41 Verpasste Chancen. Der neue Internetauftritt der Stadt Ronnenberg
Textseite der Kernstadt Ronnenberg im neuen Internetauftrittauftritt der Stadt. Die Angaben zur Geschichte. (Ab September 2010)
Der Versuch einer Textanalyse.
Ich gestehe, dass mir bei der Lektüre der Ronnenberg Seite der Geduldsfaden gerissen ist.
Da schwingt sicherlich die Vorgeschichte mit, aber insbesondere sind es diese Gründe:
Der neue Text ist weder der historischen Bedeutung unseres Ortes angemessen noch wissenschaftlich belegt. Belegt durch eine Vielzahl von Dokumenten und Urkunden ist dagegen die Tatsache, daß für alle Ortsteile der heutigen Stadt und weit darüber hinaus durchgängig über 2000 Jahre die geballte Kompetenz für nahezu alle Wechselfälle des Lebens in Ronnenberg konzentriert war. Daß diese fulminante Geschichte der Kernstadt angesichts des sonst eher koketten Rathausgehabes derart desorientiert und publicityscheu unter den Scheffel gestellt wird, bezeugt Desinteresse an dem historisch gewachsenen Mittelpunkt, man muss annehmen aus systemimmanenten Gründen.
Da ist zunächst der Textvorschlag des Heimatbundes an den Bürgermeister dieser Stadt (s. unten) zu nennen. Er wurde ohne Begründung ausgeschlagen.
Dann überrascht der Umfang der Darstellung. Er besteht aus grade mal fünf Sätzen.
Auf den ersten Blick deutet Satz eins gar eine positive Kehrtwende der offiziellen Altersbestimmung an.
„Dass Ronnenberg alt ist, daran zweifelt niemand“
steht da zu lesen. Diese Binsenwahrheit wurde indes seit 2004 von offizieller Seite vehement bestritten. Auf dem Fuß folgen dann allerdings wieder die alten klischeehaften Einschränkungen.
Zitat Stadt, zweiter Satz:
„Nur wie alt, darüber lässt sich durchaus streiten“
Man kann wohl darüber streiten, ob Ronnenbergs Wurzeln einem vorgeschichtlichem Heiligtum entkeimen und auch darüber, ob jenes runibergun, bei dem 530 die erste Schlacht im Kampf der Merowinger gegen die Thüringer stattgefunden hat, mit unserem Ronnenberg identisch ist. Da diese Fragen aber wissenschaftlich noch nicht geklärt sind, kann man das negativ belegte Wort streiten durchaus positiv ausdrücken durch Worte wie „es ist möglich, dass “, und damit zugleich publicitywirksam argumentieren, wie andere Kommunen landauf, landab das praktizieren..
Unstrittig ist allerdings, dass unser Ronnenberg im sechsten Jh. bereits 7oo Jahre kontinuierlich besiedelt war, laut wissenschaftlicher Datierung seit der der Spät La Téne (vor Chr.).
Allgemeingut anhand belegter Begleitumstände und wissenschaftlich nie in Zweifel gezogen ist ferner der Standort der Urkirche des Deisterlandes in Ronnenberg auf dem ehemaligen Tempelberg. Es war die Eigenkirche eines mehrfach belegten Ronnenberger Rittergeschlechtes. Sie trug den Namen Bonifatiuskapelle und stammt aus der Zeit der karolingischen Christanisierung im achten Jh. In unmittelbarer Nähe zur Bonifatiuskapelle wurde später auf diesem Hügel ein zweites Gotteshaus als romanische Basilika erbaut, das den Namen Michaeliskirche führt. Beide Kirchen haben mindestens 600 Jahre nebeneinander ihre Dienste verrichtet, bis zum Abbruch der Bonifaziuskapelle in der zweiten Hälfte des 17. Jh. Das unterstreicht die große Bedeutung Ronnenbergs als zentraler Kirchenort vom Mittelalter bis in die heutige Zeit.
Zitat Stadt, dritter Satz:
„Manche Behauptungen gehen dahin, dass der Stadtteil (Ronnenberg) älter als die Landeshauptstadt Hannover ist“
Eine recht naive Darstellung. Das Ortsnamenbuch des Verlages für Regionalgeschichte, Bielefeld 1998 von Ohainski/Udolph liefert die notwendigen Belege.
Hannover wurde erstmals um 1150 als Hanabruinborga und erst später als Hanofra oder Hanovere erwähnt, Ronnenberg dagegen bereits 1073 bis 1080 als Runiberc. Der kürzlich von mir gefundene Beleg 968 Runibergun, der 1073 als Ersterwähnung ablöst, ist dort noch nicht erfaßt. Die Frage, wer von den beiden Nachbarn nun älter ist, wird damit eindeutig mit Ronnenberg beantwortet.
Allein die in diesem wissenschaftlichen Handbuch aufgezählten Belege unterstreichen durchgängig historische Kontinuität und die zentrale Bedeutung Ronnenbergs. Eine Vielzahl ebenfalls neu aufgefundener, noch nicht erfasster Belege bestätigen weitere zentrale Kompetenzen Ronnenbergs.
Zitat Stadt, vierter Satz:
„Und tatsächlich, geht man allein nach dem Alter der Bonifatiuskapelle, deren Portal in die Michaeliskirche eingemauert wurde, die 524 in einem Ort mit Namen runibergun erwähnt wurde, ist Ronnenberg wirklich alt“
Hurra, die zweite Kehrtwende, oder total daneben? Von welchem Beleg wird hier eigentlich gesprochen oder werden wieder einmal die Begriffe Beleg und These verwechselt? Denn gäbe es den Beleg einer Bonifatiuskapelle in runibergun aus dem Jahre 524 wirklich, wären damit alle Zweifel an der Identität Ronnenbergs mit diesem runibergun ausgeräumt und damit auch die Lokalisierung des Widukindschen runibergun geklärt.
Aber nein, so leichtfertig kann man mit geschichtlichen Daten natürlich nicht umgehen. Zum einen ist es nahezu ausgeschlossen, daß es im seinerzeit heidnischen Land der Cherusker bereits eine christliche Kirche gab, die müsste dann ja von christlichen Römern erbaut sein und einen anderen Namen geführt haben, denn Bonifatius hat erst im Jahre 672 das Licht der Welt erblickt.
Ich vermute vielmehr, das hier aus einer These der Sekundärliteratur zitiert wurde. Vielleicht hatte der Autor Widukinds runibergun 530 im Auge? Dann käme möglicherweise ein frühchristlicher Merowinger in Betracht, der als Dank für den errungenen Sieg über die Thüringer eine Kapelle in Ronnenberg errichten ließ, die erst später dem Bonifatius geweiht wurde.
Zitat Stadt, fünfter Satz: (Die Antwort auf Satz vier)
„Doch eine urkundliche Erwähnung des Ortes aus dieser Zeit gibt es leider nicht“
Was denn nun? Welcher Ort wurde 524 nicht erwähnt? Satz vier besagt doch unmissverständlich, daß 524 eine Bonifatiuskapelle in dem Ort runibergun erwähnt wurde oder wird hier etwa der heutige Ortsname Ronnenberg vermisst? Da das Portal dieser Kapelle-übrigens neben anderen Fragmenten der Kapelle- in die Michaeliskirche eingegliedert wurde, und diese Kunstdenkmäler hier noch heute zu besichtigen sind, ist damit doch wohl eindeutig belegt, das diese Kapelle in Ronnenberg, in unmittelbarer Nähe der Michaeliskirche, gestanden hat. Oder wird etwa daran gedacht, dass diese tonnenschweren Steinblöcke im Mittelalter womöglich aus Thüringen herangeschleppt oder gekarrt wurden, nur um den runibergun Beweis für Ronnenberg zu sichern. Klingt sehr abstrus und dennoch lohnt ein Blick auf eine ähnliches Ereignis in Baden bei Wien. Hier wie in Ronnenberg herrschte Ratlosigkeit angesichts eines karolingischen Steinportales. Kommunale österreichische Politiker mit wissenschaftlicher Unterstützung wollten nicht wahrhaben, das dieses wertvolle Portal zur Kirche eines heute unbedeutenden Ortes nahe Baden gehört. Daher wurde der Verdacht geäußert, die Einzelteile gehörten nach Aquileja. Dort wären sie von Sponsoren aufgekauft und in die österreichische Kirche eingebaut worden. Erst Jahre später gelang der Heimatforschung der Nachweis, das es sich tatsächlich um ein karolingisches Portal handelt und dies schon immer Bauglied der dortigen Kirche war. Damit war gleichzeitig eine Altersbestimmung der Kirche gelungen.
Solange die Stadt Ronnenberg es ablehnt, den fundierten Ausarbeitungen des Heimatbundes zu folgen, sollte sie einmal einen Blick auf die offiziellen Seiten der übergeordneten Region Hannover werfen. Die nämlich hat keine Scheu, sich auch auf Überlieferungen, Vermutungen bzw. noch nicht belegte Thesen zu berufen. Zur Ronnenberger Geschichte würde sie dort erstaunliche Aussagen entdecken.
Z.B.:
daß Ronnenberg vielleicht die älteste erhaltene Siedlung des Calenberger Landes ist.
daß Ronnenberg vermutlich mit Widukinds runibergun 530 identisch ist.
daß das in Niedersachsen einzigartige Bonifatiusportal merowingische und langobardische Stilelemente aufweist (die natürlich das Alter bestimmen)
daß der heutige Ortsname mit aller Wahrscheinlichkeit auf Runenberg zurückgeht und eine heidnische Kultstätte überliefert ist, an deren Stelle im Zuge der Christianisierung die erste Kapelle in Ronnenberg gebaut wurde,
daß die Michaeliskirche die Mutterkirche des Landes zwischen Deister und Leine war.
Beim direktem Vergleich der beiden Textseiten, (Region/Stadt) wird im Übrigen das Anliegen der beiden Anbieter deutlich. Auf der einen Seite das Bemühen um eine publicityfreundliche Anzeige durch positive Impulse, auf der anderen Seite Desorientierung und Blockade.
Ronnenberg, 11.09.2010
Karl-Fr. Seemann
NS
Vorabdruck eines Auszuges der in Arbeit befindlichen Ronnenberger Geschichtshefte (Internetseiten der Stadt Ronnenberg)