Gedanken zum 125. Todestag von Heinrich Göbel
Mit Erscheinen der Göbel-Legende 2007 ging ein Raunen durch Springe. Hatte Göbel die Glühlampe gar nicht erfunden? War Göbel ein Hochstapler, eine Art Münchhausen, wie der Autor der Legende, Hans-Christian Rohde in seiner Dissertation beschrieb? Beide Attribute verstetigte der Autor in seiner Dissertation. Die kühnen Behauptungen des Gymnasiallehrers erregten mediales Interesse über die Stadtgrenzen hinaus in ganz Deutschland. Eiligst wurden einschlägige Lexika, etwa der Brockhaus, bewogen, den Eintrag zu Heinrich Göbel als Erfinder der Glühlampe zu streichen. Der Verlag tat es.
Unterdessen ist mehr Licht ins Unterholz der Rohde-Behauptungen gedrungen. Von verschiedenen Seiten wurde „Die Göbel Legende“ unter die Lupe genommen. Umfangreiche Recherchen kamen in vielen Punkten zu völlig anderen Erkenntnissen als Rohde in seiner Dissertation. Eines muss man dem Autor zugutehalten: Er versuchte das von Propagandisten der Nazis gezeichnete Göbel-Bild zu erhellen. Die Nationalsozialisten verkauften seinerzeit die Erfindung der Glühlampe als „Deutschen Erfolg“. Um es festzuhalten: Weder Heinrich Göbel noch seine Nachkommen reklamierten die Erfindung der Glühlampe als deutsche Erfindung. So ging der Mann, der am 4. Dezember 1893 in New York starb, unbeanstandet in die Springer Stadtgeschichte als „Erfinder“ der Glühlampe ein.
An dieser Stelle muss eingeflochten werden, dass Heinrich Göbel, in Amerika Henry Goebel, nicht der Erfinder der Glühlampe war. Das war hierzulande schon seit Jahrzehnten bekannt, aber nicht jedem geläufig. Doch auch Thomas Alva Edison war nicht der Erfinder. Was war Heinrich Göbel dann? „War Göbel ein Genie oder ein Betrüger?“, fragte der Autor in seiner Dissertation auf Seite 15 rechte Spalte. Das wird offensichtlich das Leitbild des Autors gewesen sein, als er in schillernden Nuancen Göbel als Schwindler, Betrüger und sogar Hochstapler sozusagen in Blei verewigte.
Neutral? Objektiv? kritische Distanz?
In der Dissertation sucht man vergeblich nach Neutralität, Objektivität oder kritischer Distanz des Autors. Nur ein Beispiel etwa zum Zeugnis des Schülers Heinrich Göbel von 1832. Da beurteilt Göbels Lehrer: „Sittliche Beschaffenheit – leichtsinnig; Bemerkungen – Scheint einen erfinderischen Geist zu haben.“ Rohde interpretiert auf Seite 62 linke Spalte: „Darauf bezogen könnte der Lehrer auch eine andere Art der Kreativität umschrieben haben: die Fähigkeit, Geschichten zu erfinden – Ausflüchte, Lügen und Hochstapelei“.
Was war nun der Grund des Legenden-Autors für seinen Feldzug gegen den Pionier der Glühlampe? Bei einer „zufälligen “Recherche in New York will er widersprüchliche Sterbedaten Göbels festgestellt haben. Seinen eigenen Worten im Deister Anzeiger vom 24. Januar 2007 nach „… war das ein Skandal“. Dies sei ein „Symbol“ gewesen, das andere Sachverhalte ebenfalls falsch sein könnten, sagte er der Zeitung. Da muss sich der geneigte Leser wohl gefragt haben, worin in einem falschen Sterbedatum wohl ein Skandal liegen könne.
Analysiert man die Göbel-Legende nach der Anzahl der praktisch in Blei gegossenen Vermutungen, so gebraucht der Autor 10 x wahrscheinlich, 13 x unwahrscheinlich, 7 x unglaubhaft, 6 x nicht glaubhaft, 3 x vermutlich, 3 x Lügner, 1 x Schwindel, 4 x unredlich und 8 x Hochstapler. Für alle diese 51 Mutmaßungen bzw. Behauptungen blieb der Autor den wissenschaftlichen Beweis schuldig.
Es ist (nicht durch den Autor) bewiesen, dass zu Göbels Zeiten in Springe, an der „Höheren Gewerbeschule in Hannover“ – seit 1847 „Polytechnische Schule“ - Elektrotechnik und Beleuchtungswesen gelehrt wurde. Wenn Göbel sagte, er habe sein elektrotechnisches Wissen in Hannover erworben, so darf das als richtig angenommen werden. Die Rechnungsbücher der Höheren Gewerbeschule/Polytechnische Schule aus den Jahren 1845 bis 1851 hätten darüber Auskunft geben können, aber sie sind aus dem Archiv der Leibniz-Uni verschwunden.
Göbel war ein Erfinder
Schließlich darf festgehalten werden, dass Göbel ein Erfinder war (3 Patente, zwei davon betrafen die Glühlampe). Göbel konnte einfache Glühlampen bauen. Göbel hat aber nie behauptet, eine brauchbare Glühlampe erfunden zu haben. Er hatte, nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Kosten etwa für Batterien, seine Glühlampenexperimente aufgegeben, auch weil sie keine wirtschaftliche Basis bildeten. Denn Stromnetze wurden erst sehr viel später errichtet und Batterien waren zu teuer.
Es ist hinreichend bekannt, dass Heinrich Göbel nicht der erste war, der mit elektrischem Licht experimentierte. Seit Anfang des 19. Jahrhundert haben mehr als 20 Experimentatoren am Prinzip der Glühlampe gearbeitet. Alle waren fasziniert von der Vision von einem dauerhaften, hellen Licht. Viele Details waren zu beantworten. Welche Materialien waren als Glühmedium geeignet? Platindraht, Kohlestift oder Kohlefaden? Luftleere Glaskörper? Wie das Vakuum erzeugen? Es waren viele Teilschritte zu gehen. Fast ein Menschenleben lang, bis Thomas Alva Edison 1879 eine serienreife Glühlampe patentieren konnte, eine Lampe, die die Ideen-Gene von vielen Pionieren des elektrischen Lichts enthielt.
Erst mit dem Patentstreit um die Patentrechte der Glühlampe, der 1893 zwischen amerikanischen Lampenherstellern tobte und bei dem es um weit mehr als um den Erfinderanspruch auf die Glühlampe ging, trat Heinrich Göbel als Zeuge öffentlich in Erscheinung. An dieser Stelle sei auf ein Interview mit ihm und seiner Tochter in „The Sun“ vom 26. Januar 1893 hingewiesen, das in voller Länge unter http://www.heinrich-goebel.de/z_18930126_sun_s1.ht... nachzulesen ist. Es ist ein Spiegelbild eines würdevollen Mannes am Ende seines Lebens.
Nicht zuletzt seit den Prozessen darf der bis dahin in Amerika und Deutschland eher unbekannte Heinrich Göbel mit Fug und Recht zu den Pionieren des elektrischen Lichts gezählt werden. Das wird auch der Autor der Göbel-Legende zugeben müssen.
Da der Link im Text nicht funktioniert, hier die Verknüpfung zum Artikel, der auf einem Interview beruht:
http://www.heinrich-goebel.de/z_18930126_sun_s1.ht...