, italienische oder französische Atom- und Kohlekraftwerke. Was lernen wir daraus?
Virtuelle Naturstromimporte, wie sie in Springe vertrieben werden, vermögen nicht ein einziges Kilowatt Atom- oder Kohlestrom hierzulande zu ersetzen. Das ist keine Haar- oder Kernspalterei, das ist die physikalische Realität. Was bleibt ist der schale Geschmack, kein Ökoprodukt gekauft und nicht wirklich etwas für den Atomausstieg getan zu haben.
Das Springer Naturstrom-Protokoll
NDZ 21.03.2011
Zitate: „Verwaltung soll auf Öko-Strom umstellen“
Die SPD Springe will eine Energiewende im Rathaus einläuten: Die Stadtverwaltung solle für ihre Gebäude künftig nur noch Naturstrom verwenden.
… Die Stadt solle auf die Stadtwerke Springe einwirken, im Basistarif – den die meisten Bürger nutzen – den Anteil an Atomstrom auf Null zu fahren.
… Die Verwaltung soll an alle Bürger appellieren, auf Ökostrom umzustellen.
Deister Anzeiger 02.04.2011
Zitate: „Rat fordert atomfreien Strom auch für städtische Gebäude
Lob für Stadtwerke – Hische: Springe ist Ansporn für Kommunen“
… Seit gestern beziehen alle Kunden der Stadtwerke atomfreien Strom.
… Elke Thielmann-Dittert sagte, sie habe Mitte März mit Geschäftsführer Helmut Rohmann über einen möglichen Ausstieg aus dem Atomstrom gesprochen. Wenige Tage später habe er mitgeteilt, dass die Stadtwerke ab dem 1. April ihren Strom komplett aus erneuerbaren Energien beziehen. „Es wurde schnell und unkompliziert gehandelt“, sagte sie.
… Bürgermeister Jörg-Roger Hische stimmte zu.
… Hische glaubt nicht, dass viele Städte so kurz nach dem Reaktorunfall in Japan und dem erneuten Beginn der Diskussionen um Atomenergie bereits den Ausstieg geschafft haben. „Springe ist Beispiel und Ansporn für andere Kommunen. Das ist toll“, sagte er.
Deister Anzeiger 08.04.2011
Zitate: „Doch fossile Energiequellen für Basisstrom?“
… Irritation um den Strommix der Stadtwerke: … Elke Thielmann-Dittert, hatte im Rat gesagt, dass der Basisstrom der Stadtwerke seit diesem Monat zu 100 Prozent aus erneuerbaren Energien hergestellt werde. Dies habe ihr der Geschäftsführer der Stadtwerke, Helmut Rohmann, mitgeteilt. Deshalb sei ihre Forderung … auch auf fossile Quellen wie zum Beispiel Kohle zur Energiegewinnung vollständig zu verzichten, hinfällig geworden.
… Auf Anfrage des Deister Anzeiger konnten die Mitarbeiter der Stadtwerke keine genauen Informationen zum Strommix geben. Dieser müsse zunächst berechnet werden. Ein Sprecher sagte jedoch, dass der Basisstrom noch fossile Brennstoffe enthalte.
Ein am 08. April an die Redaktion Deister Anzeiger per Email übersandter Leserbrief, der allerdings erst am 29.04.2011 gedruckt wurde, bezweifelte die Seriosität der Aussagen von Politikern und Mitarbeitern der Stadtwerke in diesem Zusammenhang.
Deister Anzeiger 30.04.2011
Zitate: „Stadtwerke legen nun Daten vor“
… Rein physikalisch sei Naturstrom nicht von konventionellem Strom zu unterscheiden. Ausschlaggebend sei, in welchen Kraftwerken er produziert werde.
… Zurzeit bestehe der Basisstrom aus 36,4 Prozent erneuerbarer Energie und 63,6 Prozent fossiler und sonstiger Energieträger. Der bisherige Kernenergieanteil von 18,3 Prozent wurde am 1. April durch erneuerbare Energie ersetzt.
NDZ 03.05.2011
Zitate: „Stadtwerke wehren sich gegen Strom-Vorwürfe – Springer Bürger spricht von Märchengeschichten und Verkaufsmaschen / Energielieferant legt Daten vor“
… Vielmehr sei richtig, dass es zwar physikalisch in Springe nicht genau den Strom gebe, der in Küblis erzeugt wird. Ausschlaggebend sei aber allein, in welchen Kraftwerke er produziert wird.
Ende der Zitate
> "Es mag ja sein, dass die Stadtwerke Lieferverträge mit Wasserkraftwerken X oder Y in Österreich oder der Schweiz, die dazu noch zertifiziert sind, geschlossen haben. Trotz aller Verbalakrobatik bleibt die Tatsache bestehen, dass der Strom in unseren Steckdosen aus vielen Quellen kommt. Die Stadtwerke können mitnichten die Garantie geben, dass aus Steckdosen ihrer Kunden zu keiner Zeit Strom aus Atom kommt."
Richtig!