Zum Jahrestag des Geburtstages des Springer Idols Heinrich Göbel
In der Zeit des Nationalsozialismus wurde am 20. April der Führergeburtstag gefeiert. 1939 war der 20. April sogar ein Feiertag. In dem Jahr wurde auch die damals neu gegründete Mittelschule in Springe nach Heinrich Göbel benannt. Das Zusammentreffen der Geburtstage zweier „Lichtgestalten“ aus der Sicht des nationalsozialistischen Zeitgeistes hat einen nüchternen Blick auf die Göbel-Geschichte damals nicht gefördert.
Am 20. April 1818 wurde Heinrich Göbel in Springe geboren. In der Ausstellung des Museums auf dem Burghof heißt es, nichts spreche dafür, dass er in dem ausgewiesenen Geburtshaus am Oberntor zur Welt kam. Warum dieses Haus trotzdem weiter als Geburtshaus ausgewiesen wird, erfährt man im Museum nicht.
Es gab 1818 kein Einwohnermeldeamt. Von der Geburt Heinrich Göbels zeugt der Eintrag im Kirchenbuch, aus dem der genaue Geburtsort, damals normalerweise das Wohnhaus der Eltern, aber nicht hervorgeht. Der von Hans-Christian Rohde aufgefundene früheste Hinweis auf das Wohnhaus der Familie Göbel datiert von Anfang der 1820er Jahre. Dieses Haus mit der Nummer 96 wurde aber bereits in den 1850er Jahren abgerissen. Nimmt man an, dass die Familie Göbel in den Jahren zwischen Geburt und Quellendatum nicht umzog und die Geburt wie damals üblich zu Hause stattfand, ist das Geburtshaus Heinrich Göbels also schon seit den 1850er Jahren nicht mehr existent.
In dem ausgewiesenen falschen Geburtshaus lebte 1818 der Drechsler Johan Fricke. Nach seinem Tod 1842 wurde das Haus an einen Bruder Heinrich Göbels verkauft, was möglicherweise bei der Vorbereitung der Göbelfeier im Jahr 1929 den Irrtum verursachte, es sei schon 1818 ein Besitz der Familie Göbel gewesen.
Die Leistungszuschreibung von 1929 „Erfinder der Glühlampe“ auf der am falschen Geburtshaus angebrachten Tafel ist unhaltbar.
Die im Jahr 1893 mit der Antizipationsbehauptung befassten US-Gerichte bezweifelten die Geschichte des Heinrich Göbel. Unfähigkeit und nationale Gesinnung führten 30 Jahre später zu einer Falschdarstellung der Ergebnisse der Patentgerichtsverfahren. Heinrich Göbel sagte zudem, sein Lehrer Professor Münchhausen aus Springe hätte das Konzept der Glühlampe erfunden und er hätte dieses umgesetzt. Wer die Wahrheit der Geschichte Göbels annimmt, müsste das Phantom Professor Münchhausen für die Erfindung ehren. In meiner Schulzeit in Springe habe ich nie von ihm gehört, obwohl sein Name bereits im 2. Satz der eidesstattlichen Aussage Heinrich Göbels vom 21. Januar 1893 auftaucht. Professor Münchhausen aus dem fernen Königreich Hannover und nach Göbels Angaben bereits vor 1848 verstorben ist ein Lügenkonstrukt, um zu erklären, woher er gewusst haben will was Edison dokumentiert in 40.000 Seiten Laborbüchern mühevoll erforschte. Es gibt aber nicht den geringsten Hinweis aus der Zeit vor 1880 als Beleg für Wissen und Glühlampenarbeiten Heinrich Göbels. Nicht einmal ein Exemplar der von Heinrich Göbel angeblich hergestellten Uhren, Thermometer, Barometer und geometrischen Instrumente ist jemals aufgetaucht. Alles war Kulisse, um eine vorgetäuschte Erfindung durch einen ebenfalls vorgetäuschten genialen Hersteller feinmechanischer Geräte plausibel zu machen.
Heinrich Göbels 1893 in Erscheinung getretene Lampen hatten zudem eine Rohrform und nichts mit der Edison-Birne auf der Tafel am falschen Geburtshaus gemein. Sein Sohn Henry gab an, er selbst habe diese Rohrlampen zum Zweck des Prozessbetrugs 1892 hergestellt.
In Spanien hat kürzlich eine Gericht entschieden, dass ein angeblich von Chopin benutztes Klavier aus einem Museum in Mallorca zu entfernen ist, da dieses nachweislich erst nach dem Aufenthalt von Chopin in Mallorca hergestellt wurde. „Betrügerische Werbung“ nannte das Gericht die Sache. So muss man es leider auch in Springe nennen, wenn Besucher zu falschen Attraktionen gelockt werden. Die Wegweiser zum Göbelhaus, das falsche Geburtshaus, die unhaltbare Leistungszuschreibung auf der Tafel am Haus und die Designmeisterleistung der weltberühmten Edison-Birne als angebliche Göbel-Leistung sind unlautere Stadtwerbung.
In dem vom Verband der Elektrotechnik (VDE) herausgegebenen Lexikon der Elektrotechniker, Ausgabe 2010, heißt es, dass die in Deutschland verbreitete Vorstellung einer Leistung Heinrich Göbels im Zusammenhang mit der Erfindung der Glühlampe sich inzwischen als falsch erwiesen hat. Die Stadt Springe ist anders als der VDE zur notwendigen Korrektur offenkundig nicht in der Lage.
Wir brauchen keine Denkmale für falsche Helden, keine falschen Geburtshäuser und keine nach zwielichtigen Charakteren benannte Schulen.
Erinnerungskultur muss glaubwürdig sein und sich an unseren Werten orientieren.