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"McCallisters letzter Einsatz" - Ein Zeitzeuge des Zweiten Weltkrieges auf der Suche nach seiner Identität

  • Titelseite des Buches "McCallisters letzter Einsatz"
  • Foto: Bernhard Rödig
  • hochgeladen von Wolfgang Classen

McCallister und weitere Besatzungsmitglieder konnten sich mit ihrem Fallschirm retten und gerieten in deutsche Gefangenschaft. Über den heute 83-jährigen McCallister, seine Kameraden sowie seine vier Besuche in Schrobenhausen - hier und an anderen Orten setzte sich der ehemalige Copilot intensiv mit seiner Vergangenheit auseinander - hat Rödig ein Buch, "McCallisters letzter Einsatz", geschrieben, das einen anschaulich und fundiert verfassten Einblick in historische, heimatgeschichtliche und persönliche Details deutsch-amerikanischer Geschichte bietet.

Buchauszüge:

1. Der Start
… Der Navigator, 2nd Lt. Whitney I. Crum, beugt sich währenddessen über seine Unterlagen und geht den Kurs noch einmal durch. Zwar kann er sich während der Operation auf den führenden Navigator der Bomb Group verlassen, aber wenn die Maschine etwa bei schlechtem Wetter von den anderen getrennt oder bei einem Angriff beschädigt wird und mit dem Verband nicht mehr mithalten kann, liegt es in seiner Verantwortung wieder zum Einsatzflughafen in England zurückzufinden. Deshalb muss er über den jeweiligen Standort seines Bombers zu jeder Zeit auf dem Laufenden sein.

Ball-turret-gunner (Kugelturmschütze) Sgt. Carl A. Wilk ist indessen in seinen unter dem Rumpf hängenden Kugelturm geschlüpft. Halb hockt er dann dort, gekrümmt und mit angezogenen Knien, halb liegt er auf dem Rücken hinter seinen beiden horizontal und vertikal schwenkbaren Maschinengewehren. In dieser Haltung muss er dann fünf oder sechs Stunden und länger bei oft beißender Kälte ausharren. Sein Fallschirm hat dort keinen Platz mehr, er liegt im Rumpf und ist für einen Absprung im Notfall nur schwer erreichbar. Der Kugelturmschütze befindet sich also den gesamten Einsatz über außerhalb des Flugzeugs und steht nur über Sprechfunk mit der restlichen Besatzung in Verbindung. Bei einer Bauchlandung ist der Aufenthalt im Kugelturm absolut tödlich. Versagt die Elektro-Hydraulik, etwa durch Beschussschäden, so muss er den Turm mühsam mittels einer Handkurbel erst in die richtige Position bringen um wieder nach oben ins Rumpfinnere und so zu seinem Fallschirm gelangen zu können. Dies dauert mindestens eine Minute, was in einem abstürzenden Flugzeug sicher eine Ewigkeit bedeutet. So ist es auch verständlich, dass der Kugelturmschütze die unbeliebteste Aufgabe im Flugzeug zu übernehmen hat. Co-Pilot Harry W. McCallister überwacht währenddessen die Motoren, sorgt dafür, dass sie synchron laufen und beobachtet die Instrumente. Die Synchronisation konnte man mit Hilfe der Drehzahlmesser durchführen, oder, wie Harry erklärte, noch besser mit dem Gehör. Man horchte auf den Klang des Motors und schob den Gashebel leicht nach vorne oder hinten, bis der Klang „stimmte“.
Der Funker, Sgt. Joseph K. Dreher jr., führt das Logbuch und hält die Verbindung mit den anderen Flugzeugen des Verbands aufrecht. Er sitzt in seiner Funkkabine, die sich direkt hinter dem Bombenschacht befindet. Sie ist vom vorderen Teil des Flugzeugs aus nur durch einen schmalen Steg an zwei Reihen Bomben vorbei zu erreichen. Wenn Not am Mann ist, betätigt sich der Funker auch als Bordschütze. Die übrigen Besatzungsmitglieder sitzen schon seit dem Start hinter ihren Maschinengewehren und suchen den Luftraum nach angreifenden deutschen Jagdflugzeugen ab, die von der Besatzung „bandits“ (Banditen) genannt wurden. Dieser Ausdruck stammt noch aus der Zeit, als die amerikanische Kavallerie gegen die Indianer gekämpft und diese abfällig mit „bandits“ betitelt hatte. Dreher kann sich noch gut an eine bei einem früheren Einsatz angreifende schwarze oder dunkelgrüne Me 262, einen deutschen Düsenjäger, erinnern, der einen Bomber aus seiner Formation abschoss. Joe trug in seiner Flieger-Kombi immer einen Rosenkranz und einen alten Silberdollar als Schutz und Glücksbringer bei sich. Seine Mutter hatte ihm beides in seine Kombi eingenäht und Neil Dreher, einer der beiden Söhne, bewahrt diese Erinnerungsstücke noch heute auf.

2. Der Fallschirm als letzter Ausweg:
… Auch Harry McCallister entriegelt die vordere Ausstiegsluke, die mit einem Schlag vom Luftstrom weggerissen wird und der Blick nach unten ist alles andere als verlockend. Sowohl im Piloten- als auch im Co-Pilotensitz war die Sicht recht beschränkt gewesen. Er hatte während seiner Flüge bisher immer nur einen durch recht kleine Cockpitscheiben begrenzten Ausblick nach vorne und zur Seite gehabt und die Höhe von mehreren tausend Metern überwiegend auf dem Höhenmesser und nie so direkt erlebt. Aber die Zeit drängt, die Tanks können jeden Augenblick explodieren und so lässt er sich zusammengekauert in die Tiefe fallen. Eine Hand umklammert den Griff der Reißleine, die andere umklammert wiederum die Hand, um ein vorzeitiges Ziehen der Reißleine vor Aufregung und Angst, womöglich noch im Flugzeug selbst, zu verhindern. Es kam immer wieder vor, dass der Fallschirm bei zu früher Öffnung schon an der Ausstiegsluke des Flugzeugs oder an dessen Leitwerk hängen blieb, was einem Todesurteil gleichkam.

Bei einer kurzen Belehrung während der Ausbildung hatte man Harry zwar Verhaltensmaßregeln für den Absprung mitgegeben, aber in einem solchen Moment kann man nicht mehr in Ruhe darüber nachdenken. Noch in Erinnerung geblieben war der Rat: „Solange du am Boden keine Einzelheiten erkennen kannst, lass dich fallen! Kannst du aber einzelne Hausdächer sehen, dann zieh sofort die Reißleine!“

McCallister aber sieht zunächst nur den blauen Himmel, da er in stabiler Lage mit dem Rücken nach unten stürzt. Seine schweren heizbaren Lammfellstiefel reißt es ihm sofort von den Füßen, er hatte vergessen sie zu schließen. Auch sein Überlebenspäckchen hat sich inzwischen selbstständig gemacht und fällt frei nach unten. Als er dann über die Schulter blickt, ein recht großes rotes Scheunendach sieht und schleunigst die Reißleine zieht, gibt es einen Knall. Die Gurte schlagen ihm spürbar in die Oberschenkel, er pendelt am Schirm einmal nach links, einmal nach rechts und schon ist er auf einem frisch geeggten Acker gelandet. Er hätte keine Sekunde länger zögern dürfen und hält wahrscheinlich noch heute mindestens den bayerischen Rekord im „Tiefziehen“. Eine äußerst gefährliche Situation, der er sich aber zu der Zeit überhaupt nicht bewusst war.
Dank Willibald Nieser, der dies als kleiner Junge aus nächster Nähe beobachtet hatte, konnte noch nach 58 Jahren der genaue Landeplatz McCallisters lokalisiert werden: Er befand sich zwischen Loch und Koppenbach, also mehrere hundert Meter vom Aufschlagplatz des Bombers entfernt. Der kleine Willibald aber läuft nach seiner Beobachtung davon, was die Beine hergeben, denn er weiß ja nicht, was so ein riesiger feindlicher Soldat noch alles vorhat. Ein anderer Augenzeuge, der den Absprung ebenfalls genau beobachtet hatte, beschrieb das Geschehen folgendermaßen: „Zerscht hod’s pfiffa wiara Düsenjäger, dann hods an Schlog do, da Fallschirm is aufganga und dann wara scho am Bodn.“

3. Spurensuche:
… Nachmittags ging es dann das erste Mal zur Absturzstelle, einem Höhenrücken zwischen den beiden Dörfern Diepoltshofen und Loch. Harry war schon beeindruckt von dem Ort, wo der Krieg seinem noch jungen Leben beinahe ein Ende bereitet hätte. Er ging die Fläche mehrmals gedankenversunken ab und es schienen ihm so manche Erinnerungen an diese schlimme Zeit wieder durch den Kopf zu gehen. …

…Am Samstag ging Harry wieder den Spuren seiner Vergangenheit nach. Er wollte unbedingt den Weg von seinem Landeplatz über seine Gefangennahme bis hin zu dem Gebäude, in dem er die erste Nacht zusammen mit einigen Kameraden gefangengehalten wurde, wiederentdecken und nachvollziehen. Dabei legte er trotz seiner 79 Jahre unermüdlich und zäh Kilometer um Kilometer zurück, unterhielt sich mit alten Bewohnern von Koppenbach und versuchte so Stück für Stück seiner eigenen Erinnerungen wieder in den damaligen Ablauf einzufügen. …

… Nach zwei Tagen Erholung für Harry, in denen ich unter anderem Joe und seinen Söhnen München zeigte, zog es diese nach Salzburg, Harry hingegen nach Moosburg, wo er 1945, Kohldampf schiebend, den Rest der Zeit vom Absturz bis zur Befreiung durch die 10. Panzerarmee Pattons verbracht hatte.

Moosburg war im September 1939 als Standort für ein Kriegsgefangenenlager mit Platz für 10 000 Gefangene bestimmt worden. Am 19. Oktober 1940 hatten 200 Polen und 900 Ukrainer die zweifelhafte „Ehre“ als erste das neue Lager betreten zu müssen. Viele andere Kriegsgefangene sollten ihnen in den restlichen Kriegsjahren noch folgen. Ende 1944 schließlich begann ein ständig anwachsender Zustrom von Gefangenen. Laut eines Führerbefehls sollte kein Kriegsgefangener in alliierte Hände fallen. Deshalb wurden die Insassen von Lagern in Frontnähe in Richtung Süden evakuiert und in die dort noch bestehenden Lager eingewiesen. So herrschte im April 1945, als auch Harry auf seine Befreiung wartete, drangvolle Enge. Am 29. April standen dann die ersten Amerikaner als Befreier vor dem Lager und es konnte nach und nach geräumt werden. Große Zelte wurden auf jedem freien Fleck aufgebaut und die Gefangenen schliefen dort auf Stroh.

Doch schon bald wurden die Baracken neu belegt, dieses Mal mit deutschen Zivilinternierten, also Nazis und solche Personen, die dafür gehalten wurden. Auch einige Schrobenhausener schlossen damals mit dem Lager unfreiwillig Bekanntschaft. 1948 wurde es dann freigegeben und Heimatvertriebene zogen als neue Bewohner ein. So entstand nach und nach die Moosburger „Neustadt“, die Baracken mussten immer mehr Neubauten weichen und heute erinnert fast nicht mehr an die Vergangenheit dieses Ortes. …

Anmerkungen:
Was besonders an Rödigs Buch fasziniert, ist die akribische Recherche damaliger und heutiger Verhältnisse, die Kernaussagen weder überlagern noch ersticken. Denn der Autor hat Aussagen von Zeitzeugen, natürlich besonders die McCallisters, spannend und ausdrucksstark in Szene gesetzt; an vielen Textstellen wird dahinter das eigentliche Anliegen, das Hauptmotiv des Autors, transparent, und das macht das Wesen dieses Buches aus: Die gemeinsame Spurensuche in vertrauten Bereichen, sei es in den Vereinigten Staaten oder hier bei uns in Deutschland, lässt das sympathische Bild eines Menschen entstehen, der in seinem letzten Lebensabschnitt ohne jegliche Idealisierungen umfassenden Aufschluss über seine Identität, über den vielleicht bedeutendsten Abschnitt seiner persönlichen Geschichte, sucht. Sachlichkeit sowie wachsende Nähe zu dem Amerikaner kennzeichnen den inhaltlichen Verlauf des Buches, und nicht erst nach Rödigs
Besuch in den USA ist eine deutsch-amerikanische
Freundschaft entstanden.

McCallister selbst hat seine Spurensuche mit einem Akt besonderer Art abgeschlossen. Das von Bernhard Rödig verfasste Buch „McCallisters letzter Einsatz“ wurde in den USA vor kurzem im „1:1–Format“, natürlich in englischer Sprache, herausgegeben.

Dass mit einem „Heimatbuch“, das zudem im Selbstverlag editiert wurde, kein Profit zu machen ist, dürfte klar sein. So ist Werbung an dieser Stelle, so denke ich mir, erlaubt. Einige wenige Exemplare des 123-seitigen, gut bebilderten Werkes sind noch zum Preis von 14 Euro (zuzüglich Versandkosten) zu haben. (Bestellung unter 08252/7945 oder cw@neusob.de)

  • Titelseite des Buches "McCallisters letzter Einsatz"
  • Foto: Bernhard Rödig
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  • Rechts im Bild der ehemalige Copilot Harry McCallister (2003), links B-17 G beim Angriff
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  • Der Kreisheimatpfleger und Buchautor Bernhard Rödig
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  • Eine B - 17 G "Flying Fortress" der 306. BG über dem englischen Kanal
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  • Die Besatzung der B - 17 G "Always Available" in Del Rio, Texas, während der Ausbildung. Stehend links: Co-Pilot 2nd Lt Harry W. McCallister
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  • Der Kugelturm hing, in alle Richtungen frei schwenkbar, unter dem Rumpf.
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  • Präsentation von zwei Sauerstofftanks und der Panzerplatte für die Rückenlehne eines Sitzes der B - 17.
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  • Bild 7 / 10
  • Harry trägt sich in das Goldene Buch der Gemeinde Waidhofen ein. Hinter ihm stehend freut sich Josef Lechner, der erste Bürgermeister von Waidhofen.
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  • Fallschirmspringer der Fallschirmsportgruppe Burgheim landeten an der Absturzstelle der B 17 -G.
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  • Bild 9 / 10
  • Ein brennender Motor des abstürzenden Bombers schlug knapp hinter diesem Anwesen ("Beim Bergschneider") in Diepoltshofen ein.
  • Foto: Bernhard Rödig
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6 Kommentare

Ein sehr guter Beitrag, der uns den Unsinn, von Kriegen verdeutlicht.

  • Gelöschter Nutzer am 13.08.2007 um 12:09
Gelöschter Kommentar

Ein überaus interessant, historischer Bericht der meine besondere Anerkennung verdient.

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