Alles vergeht...

WORTLOS, eine Geschichte um die Liebe. 

Er hatte sich bereits verabschiedet. Doch dann drehte er sich noch einmal um und sah ihr fragend ins Gesicht.
Sie hatte insgeheim gehofft, dass er noch einmal ein freundliches Wort an sie richten würde. Doch er sah ihr nur wortlos ins Gesicht.
Schweigend standen sie da.
Weit entfernt ein Martinshorn.
Unten, vor dem Haus, lärmten Kinder.
„Sag doch etwas! Wollen wir wirklich so wortlos auseinander gehen?“
Sie hörte sich selbst diesen Satz sprechen. Doch das war nicht das, was sie eigentlich sagen wollte.
In diesem Moment runzelte er die Stirn. Seine Lippen formten Worte, die nicht zu hören waren. Verlegen strich er sich mit der Hand die Haarlocke aus der Stirn; eine Geste, die sie so sehr an ihm geliebt hatte.
Mit flatternden Augenlidern sah er an ihr vorbei, und fast wie zu sich selbst sagte er stockend: „Wir müssen jetzt stark bleiben.“
Zögerlich wagte sie einen Schritt auf ihn zu.
„Wieso stark bleiben? Das sagst ausgerechnet du? Mach dir doch nichts vor! Das ist nicht dein wahres Ich, das wissen wir beide. Zeig doch einmal im Leben deine Gefühle!“
„Wie immer kann ich dir nur zustimmen“, erwiderte er fast ergänzend. „Du kennst mich besser, als ich mich selbst kenne.“
Wieder standen sie sich nur stumm gegenüber. Es war wohl alles gesagt.
Worte, die früher so leicht über die Lippen kamen, hingen ungesagt im Raum, aber keiner sprach sie aus. Diese ganz besonderen Worte, sie waren einfach im Laufe der Zeit verloren gegangen.
„Sehen wir uns mal wieder?“, fragte sie noch, als er sich bereits zum Gehen umwandte.
Leise, ohne sie dabei anzusehen, ging er. Sie hörte noch die Türe ins Schloss fallen. Dann war sie allein.
So wie immer, wenn er sich verabschiedet hatte, ging sie zum Fenster, sah hinunter zur Straße.
Gleich würde er aus der Haustüre treten, sich noch einmal winkend umdrehen, um dann im Sog der hastenden Menschen unterzutauchen.

Foto u. Text: Heidi K. März 2013/Autoren-Werkstatt;