Wilhelm Neurohr: „IN DER RENTENDEBATTE LEISTEN DIE CDU-JUNGEN IHRER GENERATION EINEN BÄRENDIENST“ (Leserbrief)
...an das Medienhaus Bauer, Marl
zum Aufmacher vom 9.12.2013 „Aufstand der CDU-Jungen“
„IN DER RENTENDEBATTE LEISTEN DIE CDU-JUNGEN IHRER GENERATION EINEN BÄRENDIENST“
Dass der Recklinghäuser CDU-Bundestagsabgeordnete Philipp Mißfelder (mit nur 28% Wählerstimmen im Wahlkreis Recklinghausen) wieder vorneweg dabei ist, wenn es um „Jung gegen Alt“ beim vermeintlichen „sozialen Verteilungskampf der Generationen“ geht, überrascht nicht. Wir erinnern uns ja noch lebhaft an seine skandalöse Forderung der Einschränkung von Krankenassen-Leistungen für Ältere (Stichwort: Hüftoperationen).
Nun also das Missgönnen von gerechten Leistungen der Rentenkassen zum Verhindern von Altersarmut für die langjährigen Beitragszahler, zu denen Mißfelder und seine jungen Politiker-Kollegen ja gar nicht gehören. Denn weder die Politiker und Beamten noch die Selbständigen oder die Kapitalbesitzer beteiligen sich mit eigenen Einzahlungen am solidarischen System der finanziellen Alterssicherung, nehmen aber wie selbstverständlich für sich selber in Anspruch, deutlich höhere Altersversorgung als jeder Durchschnittsrentner zu bekommen. Für wen also sprechen Herr Mißfelder & Co.?
Dabei war es doch die CDU, die in den zähen Koalitionsverhandlungen stärker steuerfinanzierte Rentenleistungen und damit eine solidarische und generationengerechte Rentenfinanzierung verhindert hat, weil sie dafür keine Steuererhöhung für die Allerreichsten akzeptierte. Mit ihrer im Koalitionsvertrag durchgesetzten Regelung, möglichst alles auf die Beitragszahler abzuwälzen, sorgte sie für eine bloße Umverteilung der Rentenversicherten untereinander und damit für den beklagten Generationenkonflikt. (Warum überlassen die selber nicht betroffenen Politiker die Rentenregelungen nicht den Versicherten selber über ihre Selbstverwaltungsorgane in den Sozialkassen? Dann kämen sicher ausgewogenere Lösungen zum Tragen.)
Um die leicht verbesserten Rentenleistungen bezahlbar zu machen, wird laut Koalitionsver-trag immerhin auf eine Absenkung der Rentenkassenbeiträge verzichtet und eine evtl. Erhö-hung der Beiträge in späteren Jahren in Kauf genommen, wie von den CDU-Jungen beklagt. Na und? Genau dieses Vorgehen dient doch der Generationengerechtigkeit unter Berück-sichtigung der demografischen Altersverschiebung!
Doch statt ein oder zwei Prozent Beitragserhöhung nimmt Herr Mißfelder als erklärter Anhänger der Agenda 2010 lieber vier Prozent zusätzlichen Beitrag für die private, aber unsi-chere Riester-Rente in Kauf. Laut Adam Riese sind aber vier Prozent eine vierfach höhere Belastung für die Jüngeren als etwa 1 Prozent Beitragserhöhung in der gesetzlichen Renten-versicherung. Deren Umlagefinanzierung ist kurz- und langfristig sicherer als alle Rentenprodukte am privaten Kapitalmarkt in Zeiten niedriger Zinsen und Finanzmarktkrisen. Wenn dennoch Herr Mißfelder mit seinen Jungpolitikern einer neuen „Agenda 2020“ das Wort redet und damit wohl einer weiteren Privatisierung der Sozialkassen, dann gefährden sie damit die Rentenzukunft der jungen Generation!
Vor allem sorgte die Agenda 2010 für die Prekarisierung des Arbeitsmarktes mit Leih- und Zeitarbeitern und Niedriglöhnern etc., die nur wenig in die Rentenkassen einzahlen können und deshalb von Altersarmut bedroht sind! Die Agenda 2010 hat nicht nur die Grundsteine für die Altersarmut gelegt, sondern auch für die erschreckend zunehmende Kinderarmut und die Jugendarbeitslosigkeit (die oft mit unbezahlten Praktikantenverträgen überbrückt wird). Jedes dritte bis vierte Kind lebt in den Städten und Stadtteilen des Kreises Recklinghausen von Hartz IV.
Mit diesen untauglichen Rezepten der Agenda-Politik als Ursache, nicht als Lösung der Probleme, möchten die CDU-Jungen die Zukunft gestalten? Damit heizen sie den Generati-onenkonflikt nur an statt ihn zu solidarisieren, denn Jung und Alt sitzen im selben Boot! Mit einem Unterschied: Im Gegensatz zu den CDU-Jungen, die den Verzicht vor allem auf die Alten abwälzen wollen, haben sich die Alten etwa in der Nachkriegszeit mit ihrem Kinderreichtum nie darüber beklagt, dass sie für so viele Junge aufkommen müssen, im Gegenteil: Sie haben ihnen durch ihre Lebensleistung klaglos eine bessere Zukunft in Wohlstand verschafft, die nun die CDU-Jungen durch „weniger Sozialstaat“ wieder zurückfahren möchten. Ob die betroffenen Jungwähler das honorieren?
Die Recklinghäuser CDU sollte darüber nachdenken, ob ihr „populistischer Jung-Karrierist“ im hiesigen Wahlkreis mit solchen Aktionen hier noch tragbar ist, nachdem er bei der letzten Bundestagswahl gerade mal 28 Prozent bekam und erst nach einer Zitterpartie über die Landesliste in den Bundestag rutschte…In der Rentendebatte leisten die CDU-Jungen je-denfalls ihrer Generation einen Bärendienst.
Wilhelm Neurohr