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Mein Modell

Da steht es nun - ein Modell. Aus Kuststoff. Ziemlich rar, kein mainstream und entsprechend teuer.
Es ist noch nicht fertig; die "Innereien fehlen noch - die Instrumente, die maßgeschneiderte Couch, Schläuche. Und derjenige der darin gesessen hat, besser gesagt - sein Modell.
1:12 ist der Maßstab, das Modell etwa 70 cm hoch. Und das Original ist inzwischen gut 50 Jahre alt - kaum jemand erinnert sich noch daran; ich wurde zu dieser Zeit gerade geboren.

Es war die Zeit des kalten Krieges, des Wettlaufs der Supermächte, des Wettlaufs wer als erster den Weltraum erreicht. Und es spornt wohl nichts besser an als ein Wettbewerb, erst Recht wenn es um Überlegenheit geht.
Aber es ging vielen um etwas Anderes.
Ein Bergsteiger wurde gefragt warum er den auf Berge stiege wenn er doch anschließend wieder herunter müßte. "Weil sie da sind", hat er gesagt.
Der Mensch ist wissbegierig, die Natur hat ihm Verstand gegeben. Er will Wissen, Antworten, Klarheit. Seit der Aufklärung wurde dafür niemand mehr auf den Scheiterhaufen gesteckt, auch wenn der erste Ballon, mit Tieren "bemannt", nach der Landung mit Mistgabeln traktiert wurde aus Angst es wären Dämonen darin.
1960 - das war die Zeit als in den USA noch mehr als jede zweite Rakete beim Start explodierte.
Eine Rakete - das ist nicht viel mehr als eine dünne Metallhaut, darin zwei Tanks mit tiefstgekühlten (kryogene) Flüssigkeiten darin die bei gegenseitiger Berührung sofort reagieren - Hypergol nennt man das. Ein Leck in einer Leitung reicht schon um ein ohrenbetäubendes, riesiges und ziemlich teures Feuerwerk zu erleben das dann oft auch den Startplatz mit verzehrt.
Am unteren Ende sind die Triebwerke mitsamt den Pumpen und Ventilen angebracht. Der Treibstoff muß zum richtigen Zeitpunkt und der richtigen Menge über ein duschkopfähnliches in ein trichterförmiges Gebilde gepumpt werden und die dort ausgelöste Verbrennung treibt die Rakete himmelwärts - wenn alles gut geht. Oft genug aber ging es nicht gut ...
Und dennoch stiegen Männer in silberfarbenen Anzügen in eine Kabine die am Ende eines Kranarms hing und krochen, die Beine voran, in eine glockenförmige Kapsel, manche behaupteten sie würden die Kapsel nicht besteigen sondern anziehen. Dann wurden die Schäuche und Leitungen mit der Kapsel verbunden und die Luke mit Sprengbolzen verschraubt. Von nun an war der Mann allein.
Maximal 180 cm groß und 67kg schwer durften sie sein, Testpiloten mit mehreren tausend Flugstunden auf Düsenjägern und mindestens einen Hochschulabschluß in einer physikalisch-technischen Disziplin. Aus mehreren hundert Bewerbern wurden schließlich sieben ausgewahlt, nach brachialen medizinischen, physiologischen und psychologischen Tests - Tom Wolfe hat ihnen mit seinem Buch "The Right Stuff" ein sehr authentisches Denkmal gesetzt - verfilmt und in Deutschland als "Der Stoff aus dem die Helden sind" mehrfach ausgestrahlt.
Projekt Mercury, Merkur der Götterbote hieß das Programm das zu dieser Zeit den ersten Amerikaner ins All bringen sollte. 6 Flüge fanden statt, von einem 15-minütigen Hopser durch Alan Shepard bis zu den 22 Erdumkreisungen des Gordon Cooper, dem ersten der in dieser Kapsel sogar schlief.
Sie lagen in ihrer maßgeschneiderten Couch, einem leichten Glasfasergewebe, das ihren Körper während der Startphase mit einem enormen Andruck den nötigen Halt gab, Instrumente die teils aus dem normalen Flugzeugbereich kamen, zum Teil aber komplette Neuentwicklungen waren - und nie unter realen Bedingungen auf der Erde getestet werden konnten.
Sie mußten sich darauf verlassen daß alles funktionieren würde.
Reservesysteme gab es nur wenige.
Wenn das Raketenpaket am stumpfen Ende der Kapsel nicht funktioniert kämen sie nicht mehr zurück zur Erde; wenn der Hitzeschild versagt würden sie wie eine Sternschnuppe verglühen, wenn der Fallschirm nicht öffnet mit mehreren hundert km/h auf die Wasseroberfläche aufschlagen. Würde das Sauerstoffsystem versagen, würde die Elektrik ausfallen, würde die Lageregelung versagen - die glorreichen Sieben hatten viele Möglichkeiten zu sterben. Und das für ein normales Luftwaffen- Offiziersgehalt mit eine minimal erhöhten Fliegerzulage.
Und für die Chance Erster oder zumindest einer der ersten zu sein, die Erde aus einer Perspektive zu sehen wie sie nie ein Mensch zuvor gesehen hatte - abgesehen von den sowjetischen Kosmonauten die zur selben Zeit flogen.

Dies alles geht mir durch den Kopf als ich mein Modell zusammenbaue, so sorgfältig wie möglich. Ich lese die Anleitung genau durch, lege mir die ersten Teile zurecht, überlege was zu beachten ist.
Erst jetzt mache ich mir Gedanken über Kleinigkeiten, wie die Bemalung aussieht, wo wohl dieses oder jenes Teil hingehört und welche Funktion es hat. Wie die Düsen des Rettungsturms arbeiten, diesem roten Gebilde an der Spitze der Kapsel, der den Astronauten bei einem Versagen der Rakete von ihr wegreissen und in einen sicheren Abstand und Höhe bringen soll wo dann der Fallschirm ausgelöst werden kann. Ich beschäftige mich erstmals eingehend mit den Instrumenten die der Astronaut zur Verfügung hatte, die winzigen Klebeschilder sollen ja richtig angebracht sein.
Die Hebel und Griffe - wofür sind sie, welche Farbe hatten sie? Gut daß die NASA eine große Menge an Bildern übers Internet offen zugänglich im Archiv hat, und viele Enthusiasten haben die Exponate der vielen Raumfahrtmuseen in den USA akribisch fotographiert und diese Bilder ebenfalls ins Netz gestellt - ihnen allen ein riesiges Dankeschön von mir an dieser Stelle!
Der Astronaut in seinem Anzug mit den Gurten, den Reißverschlüssen, Anschlüssen und Schläuchen, das Helmfutter, die Dichtungen und Mikrophone. Alles verlangt eine ruhige Hand die ich nicht immer habe, aber ich tue mein Bestes. Welche Ausführung baue ich, welchen Namen soll die Kapsel tragen, welcher der sieben soll darin sitzen?
Ich habe mich für Virgil "Gus" Grissoms "Liberty Bell 7" entschieden, für den zweiten Sub-Orbitalflug, bei dessen Landung die Luke zu früh abgesprengt wurde und Grissom fast ertrunken wäre.
Die "7" hatten alle Kapseln im Namen, denn auch wenn jeder der Astronauten Erster sein wollte so waren sie eine festgefügte Gemeinschaft, "We seven were bonded like brothers, maybe even closer if that's possible,"sagte Walter "Wally" Shirra (+2007) zum Tod von Gordon "Gordo" Cooper 2004. Will ich mit diesem Modell vielleicht ein wenig von diesem Geist einfangen, bewahren? Etwas das es heute so wenig gibt?
Die Kapsel lag viele Jahre auf dem Grund des Pazifik, wurde von Enthusiasten gehoben und im Raumfahrtmuseum von Hutchinson/Kansas restauriert - ich habe sie dort selber gesehen. Tragischerweise kam Grissom am 27. Januar 1967 beim Feuer in der Apollo1-Kapsel ums Leben - dort ließ sich die Luke nicht schnell genug öffnen...

All das geht mir durch den Kopf während ich bemale, klebe, zusammenfüge.

Und das was Alan Shepard sagte als man ihn fragte was er in den vier Stunden die er nach mehreren Verzögerungen bis zu Start in der Kapsel lag gedacht hatte: "Ich habe daran gedacht daß diese Rakete aus vielen tausend Teilen besteht - und jedes dieser Teile wurde beim billigsten Anbieter gekauft...

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12 Kommentare

Hallo Edgar, habe jetzt erst Deinen interessanten Artikel gelesen und bin begeistert. Ich erinnere mich noch sehr gut an diese unsicheren und aufregenden Pionierflüge Anfang der 60er. Danke für die Erinnerung. Tolles Hobby!

Ich begann 1963 meine Lehre... und mein damaliger Chef stellte ein Fernseher in seine Drogerie, so dass wir und unsere Kunden den 1. Flug zum Mond schauen konnten... War das spannend.

Na, aber zu der Zeit als das berühmte "... the eagle has landed..." kam hattet Ihr doch wohl nicht geöffnet, oder? ;-)))

Schön Dich wiederzulesen, Helga!

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