36 Der Heimatbund antwortet auf die Schriftenreihe der Stadt Ronnenberg
Heimatbund Niedersachsen e.V., Gruppe Ronnenberg, Karl-Fr. Seemann
Stellungnahme
zur Schriftenreihe der Stadt Ronnenberg, erster Band
„Ronnenberg im Calenberger Land“
Relevanz der Broschüre nach dem Rechtsstreit um Namensänderungen in Thüringen.
Die Ausgangslage
Im Mittelpunkt der Beiträge dieser Schrift steht das Gutachten der Mediävistin Dr. A. von Boetticher zur Frage „Runibergun –Ronnenbergs Ersterwähnung für das Jahr 531 ?“
mit dem ultimativen Spruch „Eine Gleichsetzung von Runibergun mit Ronnenberg (Region Hannover) ist daher abzulehnen.“(Ursprüngliche Fassung: „kommt nicht in Frage“)
Als Begründung führt die Gutachterin die Flucht der Thüringer zur Burg Scheidungen an,
„die die geschlagenen Thüringer von einem Schlachtfeld bei Ronnenberg aus keinesfalls in Tagesfrist hätten erreichen können.“
Das Problem beginnt nur damit, daß dieser Tagesritt von keinem Berichterstatter erwähnt wird und die Schlachtorte wegen der Namensähnlichkeit an Runneburg und den Ronnebergen in der Unstrutregion festgemacht werden, die trotz jahrhundertelanger Grabungen keinerlei Funde/Befunde der fraglichen Zeit vorweisen können, wie in dem von Boetticher Gutachten ausdrücklich betont wird. Zitat:
Im Falle der Runneburg konnte ein Zusammenhang mit dem Schlachtgeschehen aufgrund archäologischer Untersuchungen inzwischen nahezu ausgeschlossen werden, bei den Ronnebergen bestehen allein Vermutungen.
Die aktuelle Situation
Mit der bedingungslosen Festlegung auf Unstrut Orte gerät das von Boetticher Gutachten in den Strudel eines Rechtsstreites um die Namensänderung der Burg Weißensee in Runneburg. Denn verschiedene Gutachten, u. a. von Prof. M. Werner, Friedrich-Schiller-Universität Jena, Stellungnahme zur Bezeichnung der Burg Weißensee vom 24.4.2008 und des Marburger Historikers G. Strickhausen, Burg Weißensee oder Runneburg? Geschichte eines Irrtums in Jahrbuch der Stiftung Thüringer Schlösser und Gärten, Bd. 10 für das Jahr 2006 (2007), S. 125-130 belegen die Unrechtmäßigkeit der Namensänderung einer im zwölften Jahrhundert beurkundeten Weißenburg in Runneburg alias Runibergun in der NS-Zeit. Strickhausen fordert gar, die Bezeichnung Runneburg als anerkannten Irrtum in der Versenkung verschwinden zu lassen.
Fazit
Der Tagesritt wird eindeutig an den Unstrutorten festgemacht. Runneburg steht aber selbst als Hypothese nicht mehr zur Verfügung, weder archäologisch noch unter dem Gesichtspunkt der Namensähnlichkeit, und ist außerdem durch Nazi Initiativen erheblich belastet.
Für die Ronneberge (Nebra) These sind reine Vermutungen kein tragfähiges Fundament.
Die gesamte Stadtbroschüre gerät dadurch in eine erhebliche Schieflage, während dem Gutachterspruch mit der ultimativen Absage an Ronnenberger Ansprüche auf Runibergun
völlig die Grundlage entzogen ist.
Dagegen besteht die reale Möglichkeit, in der Siedlung Ronnenberg, die auch ohne Runibergun bereits durch eine mehrperiodische Siedlungskontinuität ab dem dritten Jahrhundert v.Chr. bis in die Merowinger Zeit belegt ist, auch Runibergun archäologisch nachzuweisen, fußend auf diversen Funden dieser Zeit, und damit die bereits aufgezeigte Kontinuität zu stabilisieren, da nach wissenschaftlichen Erkenntnissen auch eine durchgängige Siedlungskontinuität nicht auszuschließen ist.
Karl-Fr. Seemann, 28.5.2010
NS
Vorabdruck eines Textbausteines der in Arbeit befindlichen Buchkritik.
S. auch " 5 Wahrheit und Legende" vom 12.01.2010
Sehr geehrter Herr Stolle,
erlauben Sie mir doch ein kurzes Nachwort, das ich insbesondere den hannoverschen Historikern ins Gedächtnis schreibe, das aber auch die Thüringer bei der Suche nach Runibergun bedenken sollten.
Im zweiten Absatz meines Kommentars erwähne ich die beiden Berichterstatter
Gregor von Tours (zeitnah) und Widukind von Corvey (Platzhirsch). Von den Wissenschaftlern wird offensichtlich völlig ignoriert, daß sich diese beiden Quellen nicht widersprechen. Von einer Pattsituation kann also absolut keine Rede sein. Dagegen ist bei einem Vergleich dieser Chronisten gar eine deutliche Übereinstimmung bei der Lokalisierung des ersten Waffenganges erkennbar. Ein geografisch weit entfernter Merowinger ohne Kenntnisse vor Ort kann sich zur Lokalität nicht deutlicher äußern, ein vor Ort
beheimateter Sachse sehr wohl. In diesem Fall gilt doch die wissenschaftliche Grundregel, daß die Verläßlichkeit der beiden Quellen beträchtlich an Wert gewinnt. Die Praxis sieht jedoch anders aus. Man kapriziert sich völlig auf die Unstrut-Region.
Nochmals vielen Dank für Ihr Interesse.
Karl-Fr. Seemann