Karate-Club Seelze entschlüsselt jahrhundertealte Kata
3. Bundes-Lehrgang zur Kata Seeinchin
Seelze/Letter Geschmeidig gleiten die rund 40 Karateka vorwärts in einen tiefen Stand, greifen nach imaginären Gegnern, drücken, ziehen, stoßen. Für den Außenstehenden wirkt die Kata Seeinchin wie eine harmonische Choreografie, doch hinter den eleganten Bewegungen verbirgt sich ein Katalog traditioneller Verteidigungstechniken. Am 26. Oktober trafen sich Kämpfer aus dem gesamten norddeutschen Raum, um diesen unter Anleitung hochkarätiger Schwarzgurt-Karateka zu entschlüsseln und zu erproben.
Geheimnisvolle Schönheit mit Vergangenheit
Runde, fließende Bewegungen mit geöffneten Händen verleihen der Kata Seeinchin ihren eleganten Charakter. Doch plötzlich scheinen die Kämpfer zu explodieren, die Fäuste schnellen vor, Kampfschreie erschüttern die Sporthalle des Georg-Büchner-Gymnasiums. Der Wechsel von weichen und harten Techniken prägt die Kata und bestimmt ihren Takt.
Seit über 100 Jahren hat sich der Ablauf der Kata kaum gewandelt. Die alten Karate-Meister haben jeden Schritt und Griff präzise festgelegt und deren Geheimnis an ihre Schüler weitergegeben. Hinter jeder Bewegung verbirgt sich ein tieferer Sinn, der jetzt von den Karatekas neu entschlüsselt wurde.
„Keine falsche Bewegung“
„Achtet auf stabile Stände. Kein Wackeln. Konzentration bis in die Haarspitzen!“ Trainer Martin Pietsch (5. Dan) achtete in seiner Einleitung auf die prägenden Elemente der Kata, bevor Klaus Mergel (5. Dan) und Barbara Remer (4. Dan) mögliche Angriffe und Verteidigungen in einem fortlaufenden Drill vermittelten. „Der Drill ist ein Technik-Handbuch, das euren Bewegungen Sinn verleiht“. Keine leichte Kost. Die Köpfe rauchten. Greifen, hebeln, schlagen, abwehren: Kampfkunst vom Feinsten.
Karate-Club Vorsitzender Thomas Keese (5. Dan) und Thorsten „Tutti“ Tews (5. Dan) zerpflückten die Kata in kurze Verteidigungs-Szenarien: In diesen wäre der Kampf innerhalb weniger Techniken beendet. Zugreifen, schlagen, würgen, werfen. Aufstehen, weiter machen.
Das Finale: Punkt, Schluss aus!
Lehrgangs-Schlusspunkte setzten Silvio Korte (5. Dan Goju-Ryu, 4. Dan Kyusho Jitsu) und Jan Torborg (5. Dan Goju-Ryu, 2. Dan Kyusho Jitsu). In ihrem Beitrag verbanden die Seelzer Kampfkünstler die Abläufe der Kata mit der Traditionellen Chinesischer Medizin und der Lehre von den Vitalpunkten. „Doch während Akupunktur einzelne Punkte zur Heilung anregt, werden im Kyusho energetische und neurologische Vorgänge gezielt gestört oder unterbrochen. Schnell. Effektiv. Ohne Gedöns. “, betont Korte. „Resultat der nur wenige Sekunden dauernden Behandlung: Schmerzen, kurzzeitige Lähmungen, Gleichgewichtsstörungen. Oder ein K.o. Schwächere Personen können einen Kampf mit einem gezielten Griff beenden, ohne dass der Gegner nachhaltig geschädigt wird.“