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Wilhelm Neurohr: Mit ihrer Sperrklausel manövriert sich die NRW-SPD selber ins Abseits (Leserbrief)

...an das Medienhaus Bauer Marl:

Ein seltsames Demokratieverständnis und mangelnde Lernfähigkeit offenbart die SPD in NRW mit ihrer Ankündigung, bei den Kommunalwahlen künftig wieder eine Sperrklausel einzuführen durch Änderung der Landesverfassung. Soll das etwa die Antwort auf die dramatisch niedrige Wahlbeteiligung sein? Gerade erst hat das Bundesverfassungsgericht aus gutem Grund die 3%-Klausel vor der Europawahl ebenso für ungültig erklärt wie seinerzeit die 5%-Klausel bei den Kommunalwahlen. Nun möchte die SPD den demokratischen Fortschritt wieder zurückschrauben mit dem vorgeschobenen und fadenscheinigen Argument: Bei der letzten Kommunalwahl seien in den Stadträten allzu viele Wählergruppen und Bürgerlisten eingezogen, die man geringschätzig als “Splitterparteien“ bezeichnet. (Die SPD muss aufpassen, dass sie nicht daraufhin selber zu einer solchen wird.)

Gab es nicht erst vor vier Wochen lautes Wehgeschrei über die dramatisch gesunkene Wahlbeteiligung bei den Kommunalwahlen um durchschnittlich etwa 40%, bei den Stichwahlen vielerorts unter 30%? Da müsste sich doch jeder Politiker darüber freuen, wenn Bürgerinnen und Bürger in freien Listen und Wählergemeinschaften sich kommunalpolitisch selber engagieren statt den Kommunalwahlen fernzubleiben, weil sie sich durch die etablierten Par-teien vor Ort nicht mehr hinreichend repräsentiert fühlen. (Dass unter anderem auch Rechtspopulisten dabei versuchen, in die Räte einzudringen, muss in politischer Auseinandersetzung verhindert werden).

In Wahrheit geht es der SPD aber einzig und allein um das Machtmonopol und die Pfründe der etablierten Parteien in den Räten, die keine Konkurrenz von parteiunabhängigen Bürgerinnen und Bürgern vertragen. Mit einem eigens in Auftrag gegebenen „Gefälligkeitsgutachten“ bei der Universität Bochum durch Herrn Bogumil hatte die SPD des-halb vor einem halben Jahr bereits ihren Vorstoß untermauern lassen: Mit dem wissenschaftlich unhaltbaren Argument, dass in den Stadträten „Weimarer Verhältnisse“ einziehen würden, will die SPD das (in der Verfassung so nicht vorgesehene) Parteienmonopol und -privileg wiederherstellen, statt sich politisch dem veränderten Wählerverhalten zu stellen. Es ist eine irrige Hoffnung, dass sich die an der Mitarbeit per Sperrklausel verhinderten Wählergruppen dann wieder den etablierten Parteien zuwenden, sondern sie gehören dann ebenfalls zur vergrößerten Nichtwählergruppe.

Keineswegs bewirkt die buntere Rats-Zusammensetzungen eine angebliche „Unregierbarkeit der Städte“ oder eine Gefahr für die Demokratie, sondern im Gegenteil eine demokratische Bereicherung! Allerdings können die Ratsparteien oder -koalitionen nicht mehr wie gewohnt „durchregieren“, sondern müssen sich der Debatte und Auseinandersetzung stellen und im Rat überzeugend argumentieren und um jeweilige Mehrheiten ringen. Das mag lästig und unbequem sein, aber demokratischer als der lähmende Mehltau der üblichen Hinterzimmer-Politik des Parteigeklüngels vor den Ratssitzungen. Die SPD hat nicht begriffen, dass die Antwort auf ihre angestrebte Sperrklausel eine noch weiter sinkende Wahlbeteiligung wird, zum Schaden der lokalen Demokratie! Dafür wird sie bei der nächsten Kommunalwahl ganz sicher einen Denkzettel bekommen statt mehr Zuspruch. Mit ihrer Sperrklausel manövriert sich die NRW-SPD selber ins Abseits.

Wilhelm Neurohr

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1 Kommentar

Guter Artikel.

Die Hürden wurden schon immer favorisiert, um den politischen Gegner auszubremsen. Die bei der Bundeswahl wurde ja gegen die Linksradikalen eingeführt - mit der späteren Begründung, die Rechtsradikalen ausgrenzen zu wollen. Trickserei, die keinen Wähler überzeugt - eher im Gegenteil animiert man den Wähler dazu, die ungewollten Radikalen erst recht zu wählen, um sie über die Hürden zu schieben...

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