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Wilhelm Neurohr: „SPD UNTER GABRIEL WIRD DIE ANDERE HÄLFTE DER WÄHLER UND MITGLIEDER AUCH NOCH VERLIEREN“

„SPD UNTER GABRIEL WIRD DIE ANDERE HÄLFTE DER WÄHLER UND MITGLIEDER AUCH NOCH VERLIEREN“

Zur Berichterstattung und Kommentierung vom 12.12.2015 über den SPD-Bundesparteitag in den Zeitungen des Medienhauses Bauer, Marl:

Nicht die halbherzige „Abstrafung“ des selbstherrlichen und widersprüchlichen Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel durch die Delegierten bei seiner Wiederwahl (mangels Gegenkandidaten) war das Bemerkenswerte an dem SPD-Bundesparteitag. Sondern es wurde allzu deutlich, dass der trotz „Denkzettels“ wiedergewählte Vorsitzende gar nicht begriffen hat, was die Parteibasis und die 25% verbliebenen SPD-Wähler wirklich bewegt, nämlich die Frage: Wofür steht die 152-jährige sozialdemokratische Partei SPD eigentlich inhaltlich und warum will der selbst ernannte Kanzlerkandidat Gabriel keinen überfälligen Politikwechsel?

Gabriel kann froh sein, dass es sich bei den Bundesdelegierten seiner Partei überwiegend um die gehobene und linientreue Funktionärsschicht aus den Kreisverbänden und Parteibezirken handelt und nicht wirklich um die „einfachen Parteimitglieder an der Basis“, bei denen er vermutlich nicht einmal die Hälfte der Stimmen bei seiner Wiederwahl erhalten hätte. Mit seiner demonstrativen Einladung von Gerhard Schröder als Parteitagsredner, dessen Agenda-Politik „der Mitte“ nahezu die Hälfte der SPD-Mitglieder und die Hälfte der SPD-Wähler dauerhaft vertrieben hat, wurde den Parteimitgliedern signalisiert: Mit Gabriel bleibt die SPD weiterhin auf neoliberalem Schröder-Kurs und wird so die andere Hälfte der Mitglieder und Wähler auch noch verlieren.

Warum sollen die Wähler Herrn Gabriel wählen ohne Mehrheitsoption für einen politischen Wechsel – also erneut als bewährtes Koalitions-Anhängsel der CDU-Kanzlerin? Für deren Wiederwahl wegen inhaltlicher Übereinstimmung plädierte zuvor sogar der norddeutsche SPD-Ministerpräsident Thorsten Albig, mitsamt Verzicht auf einen eigenen SPD-Kanzlerkandidaten. Worin unterscheidet sich Gabriels SPD-Politik noch marginal von Merkels CDU-Politik? Und was mutet er oft in Alleingängen seiner Basis und seinen Wählern ohne vorherige Beteiligung alles zu: Ob Vorratsdatenspeicherung oder Freihandelsabkommen TTIP und CETA, ob Asylpolitik oder Kriegseinsatz in Syrien ohne UN-Mandat, ob „private“ Kontaktgespräche Gabriels bei Pegida, ob Ablehnung der Vermögenssteuer für Reiche und völliges Ignorieren der jährlichen Armutsberichte und der steigenden Zahl von Armutsrentnern – nirgendwo mehr eine sozialdemokratische Handschrift.

Und trotz des Desasters um den vorherigen selbst ernannten PD-Kanzlerkandidaten Steinbrück wieder dasselbe Muster. Gabriel ruft sich selber im Alleingang zum Kanzlerkandidaten aus – ein taktischer Schachzug vor dem Parteitag in der trügerischen Hoffnung, dann könnten die grummelnden Delegierten ihn nicht öffentlich demontieren. Diese Rechnung ist nicht aufgegangen, denn die Anhänger (zu denen ich längst nicht mehr gehöre) sind zumeist deshalb in die Partei eingetreten, um Politik demokratisch mitzugestalten und zu beeinflussen – und nicht aus Kadavergehorsam, wie er auf Bundesparteitagen von oben erwartet wird („Basta-Kanzler“). Die SPD als Dauer-Juniorpartner der CDU wird irgendwann wohl das gleiche Schicksal erleiden wie vor ihr die im Parteienspektrum überflüssige „18-%-Partei“ FDP, die in der Versenkung verschwunden ist… Das war es dann wohl mit der „ältesten Partei“ Deutschland, an die dann nur noch das höchste Mitgliedsalter erinnert.

Wilhelm Neurohr

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3 Kommentare

Ich finde es von den Parteitagsanwesenden genial, wie sie sich selbst verleugnet haben. Sie wissen das die SPD Probleme hat, wie wissen auch warum, sie wissen wer verantwortlich ist. Und wie Lösen sie die Probleme: "Wenn wir schreiten Seit an Seit und die alte Leier singen!"
HARTZ IV, TIPP, SETA, Bundeswehr-Auslandseinsätze, eigentlich alles nicht mit sozialdemokratischen Werten vereinbar. Aber die Schafherde folgt auch dem Metzger in ihren sicheren Untergang. Schließlich sitzen sie ja alle in einem Boot.

Wieso die Aufregung? Die SPD ist so neoliberal, wie der Wähler und das Mitglied das wollen. War schon bei Schröder so... da wurde zwar an der Basis gemotzt, aber man blieb Mitglied und finanzierte die arbeitslosenfeindliche Politik sogar noch.

Wer eine soziale, menschen- und armenfreundliche Politik will, muss eben eine solche Partei wählen... weiß zwar grad keine, aber die Sozis sind es nicht... ;)

> "ob „private“ Kontaktgespräche Gabriels bei Pegida"

Na, das wäre ja mal was Gutes gewesen, entgegen der hysterisch gekreischten Antipegidahetze mal mit besorgten Normalbürgern zu sprechen...
Aber das war wohl auch nur Taktik?!
Und schnell wurde das Fähnchen ja in den bunten Gutmenschenwind gedreht...

(Würde mich mal interessieren, welche Ausdrücke er für den bunten Terror in Leipzig hätte ;))

Heiner Flassbeck hat in seinem Blog flassbeck-economics unter dem Titel "Der neue und der alte SPD Vorsitzende: Starke Worte, schwache Taten – doch die Zeit der Abrechnung kommt" alles gesagt, was gesagt werden muss.

Nur die Mitglieder der SPD können den Abstieg der SPD zur Bedeutungslosigkeit noch verhindern. Werden Sie es tun? Ich fürchte: Nein.

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