Explosion anspruchsvoller Musik im Sisi-Schloss
Explosion anspruchsvoller Musik im Sisi-Schloss
Wolfgang Kraemer und Michael Rokoss konzertieren im Wasserschloss
Klavier trifft Saxofon, ein ausgefallener Titel, so Kreiskulturreferent Helmut Beck. Er freute sich, dass so viel Interesse geweckt wurde und das Sisi-Schloss total ausverkauft war. Aber dieses Konzert war weit mehr als nur ein Konzert. Die Zuhörer erlebten eine Explosion anspruchsvoller Musik. Wolfgang Kraemer und Michael Rokoss spielten nicht nur ihre Instrumente – sie lebten sie und sie lebten die Musik die sie damit spielten.
Die Zuhörer wurden, nicht nur musikalisch, entführt in die Geschichte des Saxofons, einem Kind des 19. Jahrhunderts - quasi der Romantik. Der belgische Komponisten Jean Baptiste Singerlèe (1812-1875) war ein Freund von Adolphe Sax (eigentlich: Antoine Joseph Sax), dem geschäftstüchtigen, belgischen Erfinder dieses Instrumentes. Sax motivierte die Topstars seiner Zeit und beauftragte sie, für dieses neu erfundene Instrument etwas zu komponieren. Singerlèe hat eine ganze Reihe von Solostücken verfasst. Unter anderem das „Concertino in As-Dur für Altsaxofon und Klavier“. Damit starteten die beiden Vollblutmusiker das Abendprogramm. Vor 27 Jahren spielten die Zwei das erste Mal zusammen in Aichach.
Der Flötenvirtuose Julis Demersseman (1833-1866) wurde ebenso beauftragt einige Stücke zu schreiben, in der Stilistik sehr ähnlich, zur Erweiterung des Repertoires. Die „Serenade in Es-Dur für Altsaxofon und Klavier“ klang genauso wie man sich eine Serenade vorstellt. Das Klavier beginnt und bald setzt auch das weiche Saxofon ein, es entsteht ein Dialog, so, als würden beiden Instrumente miteinander flirten.
Bei der Zusammenstellung des Konzertes dachte man erst an Johannes Brahms. Aber nachdem er einmal geäußert hätte, das Saxofon sei eine Klarinette mit Heuschnupfen, kam er nicht in Betracht. So wählte man die Nummer eins der Klavierkomponisten aufs Programm, nämlich Frèdèric Chopin (1810-1849), Sohn einer Französin und eines Polen. Warum die Nummer eins? Er hat nichts komponiert wo nicht ein Klavier dabei ist, was bei keinem anderen Komponisten vorkommt. Der Klaviervirtuose Wolfgang Kraemer zeigte wieder einmal mehr was er kann mit der bekannten Revolutionsetüde Etüde op.10 Nr. 12 c-moll, 2 Stücke aus den 24 Preludes: Prelude op.28 Nr. 7 A-Dur und Prelude op.28 Nr. 20 c-moll und als 4. Stück: Polonaise Nr.3 op. 40 Nr. 1 A-Dur für Klavier. Erhaben, sehr gefühlvoll aber auch bestimmt, voller dynamischer Wendigkeit gleiten seine Hände über die Tasten des Flügels im Sisi-Schloss.
Adolphe Sax unterrichtete anfangs selbst am Pariser Konservatorium wo eine Saxofonklasse installiert wurde. Nach einigem Machtwechsel wurden die Saxofone wieder abgeschafft und es hat erst später seine Auferstehung im Jazzbereich wieder erlebt. Aus der Feder des französischen Komponisten Eugène Bozza (1905-1991), stammt die „Aria für Altsaxofon und Klavier“. Zart und melodisch beginnt das Klavier aber bald führt Rokoss mit dem Saxofon. Eine berührende Aria, emotional und sehr bewegend.
Ein Studienkollege von Eugène Bozza war auch Paul Bonneau (1918-1995). Seinem Professor hat er ein Stück gewidmet, eine „Suite für Altsaxofon und Klavier“, und Improvisation – Danse des Dèmons – Plainte – Espièglerie, eine kurze Folge von Tanzsätzen, eine lockere Aneinanderreihung verschiedener Stücke unterschiedlichen Charakters, in der Tonsprache deutlich näher dem 20. Jahrhundert. Hier beginnend das Saxofon, leise bringt sich das Klavier ein, eigenwillig und mit guten Phrasierungen setzt sich das Saxofon durch. Kraemer und Rokoss ergänzen sich einfach wunderbar.
Der armenische Komponist Aram Chatschaturjan (1903-1978) hat in seiner Toccata folkloristische Elemente verarbeitet. Man stelle sich einen orientalischen Markt vor, herrlich und sicher von Kraemer interpretiert. Märchenhaft entlockte der Pianist dem Flügel exotische Töne. Das Publikum war begeistert.
Exakt 1 Minute und 10 Sekunden spielte der Pianist das Stück „Mikrokosmos Band 6 Bulgarische Tänze Nr. 2 für Klavier“ im 7/8-Takt von Bèla Bartòk (1881-1945) der noch in der Donaumonarchie geboren wurde. Er beschäftigte sich nicht nur mit ungarischer Musik sondern widmete sich bulgarischer, rumänischer Musik, bis in den Balkanraum. Herausragend stellte Kraemer auch hier sein Können unter Beweis.
Ebenso exotisch geht es im Programm weiter mit dem spanischen Saxofonisten Pedro Iturralde (geb. 1929) „Suite hellènique für Saxofon und Klavier“ ein Stück wo er griechische Tanzrhythmen, Jazzharmonien und freier Improvisation kombiniert. Immer wieder vermischt er Klassisches, Jazz und Weltmusik. „Kalamatianos-Funky-Valse-Kritis-Kalamtianos“ ist der 1. Satz dieser Suite… beeinflusst durch arabische Rhythmen. Nicht ganz so leicht zu handhaben für die Musiker aber Rokoss und Kraemer haben das mit Bravour gemeistert! Reizvoll und grandios ist das Wasserschloss gefüllt mit Musik die eine wundervolle Leichtigkeit gepaart mit Exotik spiegelt.
Es wird spanisch kubanisch mit „Pièce en forme de Habanera“ von Maurice Ravel (1875-1937) für Sopransaxofon und Klavier. Voller Leidenschaft erklang das Sopransaxofon und Rokoss begeisterte die Zuhörer. Herausragend spielt er sein Instrument, entwickelt eine eigene Kraft!
Jacques Ibert (1890-1962) ist einer der wichtigsten Komponisten für Saxofon. Zu hören waren in diesem großartigen Konzert drei kleine Charakterstücke, impressionistische Stückchen die inspiriert sind von Kindergeschichten. „Nr.1 La meneuse de tortues d’or“ oder die Anführerin der Goldschildkröten, „Nr. 2 Le petit àne blanc“ oder der kleine weiße Esel und „Nr. 8 La cage de cristal“, der Kristallkäfig. Liebenswert setzen beide die Kindergeschichten grandios musikalisch um und ernten auch hierfür sehr viel Applaus.
Den Schluss macht Jèròem Naulais (geb. 1951). Er ist ein Komponist der jüngeren Generation. Petite Suite latine Nr. 1 Lent – Passo doble, Nr. 2 Valse – Cha – Cha, Nr. 3 Tango, diese drei Sätze gaben der Wolfgang Kraemer und Michael Rokoss als letztes Stück zum Besten. Auch hier war das Publikum begeistert. Klavier und Saxofon ergänzten sich traumhaft. Die beiden Künstler spielten sich in die Herzen der Zuhörer. So wurden sie auch erst nach einer Zugabe „entlassen“.