Wasserbüffel an der Ihme (Fotos Christel und Kurt Wolter)
Die Ihme ist ein kleines Flüsschen. Naja, eigentlich eher ein Bach, der bei Wennigsen im Deister durch den Zusammenfluss des Wennigser Mühlenbachs und des Bredenbecker Bachs entseht. Sie fließt durch das Calenberger Land auf Hannover zu. Sie plätschert durch die Dörfer Sorsum, Evestorf, Vörie und Ihme-Roloven, ehe sie die Landeshauptstadt erreicht. Dort wird ihr hinter dem Maschsee durch den Schnellen Graben, der von der Leine kommt, jede Menge Wasser zugeführt, das sie tatsächlich zum Fluss werden lässt. Im Stadtteil Linden mündet sie nach etwa 20 Kilometern von ihrem Ursprungsort aus in die Leine.
Hat man in früheren Jahrzehnten im Rahmen der Flurbereinigung die Land- und Forstwirtschaft so strukturiert, dass sie sich effizienter bewerkstelligen ließ, indem man Flüsse und Bäche begradigte, Hecken von Feldrändern entfernte, sozusagen die Natur in ein starres, unnatürliches Korsett zwängte, so macht man es seit einiger Zeit wieder genau umgekehrt. Zurück zur Natur, so lautet heute vielfach das Motto. Die Landschafts-Sünden früherer Zeit werden nun mit viel Aufwand - auch finanziellem - versucht zu berichtigen. Natur soll wieder natürlich sein dürfen. Streuobstwiesen werden nach Möglichkeit erhalten, Hecken werden an Feldrainen angepflanzt, die Brutplätze für die Vogelwelt bieten, und Bäche werden renaturiert, so dass Fische, Amphibien und auch Vögel neue Lebensräume erhalten, die ihnen der Mensch vor wenigen Jahrzehnten noch genommen hat. Und dieses zurück zur Natur soll auch an der kleinen Ihme gefördert werden.
Bei Vörie bietet sich in der Ihmeaue das passende Gebiet dazu an. Dort gibt es bereits die Stapelteiche, die aus den Absatzteichen der ehemaligen Zuckerfabrik Weetzen entstanden sind und die einst zum Waschen der Rüben dienten. Sie haben sich zu einem wertvollen Feuchtbiop mit Pappel- und Erlengehölzen entwickelt, in dem man von einem Stand aus die Vogelwelt beobachten kann. Da gibt es Grau- und Silberreiher zu sehen. Die Rohrweihe, die Rohrammer, Haubentaucher, Teichrohrsänger und viele andere. Und mit viel Glück sogar den Eisvogel. Im Frühjahr und im Herbst machen auch andere Vögel Station: Bekassinen, Strandläufer, Uferschnepfen, Rotschenkel und andere. Vögel, die ein freies Gelände benötigen und flache, schlammige Uferbereiche, in denen sie nach Nahrung suchen können.
Westlich der Stapelteiche nach Evestorf hin soll dieses Gebiet nun ausgeweitet werden. Biodiversität ist das Stichwort. Flora und Fauna sollen mehr Lebensraum erhalten und vielfältiger werden. Bedrohte und gefährdete Arten sollen heimisch werden. Offenes und halboffenes Gelände soll dazu die Grundlage bieten. So manche Vogelart fühlt sich darin sicherer, können doch mögliche Feinde schon von weitem erkannt werden. Und um ein solches Gelände offen zu halten, braucht man große Tiere, die den Pflanzenwuchs kurz halten. Mit Rindern hat man gute Erfahrungen gemacht. Dachte man früher, dass die Trittspuren den Boden zerstören, so hat man heute erkannt, dass dem nicht so ist. Denn selbst diese bieten einen Lebensraum für Kleinsttiere. Und der ganzjährige Dung ist sowieso ein wertvoller Lebensraum. Insekten sind es, die ihn besiedeln und die den Anfang der Nahrungskette bilden.
Nachdem also erkannt wurde, dass die Artenvielfalt ohne Beweidung nachlässt, hat man sich jetzt dazu entschlossen, in bestimmten Gebieten, die großräumig eingezäunt sind, diese wieder einzuführen. Da Rinder aber für Feuchtgebiete nicht gut geeignet sind, da sie nicht gern im Morast stehen, hat man sich für ein anderes Tier entschieden, das sich gerade darin wohlfühlt. Das ist der Wasserbüffel.
Bis zu den Warmzeiten des Pleistozäns vor etwa 10 000 Jahren war der Europäische Wasserbüffel bei uns heimisch. Wahrscheinlich hat er an großen Flüssen gelebt. Vermutlich wird ihn der Mensch der Steinzeit gejagt, vielleicht sogar ausgerottet haben, denn er ist vollständig ausgestorben. Er wird eine leichte Beute gewesen sein. Vor 5000 bis 7000 Jahren wurde der Wasserbüffel in Südchina domestiziert. Hauswasserbüffel gibt es heute in Südasien und im Norden Südamerikas. Aber auch in Europa. Hauptsächlich auf dem Balkan, und auch in Italien, wo ihre fettreiche Milch zur Herstellung des Mozzarella-Käse verwendet wird. In Deutschland war der Wasserbüffel bis vor wenigen Jahren eine Seltenheit. Doch nun wird er immer häufiger zur Erhaltung feuchter Gebiete eingesetzt. Am Steinhuder Meer hat man mit ihm in den Meerbruchwiesen gute Erfahrungen gemacht. Über 40 Tiere konnte ich dort bei einer Radtour in den Feuchtgebieten zählen. Es sollen inzwischen um die 80 sein. Erfolgreich haben sie dafür gesorgt, dass Amphibien einen neuen Lebensraum erhalten haben. Und das erhofft man sich natürlich auch an der Ihme.
Familie Baumgarte aus Linderte hat es übernommen, diese anspruchsvolle Aufgabe in die Tat umzusetzen. Seit dem Frühjahr 2012 leben die Büffel in den Feuchtgebieten. Sie werden je nach Benutzungsgrad der Biotope in andere Bereiche getrieben, um eine Überanspruchung zu vermeiden. Auf einem 800 Meter langen Gebiet kann man sie immer irgendwo entdecken. Für den Winter steht ihnen ein offener Stall zur Verfügung. Mehr darüber kann man erfahren, wenn man eine der Führungen mitmacht.
Es wird spannend sein, wie sich das Gebiet der Ihme-Aue in Zukunft verändern wird. Wir werden es immer mal wieder besuchen, auch zur Beobachtung der Vögel, zu denen auch der NABU Führungen anbietet. Der Grundstein für eine natürlicher werdende Landschaft ist gelegt. Nun muss die Natur nur noch selber mitspielen.
> "finde ich es o. k. zerstörte Landschaften wieder zurückzugewinnen, wird doch immer mehr Natur durch die Versiegelung der Landschaft (Straßen, Häuser, Indrustrie) zerstört. Es ist dramtisch, wie diese in Deutschland und anderen Ländern voranschreitet. Deswegen bin ich um jede Naturinsel dankbar."
Kein Widerspruch!!!
Aber...!
Naturinseln kann man einfacher und billiger haben - man lässt einfach wachsen, was wachsen will.
Und man darf nicht den Menschen aussperren - er ist ein Tier wie jedes andere auch und braucht auch die Natur.