Politische Veranstaltung in einer Kirche: verfassungswidrig?
Am 21. Mai 2019 sprachen der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck und andere Politiker in der Recklinghäuser Christuskirche vor 600 Schüler*innen über „Bedeutung und Wert der Demokratie“ und über das Grundgesetz der Bundesrepublik. Die Veranstaltung wurde musikalisch umrahmt von zwei Schülerbands. Auch ein Schüler, den ich sehr gut kenne, ist hier mit seiner Band aufgetreten. Ich empfinde das als Nötigung. Er ist nicht getauft, also nicht Christ. Auch wenn er Christ wäre, wäre dies Nötigung. Denn er ist mit 14 noch nicht mündig und steht unter Gruppenzwang. Er bekäme Ärger mit anderen Schüler*innen, mit der Band und mit Lehr*innen. [Nach einem Bericht der Recklinghäuser Zeitung vom 22. 05.]
Diese politische Veranstaltung hat nichts in einer Kirche zu suchen. Unser Grundgesetz gebietet die Trennung von Kirche und Staat.
Alle Errungenschaften, auf denen unser Grundgesetz beruht, sind gegen den Widerstand der Kirchen erreicht worden. Ihre Sonderrechte sind im Grunde verfassungswidrig. Der Einfluss der Kirchen entspricht auch nicht der Zahl aktiver Gläubigen.
„Eine Umfrage auch unter Pfarrern nach dem, was sie glauben, wurde von dem praktischen Theologen Klaus-Peter Jörns durchgeführt (publiziert 1996) und hatte folgendes Ergebnis:
Nur noch, zwei Drittel der Gemeindepfarrer erkennt Jesus Christus das Gottesprädikat zu.
Nur ein Drittel hält die Heilige Schrift noch für heilig
43 Prozent glauben noch an die Allmacht Gottes
An die zentrale biblisch-theologische Aussage der Erbsünde glauben nur noch 13 Prozent der befragten Pfarrer.
Mit einem Jüngsten Gericht rechnet nur noch ein Drittel dieser Pastoren.“
[Aus: Warum die Kirche lügen muss. Ein Vortrag von Prof. Gerd Lüdemann, Neutestamentler an der Universität Göttingen]
Und wer bezahlt den technischen Aufwand für diese Veranstaltung? Gläubige, Sonntagschristen, Muslime, Muslima, Juden, Buddhist*innen, Agnostiker und Atheisten undsoweiter: alle, die in Deutschland steuerpflichtig sind.
So ist die Schwindsucht, an der die Kirchen leiden, ist ihr Niedergang nicht aufzuhalten. Wir brauchen da nicht nachzuhelfen. Das macht sie selbst.
„Ziel jeder Erziehung ist die Selbständigkeit und spätere Ablösung (des Kindes) von den Eltern. (…) NATÜRLICHKEIT, SICHERHEIT, VERTRAUEN und FREIHEIT sind die Leitbegriffe für eine gesunde Entwicklung.“
[Strotzka: Einführung in die Sozialpsychiatrie, Hamburg 1965. Zitiert von mir 1966 in einem Offenen Brief an den Oberbürgermeister der Stadt Recklinghausen mit der begründeten Forderung, die „subventionierten Konfessionsschulen“ bzw. die „Gemeinschaftsschulen auf christlicher Grundlage“ und den „Religionsunterricht samt Morgengebet“ abzuschaffen und stattdessen das Fach Philosophie einzuführen. Das betraf damals meine beiden Töchter.]
Nee, absolut nicht. Manchmal sogar angebracht. Bei uns will ein Pastor Bürgermeister werden. Da könnte ich auch fragen wie geht so was?