Kunstschätze in St. Marien: „Hochzeitstuch“ und „Marienteppich“ aus dem 16. Jahrhundert
Allein die zahlreichen Kunstschätze wären es wert, die Rostocker Marienkirche aufzusuchen und zu besichtigen, beispielsweise die Bronzetaufe aus dem 13. Jahrhundert, den so genannten Rochusaltar und die Kanzel aus dem 16. Jahrhundert, den Hauptaltar aus dem 18. Jahrhundert oder die astronomische Uhr aus dem 15. Jahrhundert.
Wer sich jedoch für Bildsprache und Symbole früherer Zeiten interessiert, sollte vor zwei Textilarbeiten aus dem 16. Jahrhundert verweilen und versuchen, die Motive zu entschlüsseln. Denn bislang ist es noch nicht gelungen, die historischen Piktogramme zu deuten. Hilfreich wären durchaus Kenntnisse aus alten Liedern, Märchen oder biblischen Erzählungen.
- In einer Vitrine ist ein weißes Leinentuch mit bunter Seidenstickerei zu sehen, das so genannte „Hochzeitstuch“, dessen Herkunft, Herstellung und Stifter unbekannt sind. Über einem Wappen ist ein junges Paar in Renaissancekleidung dargestellt. Beide Personen halten in der einen Hand eine Nelke (vielleicht als Zeichen ihrer Liebe) und fassen mit der anderen eine Schnur, an der eine goldene Ranke hängt. Das gut drei Meter lange und knapp 70 cm breite Tuch zeigt u. a. blühende Ranken mit fünffach verschlungenen Knoten, einen Dudelsackspieler, ein Lamm mit einem Kleeblatt zwischen seinen Lippen – Zeichen, die nach einer Dekodierung verlangen.
- In einem großen Glasrahmen befindet sich eine Applikationsarbeit aus der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts, ein „Marienteppich“, wobei nicht bekannt ist, welchem Zweck er einst diente und wie er in die Marienkirche kam. In der Mitte ist Maria mit dem Kind auf einer Mondsichel stehend und von Strahlen umgeben zu sehen. Auffallend sind vier Engel in der Nähe von Maria, zwei weitere befinden sich am oberen Rand des Rosenfeldes. Zu erkennen sind ein Einhorn, ein Hirsch sowie ein Pelikan mit seinen Jungen. Die Motive lassen auf eine liturgische Bestimmung des Wandteppichs zum Fest der Verkündigung des Herrn schließen.