Querformat 2010 in der Städtischen Galerie Pfaffenhofen
QUERFORMAT – 29.10.2010
REDE VON KULTURSTADTRAT Peter Feßl
Werte Gäste der Gruppe Querformat, ich darf Ihnen einen vergnüglichen Abend in der Städtischen Galerie wünschen und bei den ausstellenden Künstlern mich für die Einladung zu einführenden Worten bedanken!
Liebe Zuhörer: Es gibt Querdenker, Quertreiber, Querköpfe, Querulanten und Querformat.
Weil diese Wörter recht schlimm klingen und die Künstler des heutigen Abends mir andrerseits alle recht umgänglich erscheinen, habe ich mich um eine freundlichere Definition bei Photospezialisten umgesehen und lese zu meiner Beruhigung:
Das Querformat ist wohl das am häufigsten genutzte Bildformat. Ich glaube nicht, dass es Zufall ist, dass die meisten Kameras so gebaut sind, dass sie bei natürlicher Haltung ein Bild im Querformat ergeben.
Das klingt beruhigend. Ob die Ausstellung nun Ruhe verbreitet, vielleicht sogar zu viel Ruhe, das zeigt uns ein Rundgang durch die Galerie. Und Sie werden sehen: Die bunte Mischung der Bilder ergibt eine spannendes, abwechslungsreiches, niemals langweiliges Allerlei. Die Palette der Formate – längst abgelöst von der Ursprungsbedeutung – ist vollständig, die Auswahl der Techniken ist vielfältig, die präsentierten Themen breit gestreut und jeder der 8 Teilnehmer verfolgt andere Intentionen.
Legen wir los:
Machen wir einen kleinen Rundgang – etwas schwierig aus der Ferne! – und machen wir ihn gegen den Uhrzeigersinn, damit auch mein eigener Querkopf ein bisschen quer sein darf…
Anna Brummer empfängt den Ausstellungsbesucher mit freundlicher Natur. Ihre Darstellungen aus der Tier- und Pflanzenwelt beruhigen wirklich. Auf der Suche nach einer heilen Welt wird sie dort fündig, wo der bunte Schmetterling oder die weiße Blume schlicht und einfach unser Auge erfreuen. Und wehe dem, der das nicht mehr sehen kann, wem die Hektik dazu keine Muse mehr lässt! Anna Brummer setzt dabei wirkungsvoll die Palette der Weißtöne ein und bringt auch das Weiß des Aquarellpapiers selbst zur Geltung.
Einmal nur liefert sie uns ein kleines Chaos ab, ein Bild fern der schönen Natur: Ein Bücherregal gibt den Geist auf und die Bücher liegen – dem natürlichen Fall folgend – auf einem Haufen am Boden. Doch auch hier war reine Natur im Spiel, nämlich die Gesetze der Physik.
Kiki Mittelstaedt schließt sich an mit drei sehr unterschiedlichen Beiträgen: Zunächst einige Studien abstrakter Kunst in Acryl gearbeitet, ausgeführt in diversen Farbengrundhaltungen, bunt und auch Ton-in-Ton. Teils zarter, teils markanter, kräftiger Pinselstrich.
Auch ihre 12 Tierkreisbilder sind in Acryl gehalten und das gewählte Format ist hier: … das Quadrat! Das Quadrat steht ja für absolute Gleichmäßigkeit, will in unserem Fall die 12 Symbole gleichwertig und gleichgewichtig erscheinen lassen. Kein Wunder, Sie liebe Gäste, würden sich bitter beklagen, wenn z.B. eine Jungfrau größer wäre als eine Waage und Sie zufällig eine Waage wären und keine Jungfrau…
Von der Jungfrau ist es nicht weit zu Engeln, und da sind wir schon beim nächsten Thema von Kiki Mittelstaedt. Drei Engel präsentiert sie und ich muss Ihnen sagen, in diese Engel habe ich mich verliebt: unkonventionell, mit wenigen gut sitzenden Strichen nur, bringt sie charmante Wesen aufs Papier. Sie wirken teils bissig, durchwegs aber pfiffig. Einer ist betitelt „leise lächelnd“, einer mit „gebrochenen Flügeln“, einer „wütend“. Wobei die netten Titel durchaus als Bestandteil des Kunstwerkes aufgefasst werden dürfen.
Annemarie Glück , eine altbekannte der Gruppe Querformat, schließt sich – gegen den Uhrzeigersinn – an. Ihre beeindruckenden Aquarelle liebevollster Details aus der Heimat kennt man. Sie sind eindrucksvoll und technisch perfekt.
Dieses Mal aber präsentiert die Künstlerin zusätzlich neu beschrittene Wege.
Unter dem Titel „Spuren“ fand in ihrer jetzigen Heimat am Starnberger See eine Ausstellung statt, anlässlich dieser Bilderschau entstanden auch die 3 Aquarelle, die Annemarie Glück hier in der Städtischen Galerie uns mitgebracht hat. „Analyse I“, „Analyse II“, sowie „Überschwemmung“ nennt sie die abstrakt anmutenden Arbeiten, die bei genauerer Betrachtung aber viel Inhalt zeigen oder zumindest assoziieren lassen. Alle drei scheinen aus einem Guss zu sein, Farben definieren jeweils Flächen, und diese schließlich erzeugen die Illusion von Objekten. „Analyse“ bekommt damit einen inhaltlichen und technischen Sinn, inhaltlich deshalb, weil sie Wirklichkeiten durchschaut, technisch deshalb, weil sie den Zerlegungsvorgang mit präziser und überlegter Pinselarbeit vornimmt. Ein auffälliges, fast kreisrundes Zentralgebilde und eine nicht weniger auffällige Betonung der Diagonalen lasse dabei der Fantasie Freiraum, allerdings nur einen gelenkten Freiraum im Sinne der Analyse, die bereits von der Künstlerin vorgenommen worden war.
Malu Ertl als ebenfalls allbekannte und geschätzte Künstlerin, liefert anschließend ein starkes Kontrastprogramm hierzu.
2 aktuelle Arbeitsschwerpunkte aus ihrem vielfältigen Werk zeigt sie uns:
Da sind zum einen kräftige Aquarelle gängiger Alltagsgegenstände, zum Stillleben angeordnet und für jugendliche, ja kindliche Betrachter ideal geeignet und für diesen Zweck auch gedacht: Die eigenen Enkel sollen sich an diesen Bildern erfreuen, und man kann diesen jungen Menschen gratulieren: Wohl dem, der in der engsten Verwandtschaft einen einfühlsamen Künstler hat, der früh schon zur Freude und zur Geschmacksbildung der Heranwachsenden einen so liebevollen Beitrag liefern kann und auch liefert.
Als Zweites liefert Malu Ertl fein gezeichnete Portraits in Bleistift, sorgfältigst gearbeitet und ausdrucksstark zugleich. Gesichter werden nicht nur abgebildet, sie erzählen auch etwas und werden die Auftraggeber wohl ein Leben lang erfreuen. Ja, es sind tatsächlich Auftragsarbeiten, wobei die Auftraggeber sicher wussten, dass sie ihren Auftrag nicht an eine x-beliebige Künstlerin vergeben, sondern an eine erfahrene Portraitistin, die Technik und Gefühl gleichermaßen in die Waagschale zu werfen vermag.
Anton Oberhofer schließt sich an und mit ihm der Organisator, den man zu seiner Mannschaft und zur heutigen Ausstellung nur beglückwünschen kann. Er will nicht hervorgehoben werden und ist doch zumindest als primus inter pares zu würdigen, der seit Jahren das Profil der Gruppe Querformat wesentlich mit prägt. Profil haben auch seine unverkennbaren Bilder. Technisch unheimlich ausgereift ergreifen sie den Betrachter immer wieder. Und das seit vielen Jahren. Wie lautet sein Geheimnis? Es scheint auf den ersten Blick einfach, aber nur auf den ersten Blick: Oberhofer stellt ein Stück Umgebung – und er liebt seine Umgebung – als Teilansicht eines größeren Ganzen zur Schau. Er zeigt z.B. ein Stück eines Weges. Dabei bleibt es aber nicht, und nun bedarf es des aufmerksamen zweiten Blickes: Die Symbolik, die Metaphorik gilt es nun zu beachten. Einen Weg – um im Beispiel zu bleiben – gehen wir alle. Unser Lebensweg, wie es oft heißt. „Der Weg sei das Ziel“ heißt es auch oft, und plötzlich stehen wir vor Oberhofers Bild am Ziel, weil wir auf einem Weg gehen und gerade einen Moment inne halten. Wir sehen zwar ein Stück voraus, aber nicht viel, hinter der nächsten Biegung verliert sich der Weg, nachdem er vorher perspektivisch richtig kleiner und kleiner geworden ist. Spüren Sie, liebe Zuhörer, sogar die Perspektive wird im Sinne einer Metapher verwendet!
Ich bin sicher, dass Sie in Oberhofers Schilfufer oder in seinen Sonnenblumen – einmal verblüht, einmal in voller Blüte – ähnliche philosophische Ansätze beim Betrachten finden werden.
Sebastian Klein: Eine Überraschung! Direkt neben dem Alten Hasen Oberhofer stellt ein junger Künstler einige seiner Werke aus, Sebastian Klein ist angehender Profi, und ich wünsche ihm, dass er von seiner Kunst später auch gut möge leben können. Sein Talent und die Umsetzung hochinteressanter Ideen machen optimistisch, auch auf einem immer härter werdenden Kunstmarkt bestehen zu können. Verschiedene Facetten seiner Möglichkeiten öffnet er dem Betrachter. In einem gleichsam postmodernen Realismus zeigt er eine Pfaffenhofener Straßeneinmündung, die zu den schönsten nicht zählt, doch für eine fast übertriebene Ästhetik aus Stein und Teer unheimlich viel hergibt. Ich kann mir etliche Pfaffenhofener Haushalte vorstellen, die dieses tolle Bild aufhängen würden, während sie ein Foto dieser Ecke nicht unbedingt hofieren würden.
In einem Portrait einer auf chic machenden Dame, die ihre Schönheit durch eine kesse Brille zu unterstreichen versucht, in diesem Portrait zeigt Sebastian Klein sein ganzes handwerkliches Können. Dieses Handwerkliche beherrscht er bereits meisterlich, und ich finde es persönlich sehr gut, wenn ein junger Maler nicht zu stolz ist, das zu zeigen, was viele Altersgenossen nicht zu zeigen gewillt sind, nämlich handwerkliches Können. Es entehrt niemanden, wenn sich jemand an den Satz erinnert, Kunst kommt von Können.
Das Experiment, das Klein mit dem gewaltigen Bild namens „Rehragout“ uns vorstellt, muss und kann uns nun ausschließlich inhaltlich beschäftigen. Eine klunkerbehangene Dame erscheint uns gesichtslos, ihr Gesicht ist zu Boden gefallen. Kopflos ist sie (noch) nicht, denn der etwas leer wirkende Kopf befindet sich noch auf dem Hals. In ihrem Gefolge schleppt sie eine Abfalltonne, darin ein totes Reh. Jetzt wäre ein totes Reh nicht zwingend auffällig. Aber unser Reh trägt als Alleinstellungsmerkmal eine Dornenkrone, und wiederum sind wir mitten im Symbolismus. Der gekreuzigte Jesus von Nazareth ist im abendländischen Denken der Träger der Dornenkrone, dabei heißt es in der Sprachregelung des Rosenkranzes immer wieder, „der für uns mit Dornen gekrönt worden ist“, „der für uns gelitten hat“, „der für uns gestorben ist“. Es ist – glaube ich – keine Blasphemie, wenn das Leiden und Sterben gequälter Kreatur jemanden erinnert an Vorgänge in Jerusalem vor 2000 Jahren, die in die Geschichtsbücher eingegangen sind. Würde unser Reh nur geschlachtet worden sein zum Verzehr, wir müssten es ethisch etwas anders abhandeln, aber es zeigt sich uns in der Mülltonne, und die Dame, die ihr Gesicht verloren hat, hat ihre Klunker immer noch. Wer genau hinschaut, sieht, dass aus dem Auge der Dame etwas Schwarzes tropft. Ist es Blut? Sind es schwarze Tränen? Ich bitte Sie, werte Gäste, entscheiden Sie selbst.
Tita Heydecker heißt die letzte Malerin, deren Werke heute unsere Wände teilweise in Rätselwände verwandeln. Lange müssen Sie davorstehen, und immer wieder müssen Sie einen Anlauf nehmen, um neue Ebenen, neue Schichten in den Bildern Heydeckers zu entdecken. Wie endlose Staffelungen von Kulissen muten die Acrylgemälde der Profimalerin an. Jede Ebene kann für sich bestehen, was ein gutes Zeichen ist, jede Ebene steht aber in Wechselwirkung mit anderen Ebenen. Jene werden unterstrichen oder abgemildert, manchmal auch fast verdeckt und zur Bedeutungslosigkeit degradiert. Als erstes trägt die Künstlerin auf der Leinwand in der Regel ein Muster auf, das als ornamentale oder florale Unterlegung für das Folgende verwendet wird. Auf diesem Ornament findet sich eine zur Interpretation freigegebene Story, es wird etwas erzählt, insofern werden Farben und Formen zum Träger von Bedeutung im Sinne der Semantik. Durch das Verwirrspiel muss sich der Betrachter nun durchwursteln, wie man bei uns sagt, und auch wie man in Hallbergmoos sagt, wo Tita Heydecker wohnt.
Das Spannungsfeld zwischen einerseits „schön anzuschauen“ und andrerseits inhaltlich „grausam wirken“ erzeugt eine eigene Ästhetik, die zwangsweise auf den ersten Blick nicht alles preis geben darf. Die Welt ist eben nicht sofort erschließbar, die Dinge sind eben nicht einfach einfach. Das Verborgene kann hervorgehoben werden. Und das tut die Künstlerin in ihrem Ansatz, und es gelingt auch. Also ist ihr Ansatz auch tragfähig. Er ist tauglich für ihre Zwecke. Nicht zufällig hat sie unlängst in München im Haus der Kunst Bilder hängen können und dafür auch Liebhaber gefunden.
Sehen Sie, liebe Besucher der heutigen Vernissage, selbst, ob sie in Heydeckers Werk die weggeworfenen Augen wieder finden, ob sie Figuren und Schatten jeweils trennen können, ob das gefräßige Schwein im Schoß eines rudimentären Menschen nicht eine arme Sau ist.
Eva Nemetz: Bleibt uns zu guter Letzt noch eine Künstlerin, deren Werke nicht die Wände zieren, sondern die unsere Galerie plastisch erscheinen lassen, indem sie die dritte Dimension mitten ins Herz hinein trägt.
Die Wolnzacherin Eva Nemetz kennen Sie alle, auch in Pfaffenhofen hat sie nur lauter Heimspiele, wenn sie ihre beeindruckenden Holzskulpturen ausstellt.
Als Gast wird sie für heute angekündigt, doch irgendwie gehört sie dazu, „Gast“ klingt für Eva fast ein bisschen distanziert, soll aber in unserem Fall das Gegenteil bedeuten: „Querformat“ will sie durch den Gaststatus ehren, ihr Anerkennung zollen für zahlreiche Arbeiten und erfolgreiche Ausstellungen auch im überregionalen Bereich. Der Durchbruch ist gelungen, und deshalb soll Eva Nemetz heute besonderer Gast sein.
Ihre Holzfiguren wirken immer kraftvoll und haben meist auch eine spitzbubenhafte Facette, lassen Platz zum Schmunzeln und handeln auch ergreifende Momente nicht todtraurig ab. Gerne und immer wieder geht man um die einzelnen Objekte herum, möchte sie manchmal direkt streicheln, möchte sie greifen, um sie besser zu begreifen. Der oft kantige Schnitt mit dem Schnittmesser passt zur Figur, die ja nicht aalglatt sein soll. Das Betrachten macht nicht zuletzt dadurch schlicht und einfach Spaß.
Spaß, liebe Besucher, dazu Freude, ein Schuss Nachdenklichkeit und interessante Begegnungen sind die Dinge, die ich Ihnen für heute Abend wünschen darf.
Manche Worte wirken auf Distanz vielleicht etwas komisch, in der Ausstellung selbst würde es sich leichter sprechen. Doch ich hoffe, es war trotz der Dauer nicht zu langweilig
Lassen Sie mich zum Schluss noch einen ganz langweiligen Satz vorlesen zum Thema: Wie ist Querformat definiert?:
Querformat ist ein Bild mit größerem vertikalen als horizontalem Bildrand.
Na so was!
Peter Feßl