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Siegfried Born: Wegwerfen und Überproduktion von Lebensmitteln

Erschreckende Erkenntnis über das Wegwerfen von Lebensmitteln in Deutschlands Haushalten – aber auch bewusste Überproduktion von Lebensmitteln für die Müllhalde

Von Siegfried Born

Das Überangebot in den Regalen und die zum Teil enorm niedrigen Preise, vor allem für Fleisch, fordern uns als Verbraucher geradezu auf, zu konsumieren. So wird gekauft, obwohl vielleicht noch nicht nötig. Vieles von dem, was an Lebensmitteln eingekauft wird, verdirbt, weil es zu lange aufbewahrt wurde oder das Mindestverfalldatum längst überschritten ist.

Erschreckender ist aber, dass die Industrie Lebensmittel herstellt, die von vornherein für die Müllhalde bestimmt sind. Obwohl die Erkenntnis da ist, dass weit aus weniger produziert zu werden brauchte, wird weiterhin für die Müllhalde produziert. Täglich müssen Tonnen von Lebensmitteln, hier vor allem Fleisch- und Wurstwaren, aber auch Milchprodukte, aus den Regalen herausgenommen und weggeworfen werden.

Wie könnte ein Überangebot auf ein Normalmaß reduziert werden und somit die Menge weggeworfener Lebensmittel sowohl von der Industrie als auch von Privathaushalten deutlich minimiert werden? Antworten hierauf versucht Siegfried Born zu geben, Mitglied der Gewerkschaft ver.di, Mitglied bei attac:

Wir müssen bei uns selbst anfangen
Nur das einkaufen, was auch tatsächlich verbraucht wird

Zunächst könnten wir mit unserem Kaufverhalten selbst dafür sorgen, dass immer nur soviel an Lebensmitteln im eigenen Haushalt vorhanden sind, die auch bis zum Ablauf der Mindestverfalldaten verbraucht werden. Einen Speiseplan für je eine Woche aufzustellen, würde dabei entscheidend helfen. Dabei sollte möglichst weniger Fleisch auf dem Speisplan stehen. Stattdessen frisches Gemüse, Obst und Fisch. Gerade bei leicht verderblichen Speisen wie Fisch muss mit der Zubereitung möglichst noch am Tage des Einkaufs begonnen werden. Eine Unsitte ist es, enorme Mengen an Lebensmitteln einzukaufen, da diese im Supermarkt ja so super billig sind. Nach dem Motto: „bevorraten Sie sich“ wird dann munter eingekauft und in die Regale, Schubladen oder den Kühlschrank verwahrt.

Unseren Kindern müssen wir gutes Vorbild sein
Lebensmittel wirft man nicht weg!

Brot wirft man nicht weg! Das ist ein sehr richtiger und wichtiger Satz, den wir unseren Kindern immer wieder aufs Neue mit auf den Weg geben. Aber auch wir, die Eltern, die Erwachsenen, die Lehrer und Ausbilder sollten den jungen Menschen schon frühzeitig den Wert der Lebensmittel beibringen und selbst Vorbild sein, wenn es darum geht, zu zeigen und vorzumachen, wie mit Lebensmitteln umzugehen ist und wie nicht. Auch das eigene positive Kaufverhalten kann und muss weiter gegeben werden. Dazu gehört dann auch, dass ganz bewusst Speisen mit Fleisch so gering wie möglich in der Woche angeboten werden. Viel öfter sollte Gemüse, Reis, Nudeln Kartoffeln und Obst auf den Speiseplan stehen. Selbst gemachter Pudding aus Milch schmeckt doch immer noch besser als aus dem Supermarkt. In den Schulen muss es einen abwechslungsreichen und gesunden Speiseplan geben, der sich verabschiedet hat vom bisherigen Fast-Food-Essen. Immer stärker muss auf Getränke geachtet werden, die einen geringen Anteil an Süßstoff haben. Denn gerade zuckerhaltige Getränke und fetthaltige Speisen tragen dazu bei, dass unsere Kinder erhebliche Gesundheits- und Gewichtsprobleme haben.

Mindestverfalldatum als Begründung fürs Wegwerfen

Die Zeit verstreicht und wir stellen fest, dass der Joghurt im Kühlschrank das Mindestverfalldatum erreicht oder gar überschritten hat. Und so wird oftmals weggeworfen, was durchaus noch genießbar sein könnte. Beraterinnen und Berater des Verbraucherschutzes weisen stets darauf hin, dass es ja nur ein Mindestverfalldatum ist und oftmals das eingekaufte Produkt bei entsprechend richtiger Lagerung auch nach diesem Datum noch genießbar ist. Aber leider muss vielfach das überschrittene Datum als Begründung herhalten, um mit „gutem“ Gewissen diesen Joghurt oder eine verschlossene Dose mit Gemüse wegzuwerfen. Es gibt sogar Beweise dafür, dass sich Lebensmittel in verschlossenen Gläsern oder Dosen noch Jahre nach Ablauf des Mindestverfalldatums gehalten haben und genießbar gewesen sind ohne Bedenken für die eigene Gesundheit. Auch hier muss bei uns ein Umdenken stattfinden. Zunächst begutachten und prüfen, erst danach entsorgen, wenn wirklich nicht mehr genießbar.

Die industrielle Überproduktion von Fleisch (Schweine und Hühner) und Milch muss umgehend beendet werden

Seit Jahren werden hier in Deutschland riesige Mengen an Tieren gezüchtet (vor allem Schweine und Hühner), die innerhalb weniger Wochen und Monate zur Schlachtreife heranwachsen und dann getötet werden. Für den um sich greifenden Expansionsrausch stehen auch niederländische Industrielle wie die Firma Straathof, die in Mecklenburg-Vorpommern 100.000 Schweine mästet und in Sachsen-Anhalt und in der Altmark Betriebe mit 32.000 Sauen unterhält. Die Agro-Industriegruppe E. Arts und M. Bolder/Bolart füttert in Vetschau im Spreewald rund 70.000 Schweine. Gleich 400.000 Hühner sollen in einer Fabrik gemästet werden, die mit staatlicher Unterstützung in Neubrandenburg errichtet wird. Agrarindustrieller Größenwahn ist in Wietze bei Celle sichtbar, denn dort wurde vor kurzem der größte Geflügelschlachthof Europas eingeweiht, im dem jährlich rund 135 Millionen Hühner geköpft werden sollen; das sind 250 in der Minute.

Das sind Rekordmengen, für die es keinen Bedarf gibt, dennoch wird immer weiter produziert und die Zahl der zu mästenden und schließlich zu tötenden Tiere immer größer. So werden dann vier bis sechstausend Schweine an manchen Schlachthöfen an einem Tag getötet, zerlegt, verarbeitet, verpackt und Handelsriesen wie ALDI, LIDL, Rewe, Edeka und Tengelmann zur Verfügung gestellt. Diese unterbieten sich mit ihren Preisangeboten derartig, dass Fleisch zur Haupternährungsquelle der Verbraucher geworden ist. Fleisch ist dann billiger als Obst, Gemüse oder Fisch. Und dennoch werden tagtäglich zig Tonnen von Fleisch- und Wurstwaren aus den Regalen genommen und weggeworfen, weil trotz der niedrigen Preise ein Überangebot vorherrscht. Das Angebot an Fleischprodukten ist derartig hoch, dass die Nachfrager, also wir Konsumenten, diese Mengen gar nicht mehr schaffen, zu verbrauchen, selbst wenn täglich Fleisch auf den Tisch kommen würde. Und dennoch wird das Wegwerfen der produzierten Lebensmittel, wie Fleisch- und Wurstwaren billigend in Kauf genommen, weil für die Produktion satte Subventionen der EU zu erwarten sind.

Subventionen der EU sind für Großbetriebe Anreiz, noch weiter zu expandieren
Die Subventionen der EU für derartige Großbetriebe sind so verlockend, dass immer mehr expandiert wird, anstatt die Mengen zurückzufahren. Und so setzt sich ein Kreislauf in Bewegung, der offenbar nicht mehr zu stoppen ist, es sei denn, die Subventionen der EU werden drastisch gekürzt, so dass es sich für die Großmäster, die Großagrarier, nicht mehr lohnt, die Mammutbetriebe immer weiter auszubauen. Hier muss also politisch gegengesteuert werden, damit dieser Produktionswahnsinn ein Ende hat.

Milchproduktion nur für Großbetriebe lukrativ
Vom Tier werden immer mehr Mengen Milch abverlangt
„Die Kuh ist ein Trecker auf vier Beinen“

Aber nicht nur in der Fleischindustrie werden hohe Summen an Subventionen für die Produktionen gezahlt. Auch in der Milchwirtschaft können große Betriebe mit hohen Summen rechnen. Als Faustformel gilt: je größer umso mehr Subventionen. Da bleiben mittelständische Betriebe, vor allem aber Kleinbauern auf der Strecke, weil sie für ihre Arbeit so gut wie keine Subventionen erhalten. Die großen Molkereien sind es dann, die neben satten Subventionen auch die Preise für einen Liter Milch diktieren und so die Milchbauern geradezu zwingen, zu expandieren, damit wenigstens die Direktzahlungen der EU die Milcherzeugung lohnenswert machen. Und so kommt es auch in der Milchwirtschaft zu Riesenbetrieben, die von der Kuh immer mehr Milch pro Tag abverlangen, die nicht mehr das Wohl des Tieres sehen (daher auch die kritische Feststellung von Tierschützern: „Die Kuh ist ein Trecker auf vier Beinen“), sondern nur noch die Zahlungen an Subventionen durch die EU. Auch hier ist ein Teufelskreis festzustellen, der nur durch politische Veränderungen durchbrochen werden kann.

Subventionspolitik der EU ist dringend reformbedürftig

Abschließend muss festgestellt werden, dass ein Ende der Überproduktion von Fleisch und Milch nur dann möglich sein wird, wenn die politischen Rahmenbedingungen, die Subventionsregelegungen durch die EU völlig neu gestaltet werden, als dies bisher der Fall ist.

Die Verantwortlichen in der EU müssen künftig zugunsten der Kleinbauern, auch zugunsten der Tiere, der Umwelt und letztendlich der Verbraucher handeln und ihr bisheriges Subventionsverhalten deutlich überdenken.

Eine bedarfsgerechte Produktion von Fleisch und Milch würde auch dazu führen, dass nicht Woche für Woche Tonnen von verpacktem und eingeschweißtem Fleisch und Milchtüten aus den Regalen genommen werden müssen, weil viel zu viele Produkte das Verfallsdatum längst überschritten haben.

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2 Kommentare

Da wird sich nichts ändern.
Der Kunde will sicher nicht riskieren, abgelaufenen Kram zu essen.
Und er will sein reichhaltiges Angebot, weshalb der Händler mehr bieten muss, als gekauft wird.

Eine Überproduktion an sich haben wir nicht. M.W. kann sich D ohne Import nicht mehr selbst ernähren. Und würde man die "industrielle" Landwirtschaft wieder wegen der Romantik vermittelalterlichen, könnten wir uns erst recht nicht mehr selbst ernähren.

:: Der "Fleischatlas 2013" zeigt: Eine Wende in der Agrarpolitik ist überfällig!
+ 11.01.2013 + Ein Deutscher verbraucht in seinem Leben im Schnitt 1.094 Tiere, darunter 4 ganze Rinder, 4 Schafe, 12 Gänse, 37 Enten, 46 Schweine, 46 Puten und 945 Hühner.

Mit einem jährlichen Fleischverzehr von rund 60 Kilogramm essen die Deutschen doppelt so viel Fleisch wie die Menschen in Entwicklungs- und Schwellenländern. In den ärmsten Ländern der Welt liegt der Fleischkonsum unter 10 Kilogramm pro Jahr. Zugleich produzieren landwirtschaftliche Betriebe hierzulande etwa 17 Prozent mehr Fleisch als verzehrt wird. Fast zwei Drittel der deutschen Agrarflächen dienen inzwischen der Erzeugung von Futtermitteln.

Diese und weitere Zahlen enthält der "Fleischatlas", herausgegeben von der Heinrich-Böll-Stiftung, Le Monde Diplomatique und dem Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Der "Fleischatlas" zeigt in Texten und Grafiken die globalen Zusammenhänge der Fleischerzeugung.

Die intensive Fleischproduktion in Europa ist nicht nur qualvoll für die Tiere und belastet die Umwelt, sondern frisst gleichzeitig riesige Mengen an Rohstoffen, die wir als Futtermittel aus Ländern des globalen Südens importieren: Nach China ist Europa der größte Importeur von Soja! Um den Hunger unserer Schlachttiere zu befriedigen, haben Argentinien und Brasilien in den letzten Jahren ihre Anbauflächen für die Sojaproduktion in großem Stil erweitert.

Mittlerweile nutzen wir nahezu ein Drittel der weltweiten Landflächen für die Futtermittelproduktion, während die Kleinbauern zunehmend ihr Land und damit ihre Nahrungs- und Existenzgrundlage verlieren. Das Schnitzel auf unserem Teller geht also nicht selten auf Kosten der Ernährungssicherheit zahlreicher Menschen im Süden dieser Welt.

Der BUND und die Heinrich-Böll-Stiftung fordern daher eine Kehrtwende in der Agrarpolitik. Es muss in Zukunft darum gehen, die Exportsubventionen für Überproduktionen abzubauen und die kleinbäuerliche Landwirtschaft zu fördern, um das Menschenrecht auf Nahrung in Anbetracht der knappen Ressourcen endlich ernst zu nehmen!

Der Fleischatlas zeigt auch, dass bis zu zwei Drittel der Masthähnchen in Massentierhaltungsanlagen gegenüber bestimmten Antibiotika Resistenzen ausbilden, die auch für Menschen gefährlich sein können. Im weltweiten Ranking liegt Deutschland mit geschätzt etwa 170 Milligramm eingesetzten Antibiotika pro Kilo erzeugtem Fleisch auf einem der vorderen Plätze. Europaweit sterben im Jahr rund 25.000 Menschen aufgrund von Antibiotika-Resistenzen. In den USA erkranken jährlich 48 Millionen Menschen aufgrund von Bakterien – meist von tierischen Produkten übertragen.

Weitere Themen des "Fleischatlas" sind u.a. Vegetarismus, die globale Produktion und der Handel mit Fleisch, Subventionen in der Fleischindustrie, Massentierhaltung, Düngung, Futtermittel und der Klimawandel durch Fleischproduktion und -konsum.
Hier gibt es den Fleischatlas zum Herunterladen

Der BUND setze sich dafür ein, bei der laufenden EU-Agrarreform die Vergabe der 60 Milliarden Euro Subventionen an strenge Umwelt- und Tierschutzauflagen zu binden. "2013 muss die Bundesregierung zeigen, dass sie Lokomotive der EU-Agrarreform ist und nicht deren Bremserin", sagte der BUND-Vorsitzende.

Deshalb werde sein Verband anlässlich der "Grünen Woche" in Berlin am 19. Januar gemeinsam mit einem breiten Bündnis eine große Demonstration für Korrekturen der deutschen und europäischen Agrarpolitik durchführen.

Quelle: BUND 2013

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