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Siegfried Born: Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst im Jahre 2014 − immer wieder das gleiche Szenario

Die Arbeitgeber sprechen von „maßlosen“ oder „überzogenen“ Forderungen der Gewerkschaften – während die Gewerkschaften darauf pochen, dass die Einkommen der Kollegenschaft deutlich angehoben werden muss, vor allem weil die Vergütungen der im öffentlichen Dienst Beschäftigten weit unter denen der Kollegen in der Privatwirtschaft liegen. Woran liegt es, dass die alten Rituale immer wieder hoch geholt werden und gewerkschaftlich organisierte Kolleginnen und Kollegen wieder einmal als Drohkulisse gegen die Arbeitgeber her halten müssen und stimmt es, dass die öffentlichen Kassen stets leer sind?

Antworten hierauf zu geben versucht Siggi Born, langjähriges Mitglied der Gewerkschaft ver.di beim Bezirk Emscher-Lippe Nord, ehemals Sprecher der Vertrauensleute bei der Kreisverwaltung Recklinghausen, Mitglied des Fachbereichsvorstands Gemeinden:

„Das gab es schon zu Zeiten von Monika Wulf-Matthies“, sagte neulich noch ein schon älterer Kollege, der sich noch gut an den Streik 1992 erinnern kann und meinte damit die ewig gleichen Rituale der Gewerkschaften auf der einen Seite und der Arbeitgeber auf der anderen Seite während der Tarifverhandlungen, wenn es darum ging, mehr Geld für die Beschäftigten herauszuholen.

Die Vertreter der Arbeitgeberseite haben als erstes bis heute ihren Stil beibehalten und gaben schon immer in der ersten Verhandlungsrunde deutlich zu verstehen, dass es keinerlei Spielräume für eine Erhöhung der Gehälter und Vergütungen der Beschäftigten im öffentlichen Dienst gibt. Die zuständigen Bundesinnenminister (egal von welcher Partei) als Verhandlungsführer für die Beschäftigten auf Bundesebene sahen nie ein, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch ein Recht auf eine bessere Entlohnung haben, ähnlich den Mitarbeitern in der Metallbranche oder am Bau. Schon gebetsmühlenartig sprachen sie stets vom „Ruin des Staates“ oder der „Gefährdung der gerade aufwärts gehenden Konjunktur“, oder der „Gefahr für den Standort Deutschland“ oder der enormen Belastung für die „öffentlichen Haushalte“, wenn wieder einmal die Forderungen der Gewerkschaften, die ja stets als „maßlos“ postuliert werden, erfüllt würden. Diese Sprüche muss anscheinend jeder Bundesinnenminister auswendig lernen, bevor er vom Bundespräsidenten für sein Amt ernannt wird!

Nein, Lohnerhöhungen gingen gar nicht und würden den Etat des Staates enorm belasten. Gleichzeitig, und da sind sich fast alle Politiker einig, werden die Diäten der Bundestagsabgeordneten erhöht (dies war erst jüngst noch der Fall gewesen, sogar mit einem anschließenden Automatismus, so dass im Deutschen Bundestag künftig hierüber gar keine Debatten mehr zu führen sein werden).

Saftige Diätenerhöhungen der Bundestagsabgeordneten und teure in den Sand gesetzte Projekte in Milliardenhöhe des vom jetzigen Innenministers und damaligen Verteidigungsministers Lothar de Maiziére in Auftrag gegebenen Euro Hawks auf der einen Seite und angebliche finanzielle Engpässe der Länder und Kommunen auf der anderen Seite lassen die Arbeitgeber stets von einer finanziellen „Notlage“ der öffentlichen Hand sprechen, die stets als Totschlagsargument her halten, um zu sagen, dass man eigentlich gar keine Möglichkeit sieht, noch mehr finanzielle Mittel an die Beschäftigten im öffentlichen Dienst auszugeben. Der gleiche Minister, der für das Milliardenprogramm zur Beschaffung der Aufklärungsdrohne Euro Hawk zuständig war, spricht jetzt in seiner Eigenschaft als zuständiger Innenminister gegenüber der Gewerkschaft ver.di von einer „überzogenen“ Forderung. Angesichts des Milliardenverlustes durch seine Fehleinschätzung als Verteidigungsminister ist diese Aussage mehr als eine Frechheit gegenüber den Beschäftigten im öffentlichen Dienst insgesamt.

Das Argument mit den zu geringen Finanzen ist aber schon sehr alt. Es musste herhalten zuzeiten guter Konjunktur unter Helmut Kohl als Bundeskanzler und der damaligen ötv-Vorsitzenden Monika Wulf-Matthies, zuzeiten schlechterer Konjunktur unter Gerhard Schröder und Herbert May als Vorsitzenden der ötv sowie in Zeiten anziehender Konjunktur und sprudelnder Einnahmen unter einem Finanzminister namens Wolfgang Schäuble, der demnächst erstmalig einen ausgeglichenen Bundeshaushalt vorlegen will.

Auch die Verhandlungsführer auf Länder- oder Gemeindeebene sahen nie die Notwendigkeit ein, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vernünftig vergütet werden müssen, damit diese auch mehr Kaufkraft in ihrer Geldbörse haben. Ganz im Gegenteil: Auch diese Arbeitgebervertreter taten immer so, als ob sie die Mehrausgaben für die Gehälter der Beschäftigten aus eigener Tasche zahlen müssten. Auch hier waren die Gründe fast immer finanzielle Engpässe der Länder oder der Kommunen. Wäre es nach den Äußerungen dieser Arbeitgeberriege gegangen, hätten die Beschäftigten nicht mehr sondern weniger am Ende der Tarifverhandlungen bekommen sollen.

Rückblickend wissen wir aber, dass die Tarifverhandlungen am Ende fast immer einen, wenn auch sehr geringen, Zuwachs an Einkommen für die Betroffenen gebracht haben. Und hier sind wir auf der anderen Seite der Tarifpartner angekommen, der Seite der Gewerkschaften. Eigentlich muss hier ja im Singular gesprochen werden, nicht aber im Plural, denn es ist gerade im öffentlichen Dienst ausschließlich die Gewerkschaft ver.di, vormals ötv, die die entscheidenden Verhandlungen mit den öffentlichen Arbeitgebern geführt hat und auch weiterhin führt (derzeit wieder aktuell seit dem 13. März 2014 in Potsdam).

Eine kleine Splittergruppierung als Interessenverband für die beamteten Kolleginnen und Kollegen, der dbb (Deutsche Beamtenbund) sitzt separat am Seitentisch bei den Tarifverhandlungen dabei, überlässt die Verhandlungsführung aber dem Team um Frank Bsirkse, dem Vorsitzenden der Gewerkschaft ver.di, eine der zahlreichen Einzelgewerkschaften im Dachverband des DGB, tritt aber dann vor die Kameras, um den errungenen Erfolg (durch ver.di) als eigenen Erfolg des dbb zu verkaufen. So wird den eigenen Mitgliedern eine kraftvolle Verhandlung mit den öffentlichen Arbeitgebern am Verhandlungstisch vorgegaukelt, die aber mit der Realität nichts gemein hat.

Der ausschließliche Erfolg der Gewerkschaft ver.di ist der Erfolg der vielen tausend Mitglieder in den einzelnen Bundesländern, in den vielen großen und kleinen Städten Deutschlands, die, wenn es darauf ankommt, stark präsent sind und lautstark für ihre Rechte kämpfen. Und wenn es dann heißt, einen Warnstreik für einen Tag zu organisieren, z. B. im Bundesland Nordrhein-Westfalen, sind die Mitglieder größtenteils so motiviert, dass sie dem Aufruf folgen und sich auf die Straße begeben. So sind dann Müllwerker zusammen mit Sparkassenangestellten, Vertreter der Kommunen zusammen mit Mitarbeitern der Finanzämter oder Feuerwehrbeamte zusammen mit Polizeibeamtinnen und –beamten aktiv, die teils in ihrer Arbeitskleidung oder Uniform, teils mit Fahnen ausgerüstet, teils mit Spruchbändern oder Transparenten auf Straßen und Plätzen lautstark demonstrieren und damit den Verhandlungsführern der Arbeitgeber zeigen, dass sie alle zum Kampf bereit sind. An dieser Stelle muss aber gesagt werden, dass die Zahl der am Warnstreik teilnehmenden Mitglieder noch viel höher sein könnte, wenn gerade die in ihren warmen Büros sitzenden Mitglieder und Sympathisanten den Aufruf ebenfalls ernst nehmen würden und zusammen mit ihren streikbereiten Kolleginnen und Kollegen auf die Straße gingen.

Denn: Je mehr organisierte Beschäftigte, aber auch nichtorganisierte Sympathisanten an solchen Aktionen teilnehmen, umso klarer ist die Botschaft an die Arbeitgeber der Kommunen, der Länder und des Bundes. Wenn auch die Medien (hier vor allem das Fernsehen) nur wenige Sekunden Filmmaterial von den jeweiligen Aktionen abends zeigen, ist doch der Eindruck in der Bevölkerung verankert, dass die Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst nur deshalb so viele zornige Mitglieder auf die Straße gebracht haben, weil wieder einmal, wie schon vor Jahren und Jahrzehnten, die Arbeitgeber gebetsmühlenartig ihre Sprechblasen absondern und erklären, dass die Forderungen der Gewerkschaften zu hoch und außerdem das Geld für mehr Lohn gar nicht vorhanden sei.

Das tut auch den aktiven Gewerkschaftsmitglieder selbst gut, haben sie doch für ihre Sache wenigstens an einem oder sogar mehreren Tagen die Arbeit ruhen lassen und sind für ihre berechtigten Forderungen auf die Straße gegangen. „Wir fordern die Gewerkschaft ver.di auf, wieder an den Verhandlungstisch zurück zu kehren“, kann man dann abends im Fernsehen die öffentlichen Arbeitgeber reden hören. Spätestens jetzt ist klar, dass die Drohkulisse der Gewerkschaftsmitglieder mehr als notwendig ist, soll dann am Verhandlungstisch doch noch etwas herauskommen, mit dem am Ende die Mitglieder von ver.di leben können.

So ist es also doch notwendig, die scheinbar verstaubten und antiquierten Szenarien hervorzuholen und die Muskeln spielen zu lassen.

Wirklich wünschenswert wäre es in der heutigen Zeit, dass auch mal die Arbeitgeber, allen voran die zuständigen Innenminister, einsehen würden, dass ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gute Arbeit leisten und es verdient haben, anders als die Bundestagsabgeordneten, die sich gleich eine 10prozentige Erhöhung ihrer „Diäten“ verordnet haben, einen maßvollen kleinen finanziellen Zuwachs zu bekommen. Ob wir das noch erleben?!

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1 Kommentar

Da immer mit den Diäten anzukommen, ist albern, weil das Peanuts sind gegenüber den Massen von Angestellten, die - mal wieder - satten Zuschlag wollen...

Und wenn dann Otto Normal wegen der Streiks bei Bus und Bahn ggf. Urlaub vergeuden muss oder Taxigeld verschwenden, muss er anschließend auch noch mehr Steuern oder Fahrpreise bezahlen, weil man die erhöht, um die Forderungen zu bezahlen.

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