Rente muss zum Leben reichen! DGB fordert eine Erwerbstätigenversicherung
Während die große Politik mit Milliardenbeträgen versucht, der Finanz- und Wirtschaftskrise zu trotzen, machen sich immer mehr Arbeitnehmer und Rentner Sorgen um ihren wohlverdienten Lebensabend. Was kommt am Ende des Erwerbslebens an Rente raus, nachdem jahrzehntelang eingezahlt wurde?
Wilfried Maxim vom DGB Ingolstadt überraschte so manchen der zahlreich auf Einladung des DGB-Ortskartell Schrobenhausen erschienenen Gäste in seinem Vortrag mit unangenehmen Wahrheiten über politsche Sünden der Vergangenheit und gewerkschaftlichen Strategien für eine solidarische und nachhaltige Alterssicherungspolitik: Sein Fazit: Altersarmut muss nicht sein – Voraussetzung ist aber eine Korrektur des politischen Kurses und der Ausbau der gesetzlichen Rentenversicherung zu einer Erwerbstätigenversicherung, in der auch Manager, Politiker, Selbstständige und später auch Beamte einzahlen.
Bedauerlicherweise sei die Rente von zwei Seiten in die Mangel genommen worden: Zum einen durch die Rentenkürzungen, zum anderen durch den Arbeitsmarkt. Der politische Angriff auf die Höhe der Rente habe wesentlich dazu beigetragen, die gesetzliche Rente in Misskredit zu bringen. Politisch Verantwortlich dafür seien die rot-grüne Vorgängerregierung sowie die jetzige schwarz-rote Koalition. Fakt sei: Die Rente sei von der Politik in den letzten Jahren um bis zu 25 Prozent gekürzt worden. Das fange bei der Absenkung des Rentenniveaus an und höre bei den Anrechnungszeiten für Ausbildungszeiten noch lange nicht auf. Ein Drittel der Westdeutschen gehe mit Abschlägen in Altersrente – und verliere dabei ca. 115 Euro an Rente. Doppelt so viele – zwei Drittel – gingen in Ostdeutschland mit Abschlägen in Rente und einem Verlust von 108 Euro. Ost- wie Westdeutsche verlören dabei schon heute ca. ein Achtel ihres ursprünglichen Rentenanspruchs. Die Zahl der Arbeitnehmer, die von Abschlägen betroffen seien, werde wegen der Rente mit 67 noch zunehmen. Viele würden es wegen gesundheitlicher Probleme, wegen Arbeitslosigkeit oder weil die Arbeitgeber nicht in ihre Weiterbildung investiert hätten, nicht bis 67 schaffen. Das seien gerade die Menschen, die ohnehin keine hohen Renten zu erwarten hätten. Nur die Hälfte der Menschen über 55 Jahren habe überhaupt noch eine Arbeit. Gerade mal 20% der Menschen schafften es in die Altersrente mit 65 Jahren. Nur ein Drittel der 60-64jährigen habe noch einen Arbeitsplatz. Die Hälfte der Unternehmen in Deutschland beschäftigten keinen einzigen Arbeitnehmer über 50 Jahren, dies sei die Wirklichkeit, so Maxim, und deshalb sei die Rente mit 67 ein politischer Unfug und eine reine Rentenkürzung und müsse zurückgenommen werden.
Die Finanzierung der Alterssicherung werde immer mehr auf die Schultern der abhängig Beschäftigten verlagert, die Unternehmen würden Stück für Stück aus der Verantwortung entlassen. „Wir wollen und wir müssen es schaffen, die gesamte wirtschaftliche Kraft unseres Landes – die hohen Einkommen, die Wertschöpfung der Unternehmen und von Selbständigen, die Erträge aus Kapital – für den Sozialstaat, und das bedeutet auch für anständige Renten in die Pflicht zu nehmen.“ stellte Maxim eine wichtige Kernforderung des DGB heraus. Und deshalb sei die volle paritätische Finanzierung der Alterssicherung ein wesent¬licher Baustein für eine solidarische und nachhaltige Rentenpolitik. Der zentrale Fehler bei der Riester-Reform sei der Bruch mit der sozialpolitischen Tradition der BRD gewesen. Zum ersten Mal hätten sich die Arbeitgeber aus der paritätischen Finanzierung der Alterssicherung herausgestohlen. Und dieser Bruch drohe zum Dammbruch zu werden, denn kaum sei Riester eingeführt worden, zahlten die Arbeitnehmer auch schon den Zahnersatz in der gesetzlichen Krankenversicherung alleine.
„Es stimmt einfach nicht, dass alles sozial ist, was Arbeit schafft.“ rief Maxim in die Runde und erntete zustimmenden Beifall. Fast ein Viertel der Beschäftigten müsse im Niedriglohnsektor arbeiten – im Schnitt mit einem Stundenlohn von 6,89 (West) und 4,86 (Ost). Zwei Millionen Menschen schlügen sich als Doppeljobber durch. Fast fünf Millionen hätten nur einen Minijob. Die Folge: Die Menschen seien arm trotz Arbeit. Für die Rente bleibe am Ende noch weniger und private Vorsorge sei praktisch unmöglich. Keinen unerheblichen Anteil an dieser Entwicklung habe im übrigen die von vielen als Jobmotor abgefeierte Leiharbeit, die dazu missbraucht wird, die dort eingestellten Menschen gefügig zu machen und die Stammbelegschaften gleichzeitig einzuschüchtern. So folge Altersarmut auf 40 Jahre Vollzeitbeschäftigung. Deshalb sei ein gesetzlicher Mindestlohn das sozialpolitische Gebot der Stunde.
Ziel der Gewerkschaften sei es, die überwiegende Mehrheit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die lange erwerbstätig gewesen seien, mit ihrer Rente über der Grundsicherungsschwelle zu halten – und zwar selbst dann, wenn sie sehr schlecht verdient, aber Vollzeit gearbeitet hätten. Der DGB fordere, die Rentenbeiträge bei niedrigen Einkommen auf maximal 75% des Durchschnittseinkommens hochzuwerten und dies über Steuern zu finanzieren. So erhalte ein versicherter, der 40 Jahre lang Vollzeit mit 7,50 Euro Stundenlohn gearbeitet habe, nicht mehr nur eine Minirente von 530 Euro, sondern fast 800 Euro.
Die Gesetzliche Rentenversicherung müsse stabilisiert und zukunftsfähig gemacht werden. Und das Gegensteuern müsse sofort beginnen! Deshalb mache sich der DGB für eine Erwerbstätigenversicherung stark, in der auch Manager, Selbstständige, Politiker und später auch Beamte einzahlten. Zur Vermeidung von Altersarmut forderte Maxim einen gesetzlichen Mindestlohn, die Rücknahme der Rente mit 67 sowie des Nachhaltigkeitsfaktors und eine bessere Absicherung von Erwerbsgeminderten.
Darüber hinaus machte er sich für einen Ausbau des betrieblichen Alterssicherungssystems als zweite Säule des Systems stark.
Diese notwendigen Reformen seien machbar und lägen gerade im Interesse der jungen Generation. Wer versuche, die Generationen gegeneinander in die Schützengräben zu schicken, mache beide Seiten zu Verlierern.
Zweifellos ein hoch interessanter Ansatz. In einem kompetenten Arbeitskreis weiter getragen, ohne Zeit zu verlieren und vor allem ohne falschen Respekt gegenüber den politischen "Grosskopferten", ganz gleich aus welchen politischen oder wirtschaftlichen Lagern sie auch kommen mögen. Wenn sich dann noch der Arbeitskreis mehr aus Betroffenen als denen, die betroffen machen, zusammensetzt, kann es funktionieren.
Die momentane wirtschaftliche Situation zeigt all zu deutlich, wozu man wirtschaftspolitisch in der Lage ist, wenn alle wollen .