Seelze 1696 [Teil3] – Der Kirchturm wird gebaut
Schon fast drei Jahre ist es her, als in Seelze, genau während der Predigt, große Teile des Kirchturms einfach in sich zusammen fielen. Was hatten sich die Kirchengänger doch damals erschrocken. Besonders die Alten dachten sofort an Hexerei. War doch das Mittelalter, mit seinen Hexentänzen und Verfolgungen, gerade erst im Abklingen.
Heinrich Julius Altermann, Pastor zu Seelze hatte letztes Jahr zu den Bewohnern mit seiner unnachahmlichen und eindringlichen Stimme aufgefordert Gelder zu geben, um den maroden Kirchturm endlich zu Ersetzen. Wie damals üblich, waren die Bauten vornehmlich aus Holz hergestellt. So auch die Kirchen. Es waren also Zimmerleute und Holzbauern von Nöten. Aber wie jeder ehrbare Handwerksbursche wollten auch die ihren Lohn für ihre Arbeit haben. Zu dem das Erstellen eines Turmes nicht jedermanns Ansinnen war. Hat es nicht schon so manchen vom Gerüst geholt, wenn mit schweren und meisten Teils noch unbehauenen Holzstämmen und Balken umgegangen wurde. So musste Pastor Altmann die Handwerksgesellen, schon mit mahnenden Worten, an ihre Pflicht gegenüber ihrer Kirchengemeinde erinnern.
Bei dem Zuarbeiten war das schon leichter die Seelze zur Mithilfen zu bringen. So war Warnecken’s Bernd der erste der versprach zu Helfen. Er war mit seinen 60 Jahren nicht mehr in der Lage auf Gerüst zu steigen. Aber als Sägenschneider hätte er das auch nicht nötig. Dieser doch schon recht alte Mann versprach sie Sägen, der Handwerksburschen, zu schärfen und zu pflegen. Wusste er nicht allzu genau wie sehr das Werkszeug bei der harten Arbeit litt. Als Lohn bedingte er sich nur die Verpflegung während seiner Arbeit aus. Für die Seine würde er schon aufkommen…
Nun kam es auch zu einer äußerst seltsamen Aussage des Ludulf Meyer. Er, der Reiter unter der Garde, versprach der Kirche von seinen Bäumen, im Almhorster Forst. Da sollte man aber die schwätzenden Worte der Anna Rohde hören. Die Magd tratschte es im ganzen Dorf herum. Er, der feine Reiter, hätte die Länder im Forst bei der Kopfsteuer von 1689 nicht angegeben und nicht verzinst. Der Ludulf meinte dazu nur, sie solle sich um ihre Schürze kümmern. Er hätte das Recht an der Waldparzelle ehrlich erworben. Hatte er doch dem alten Besitzer im Krieg das Leben retten wollen und kam dabei selbst in Gefahr um Leib und Leben. Aus Dank bekam er das Recht am Holze. Und wenn die hohen Herren zu Luthe das nicht schreiben konnten, wäre das nicht sein Verfehlen. Sollen die Burschen nur die Stämme ruhigen Gewissens abholen.
Mit schneller Stimme, um nicht in den Verdacht zu geraten sie vor seiner Aufgabe zu drücken, sprach Cord Giesecken, er wollen als seinen Beitrag für 10 Tage ein Gespann für die Transportarbeiten leihen. Sein Knecht Heinrich würde er als Fuhrmann obendrauf geben; unentgeltlich.
Gleich halte es aus hinterer Ecke, dass er als Halbmeier es leicht habe, mit solchen Geschenken. Es war die Bademutter Anna Rosemeyer das sagte. Sie hatte es wirklich nicht leicht in ihrem Alter. Viele im Dorfe nutzten ihre Leistungen. So war sie als Hebamme und Amme tätig und kümmerte sich, ihrem Stand entsprechend, auch nach der Niederkunft noch um Mutter und das Neugeborene. Nur mit dem Bezahlen war das nicht immer so. Hatten doch, gerade die ganz einfachen Menschen, nach der Geburt eines Kindes, noch ein Mäulchen zu stopfen. Es fehlte oft am Nötigsten, so dass die Bademutter mit ihren Forderungen hinten an stand. Aber auch sie, eine der Ärmsten im Dorf, wollte ihren Beitrag zum neuen Turme betragen. So versprach sie sich um die kleinen und größeren Blessuren der Handwerksleute kümmern. Waren ihr doch blutige Dinge nicht fremd. Außerdem hoffte sich die Alte dadurch mehr Schutz im Dorf, wahren Frauen ihrer Herkunft durch noch vor nicht allzu langer Zeit, als Hexe, auf dem Scheiterhaufen gelandet oder wenigsten mit ‚gestrengen Mitteln‘ zur Absage von derartigen teuflischem Werk gezwungen.
So war es dann auch bald so weit. Der Winter hatte gerade seinen ersten Frost über das Calenberger Land gelegt. Die Wege waren gefroren und ein Weiterkommen mit den Gespannen auf den einfachen Wegen war leichter. So hörte man es weithin Sägen und Hämmern. Die vom außerhalb angereisten Handwerksmeister, hatten es recht leicht mit ihrer Sache voran zu kommen. Der Kirchturmbau machte gute Fortschritte. Auch wenn sich diese Meister ihre Arbeit gut bezahlen ließen, war sie doch von Vorteil.
So konnte jetzt keiner mehr sagen, die Seelzer würden ihren Kirchturm auf die Landstraße stellen. Hatte doch diese Unwissenden, das Denkmal, welches der Sutel, zu Ehren des in Seelze gefallenen Reitergenerals Michael von Obentraut, an der Landstraße aufgestellt hatte, für den Kirchturm gehalten. Sie hatten dieses Denkmal eben zuerst erblickt wenn sie gen Seelze reisten. Und es waren nicht wenige die wichtig unterwegs waren; zum meist in Angelegen beim Landvogt in Luthe. Auch wollte doch der Krüger vom Alten Krug nicht die Gäste vertreiben, die sein Haus, auf der Durchreise, gerne zur Rast nutzten.
Alle Bürger des Dorfes, seine Kirchspielbesucher und alle die an Seelze vorbeizogen, konnten noch vor Ende des Winter den neuen Kirchturm ansehen…
Auch zur Freude des Pastors. Hatte er nicht seine Gemeinde angehalten sich nach besten Kräften am wieder Aufbau des Kirchturm zu beteiligen. Da aber abermals mit Holz gewerkelt wurde konnte man sich ausmalen, dass der Bau auch dieses Mal nicht für die Ewigkeit geschaffen war…
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